Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Alexys A. Sidorow, Moskau.

(Hrsg. unter Mitwirkung von M. P. Block.) Berlin: Albertus-Verlag (1928). XXIV S., 2000 Abb. (Das Gesicht der Städte.)

Da sind sie also: die Vorstadtstraßen mit den stotternden Gattern, die sich endlos dahinziehen, die Putten von den nichtsnutzigen Standbildern, die Pudowkin zu allegorischem Brucheisen zerschlug, die in Kuppeln erstickten Türme, von zweitausend ein gutes Hundert, die Kirchlein des ältesten Kreml, die wie Hütten von Waldfrauen sind, die da hausen mochten, ehe dieser sanfteste, thronendste Hügel gerodet wurde, chram spassitelja, die Erlöserkirche, nichtssagend wie ein Zarengesicht, hart wie das Herz eines Gouverneurs, die unzähligen Segeltuchschwingen, die an Markttagen auf den Arbat und den Ssucharewsky-Platz in Schwärmen sich niederlassen, und den Ssucharewsky-Turm selber, dieser riesige Kachelofen, der sich nicht heizen läßt, die wüsten, welligen Plätze, an deren Rande die Bahnhöfe Moskaus schwankend vor Anker liegen, die Häuser Mosselprom und des Gosstorg, aus Glas- und Betonklötzen, die ersten »selbstgebauten« der Bolschewiken, der Strasnoy-Platz mit seinem Sparbüchs-Kloster, der Rote Platz, in welchen von allen Seiten die russische Steppe hineinflutet, um an die Kremlmauer zu branden, und diese Mauer selbst mit den anbetungswürdigen Zinnen, die in sich wie ein russisches Frauenantlitz Süßigkeit und Roheit vermählen, die neuen Trickplakate des neuen Moskau – rauchende Moslem, Autos und Filmstars in natürlicher Größe – die in dieser »Prärie der Architektur« wie bei uns am Bahndamm entlang sich staffeln, und wieder die Profile des Kreml, auf den der Himmel braver und treuer herunterschneit als auf sonst einen Flecken auf Erden, und die Kremltore, die fester als alle Tore Europas Ehrfurcht und Schrecken in ihrer Leibung zu halten wußten, die Moskwa, vor deren Ufern die Stadt freundlicher blickt wie ein Bauernmädchen, das an den Spiegel herantritt, die Gewerkschaftshäuser, Fabriken, Konsumpaläste, deren Fassaden an roten Feiertagen der rote Wandkalender des Proletariats sind, die Dorfkirchen der nahen Umgebung, die wie Dächer sind, die man sauber ins tiefe Gras stellte, und das Dach der Basilius-Kathedrale – ein großes, verholztes Steppendorf ohne Türen und Fenster –, das Historische Museum, das hier mit einem Male nach Moskau, und nur in Moskau nach Charlottenburg aussieht, die Tverskaja, deren enge Läden versteinerte Marktbuden sind, Datschen, Sommerhäuschen unweit der Stadt, deren schiefe Gatter dem Fremden mehr winken als wehren, und Datschen im Winter, die tiefer und trauriger schlafen als das verschneiteste Feld und der einsamste Kirchhof. Und in all diesen Bildern, klein und verschwimmend oder plastisch und groß die Menschen, die diese Stadt schufen und schändeten, verrieten und förderten, liebten und lästerten, die dichte oder lichte Masse, die sie bezwang oder von ihr bezwungen wurde, die in Parks und auf Plätzen singt und friert, hungert und heult, jubelt und turnt, und aus welcher sich diese Männer zusammengefunden haben, die ihrer Heimat den scharfen, tiefen Blick in ihr Antlitz taten, aus dem dies durch und durch erfreuliche Buch entstand.


 << zurück weiter >>