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Hatte nun Kamilla doch bemerkt, daß sie unter Juden geraten sei bei dem Anblicke des Moses, des alten Hausdieners, des langbärtigen Vater Abraham? – Nein! – Das Fremdartige war ihr allerdings aufgefallen, aber nur das Fremdartige. In ihrem elterlichen Hause war vom Judenhasse nie die Rede gewesen. Die Religionsverschiedenheit zwischen Vater und Mutter brachte Duldung mit sich, und im Kloster, wo sie bei erwachendem Verständnisse gewesen, hatte man nie von Juden gesprochen. Dazu kam die vorherrschend südliche Physiognomie der Menschen in ihrer Heimat, welche vielfache Ähnlichkeit hatte mit den israelitischen Köpfen und aus den Gebirgen im Süden von Ancona, aus dem alten Apulien und Kampanien, aus den Abruzzen waren wohl öfters Landleute in die Stadt gekommen mit verwilderten Gesichtern und starken Bärten, welche sie im Vorübergehen gesehen. An solche fremde Herkunft hatte sie gedacht beim Anblicke Vater Abrahams, und bei nächster Gelegenheit wollte sie Ruben danach fragen. Der Haupteindruck war ja doch die Mutter gewesen, welche mit so liebevoller Art ihr junges Herz gewonnen. Ja, auch Moses hatte eine Ableitung geboten in seiner merkwürdigen Garstigkeit. Der hatte ja so verwunderlich dreingeschaut, daß sie noch lange hinterher über ihn lachen mußte.
Ruben hatte es sich abgerungen, nicht hinzukommen, weil er von Marcia nicht gesehen sein wollte und weil er den reinen, vollen Austausch der Gefühle zwischen seiner Geliebten und seiner Mutter nicht verkürzen wollte durch seine Anwesenheit.
Am nächsten Morgen ließ ihm Ruth durch Manasse mitteilen, was sie dem Vater gesagt, ohne die persönliche Begegnung zwischen Kamilla und dem Vater zu erwähnen. Diese Verleugnung des Liebesverhältnisses sei für den Augenblick von Wert. Ruben nickte zustimmend.
Die Menschen täuschen sich ja so gern über die Zukunft. Jeder Tag braucht seinen Trost, und den bereiten sie sich aus den zunächst liegenden Umständen, den Blick auf das Fernliegende verschließend.
Veitl jedoch, der Feind Rubens, sah weiter; er ruhte nicht. Als er am nächsten Morgen vor der Synagoge dem Vater Abraham begegnete und Abraham zu ihm sagte, er habe übertrieben mit dem Mädchen und seinem Ruben, denn die Christin habe ja ihren Bräutigam – da erwiderte er giftig: s' ist nicht wahr! Von dem sogenannten Bräutigam weiß ich auch! Er heißt Nota, aber das Mädchen mag ihn nicht; sie will deinen Ruben und er will sie. Du wirst die Schmach Israels erleben, wenn du nicht einschreitest mit Gewalt.«
Daß ein so echter Jude wie Abraham wankend werden konnte, das steigerte nur den Eifer des fanatischen Juden Veitl. Er entschloß sich nun, ein Stück Geld daran zu setzen, damit diese Schmach Israels abgewendet werde vom Judentum in Triest. Geld wollte er dransetzen für Marcia.
Diese Marcia mochte man für unbedeutend halten, aber sie war ein Frauenzimmer, also in Liebesaffären eine Nummer Eins. Sie verstand es, die zärtliche Zudringlichkeit ihrer Juden auszunützen. Alle drei Juden, Veitl, Moses und auch Manasse waren ihr zuwider, aber sie kokettierte mit ihnen, um Geld zu gewinnen, um Geschenke zu erhalten. Sie war viel besser unterrichtet, als alle ahnten. Für Liebschaften haben eben Frauenzimmer mehr als zwei Augen, das ist ihr Beruf. Sie hatte Ruben gesehen, als er das erstemal ins Haus gekommen und da gesungen hatte. Das war ein Sonntag für sie gewesen, ein Sonntag, solch einen saubern Mann zu sehen und zu hören. Sie hatte auch seinem Gesange außen gelauscht. Das war ein begehrenswerter Mann, Santa Maria! hatte sie gesagt. Und der für die junge Herrin Kamilla? O nein! Ihrer Eifersucht war es keinen Augenblick entgangen, daß Kamilla ihn gern sah und daß er Kamillen nahe rückte. Sie hatte ihn später den Bergpfad hinaufgehen sehen, und als Kamilla eben dahin ging, da war sie im klaren. Nur als sie im elterlichen Hause Rubens mit Kamilla gewesen, da war sie unsicher geworden – er war nicht erschienen, was wollte Kamilla dort? Sie hatte gemerkt, daß sie unter Juden wäre, Moses hatte sie ja geführt. Da sie aber Ruben nicht für einen Juden hielt, so begriff sie nicht –
Veitl klärte sie auf. Er war ihr ältester Anbeter, der sie nie vorübergehen ließ, ohne feixend eine Annäherung zu versuchen. Am nächsten Morgen nach der Abendvisite, als sie wie täglich auf den Markt ging, winkte er ihr, in den Laden einzutreten; Moses war nicht da. Sie schüttelte den Kopf, da zeigte er ihr Gold, und als sie darauf näher trat, gab er ihr einen ganzen Gulden und versprach noch mehr, wenn sie ihn auf dem Laufenden erhielte von den Vorgängen in der Villa. Dabei erfuhr er, daß Kamilla in einem Judenhause gewesen und daß die Hausfrau sich gar zutunlich erwiesen. Er schrie auf. Das war Abrahams Haus, und Mutter Ruth war die Nichtswürdige, welche treulos wäre in ihrem Glauben! Nun sei's die höchste Zeit, alle Mittel dagegen aufzubieten.
Ruben ahnte nichts von dieser Gefahr und ging mittags hinaus, um seine Visite abzustatten bei Frau Molitore.
Der Diener empfing ihn mit dem Bescheide, daß die gnädige Frau zu Bett liege und niemanden empfangen könne, daß er ihn aber bei dem Herrn Abbate und dem Fräulein melden wollte, welche im Salon wären. Er hörte darauf den Freudenruf des Abbate, welcher durch die ungenügend verschlossene Tür seine Stimme vernommen und ihm entgegenkam. Der kleine dicke Herr war entzückt über seine Ankunft und umarmte ihn. Kamilla lächelte listig und machte ihm eine tiefe Verbeugung, sie war also immer noch guter Laune.
»Spielen und singen!« – rief der Abbate – »spielen und singen! Ich hole sogleich meine neueste Arbeit, welche ich in Ancona komponiert habe, ausgiebig für den Sänger Samuele, ich fliege.« Und er schob sich mit Anstrengung hinaus.
Ruben und Kamilla waren allein. Sie reichte ihm fröhlich beide Hände und sagte leise: »Ach, deine Mutter, wie hat sie mich erquickt! So gut ist sie, so lieb und herzlich! Aber dein Vater, der hat mich überrascht.«
»Mein Vater?! Den hast du –?«
»Freilich! Ich hab' ihn gesehn.«
»Nicht doch!«
»Ja doch. Als wir die Treppe herunter kamen, trat er aus seinem Zimmer, und deine Mutter hat mich ihm vorgestellt.«
»Um des Himmels willen! Und –«
»Weiter nichts. Ich hab' ihn angelächelt, und er hat kein Wort gesagt.«
»Gott sei Dank!«
»Sage mir, Ruben, stammt ihr aus den Abruzzen? Dein Vater hat mich an die Leute aus der Basilicata erinnert, welche mitunter zu uns nach Ancona kommen.«
»Mein Kind, wir stammen von viel weiter her, wir stammen aus Asien.«
»So weit?! Aber du siehst deinem Vater gar nicht ähnlich, du gleichst ganz der guten und noch immer schönen Mutter – geschwind, ehe der Abbate zurückkehrt; sehen wir uns morgen unter der Platane?«
Ruben zögerte mit der Antwort, und der Abbate trat ein mit den Noten. Man ging sogleich ans Musizieren. Wie damals wurde zur Entzückung des Abbate dessen neue Komposition von beiden ausschweifend gelobt. »Ach, wie schade,« rief er, »daß die arme Signora oben im Bett solche Ausführung einer Musik nicht hören kann!«
Da hatte Ruben den dreisten Einfall, sich an Kamilla mit der Frage zu wenden, ob Signora Molitore ihn nicht vielleicht doch empfangen könnte, obwohl sie im Bett liege?
Kamilla drohte mit dem Finger und flüsterte, unverständlich für den Abbate: »O Eitelkeit!« läutete aber dem Diener, sofort des Gedankens, daß dies der Tante schmeicheln und Ruben günstig einführen könnte. Sie trug also dem Diener auf, Rubens Wunsch der Tante zu melden.
Die Antwort lautete gnädig: Nach Verlauf einer Viertelstunde hoffe sie soviel Kraft gesammelt zu haben, den Herrn zu begrüßen.
Kamilla war sehr erbaut von der Antwort und füllte die Viertelstunde mit Scherzreden aus, welche dem Abbate in Aussicht stellten, daß man nächstens ein Konzert für zahlreiche Besucher veranstalten und ihn feiern werde.
Umsonst suchte Ruben sie durch Zeichen abzuhalten von solcher Rede und ihr begreiflich zu machen, daß zahlreiche Besucher nicht zu wünschen wären. Sie war eben seit ausgesprochener Liebe zwischen sich und Ruben von einer strahlenden Heiterkeit, welche sich durch nichts einschränken ließ. Ihr Gesichtsausdruck wurde allerdings dadurch so verschönert, ihre Gestalt so graziös in Bewegung gesetzt, daß Ruben in Seligkeit schwamm.
Ihn bis zur Tür begleitend, flüsterte sie: »Gutes Glück zur Eroberung der Tante!« und er nickte ihr lächelnd zu, obwohl ihm ja sonst solch eine Eroberung durch Schmeichelei ganz und gar fern lag. Kamillens Aufforderung trieb ihn wirklich dahin, seine Natur zu verleugnen und der Tante schmeichlerisch nahezutreten.
Der Diener geleitete ihn hinauf und rief einem Mädchen zu, dem Signore die Tür zu öffnen.
Dies Mädchen war Marcia. Das Kammermädchen der gnädigen Frau war erkrankt und sie war zum Hilfsdienste bei der kranken Herrin befohlen worden. Sie sah jetzt Ruben zum ersten Male ganz in der Nähe. An der Zimmertür stehen bleibend, blickte sie mit großen Augen auf den heranschreitenden Mann und schien die Aufgabe des Öffnens ganz zu vergessen. Die stattliche Erscheinung des jungen Herrn schien sie höchlichst zu verblüffen. Ruben blieb stehen vor ihr und sagte lachend: »Ich bitte!« indem er sie vom Kopfe bis zum Fuße betrachtete. Sie wurde blutrot und machte mit ihrem bloßen, kräftigen Arme eine unsichere Bewegung nach der Klinke, ohne doch hinreichend auf dieselbe zu drücken. Vielleicht weil sie den Kopf ihm zugewendet hielt, als könnte sie ihn nicht genug anschauen.
Er griff denn selbst, an ihrem Arme und ihrer Hand hinstreifend, nach der Klinke, öffnete das Zimmer und trat ein.
Marcia war mit einem leisen Laute seitwärts getreten und blieb unbeweglich stehen, als die Tür wieder geschlossen war. Das war freilich ein ganz anderer Mann als ihr Veitl, Moses und selbst Manasse! Dem wäre sie auch ohne Geldgeschenke zu Diensten gewesen. Einen unartikulierten Laut ausstoßend, ging sie fort.
Signora Molitore saß aufrecht in ihrem Bette, kokett angetan wieder mit roten Schleifen auf dem schneeweißen Hemde wie auf dem Spitzenhäubchen und auch auf den einfallenden Wangen mit einem feinen Rot von Schminke. Letzteres hätte sie so gar nicht nötig gehabt, denn ihr Lungenleiden hauchte eine leichte Röte über ihr Gesicht, eine Röte, welche nicht übereinstimmte mit den Schleifen und der Schminke.
Sie streckte ihm ihre schmale weiße Hand entgegen, indem sie ihn willkommen hieß, und er ließ sich, seiner Rolle entsprechend herbei, diese Hand zu küssen und ihr freundlich in die Augen zu blicken. Ihre Augen hatten etwas Glänzendes und erleichterten ihm die Stimmung zum Entgegenkommen.
Der Sessel neben dem Bett stand bereit, und als er sich niedergelassen, tat sie sehr verschämt, daß er sie im Bett finde. »Ach« – setzte sie hinzu – »das hat leider keine Bedeutung mehr bei einer alten kranken Frau! Deshalb ist es doppelt liebenswürdig, daß Sie mir solchen Besuch machen. Sie sind wohl noch nicht verheiratet?«
»Nein, ich bin es nicht und habe wenig Aussicht, es zu werden.«
»Ach, ein junger schöner Mann fände nicht ein zustimmendes Herz und eine bereitwillige Hand!?«
»Das nicht! Ich habe gefunden, was mich unaussprechlich beglücken könnte, ein herrliches Mädchen, welches meine Liebe erwidert.«
»Nun, und?«
»Meine und ihre Verwandten sind gegen unsere Verbindung.«
»O, die werden sich ergeben. Wahre Liebe siegt immer. Aber – entschuldigen Sie den Eigennutz – es ist nur von Wichtigkeit, daß Ihr Herz gefesselt ist. Nun kann ich Sie um eine Gefälligkeit ansprechen.«
»Gebieten Sie über mich, gnädige Frau.«
»Sie könnten sich meiner Nichte Kamilla annehmen.«
»Sehr gerne. Wie meinen Sie das?«
»Das Mädchen ist trotzig. Sie widerstrebt der Verbindung mit einem höchst eleganten Kavalier, dem Ritter von Nota, einem jungen Manne aus altem Geschlechte. In ein altes, hoch angesehenes Haus einzutreten, ist ja doch für ein verwaistes Mädchen unschätzbar. Wenn Sie ihr das begreiflich machen wollten.«
»Ihre Nichte hat kein Vermögen?«
»Sie erhält das meinige, wenn Sie den Nota heiratet; ich enterbe sie aber, wenn sie es nicht tut.«
»Hegt sie vielleicht eine andere Neigung?«
»Kein Gedanke! Sie kennt gar keinen Mann, und es würde ihr einen starken Eindruck machen, wenn ihr ein Gentleman wie Sie klar machte, daß sie mit ihrer Weigerung ihr ganzes Leben verdürbe.«
»Ich werde Gelegenheit suchen, der jungen Dame zu schildern, in welche Gefahr sie gerate ohne den Schutz eines Mannes.«
»Sie werden mich sehr dadurch verpflichten. Es wird nicht leicht sein und nicht schnell gehen, und ich müßte Sie bitten, mein Haus zu diesem Zwecke mit einiger Regelmäßigkeit zu besuchen.«
»Eine Einladung, welche ich mit großem Danke annehme.«
»Sobald ich etwas wohler bin und im Salon auftreten kann, werde ich auch für Unterhaltung sorgen. Der Herr Abbate ist von Ihrem Gesange entzückt, wir könnten kleine Konzerte veranstalten und Zuhörer einladen.«
»Ach nein, gnädige Frau! Ich scheue die Öffentlichkeit, welche des Dilettantenwesens spottet.«
»Zu bescheiden! Dann wenigstens Ihre Freunde, mit denen Sie das erstemal hier waren, den berühmten Herrn Farmer und den glücklichen Bellosi, nicht wahr?«
»Jawohl.«
»Unter allen Umständen aber, ich bitte, kommen Sie fleißig und nehmen Sie sich meiner Nichte an.«
Da trat Marcia ein mit einem Briefe, auf welchem »Pressant« stand.
»Vom Cavaliere!« rief Frau Molitore, nachdem sie ihn geöffnet, »von Nota. Der Ungestüme will durchaus herkommen, obwohl er hier politisch gefährdet ist.«
»Und man ist neuerdings sehr streng gegen politisch verdächtige Italiener.«
»Wirklich?«
»Sehr streng.«
»Worauf wartest denn du, Marcia? Packe dich fort!«
Marcia war stehen geblieben und hatte unverwandt Ruben betrachtet.
Dieser benützte die Unterbrechung und empfahl sich mit erneutem Handkusse. Er eilte an Marcia vorüber, welche im Vorsaale stehen geblieben, offenbar um ihn wieder anzuschauen, die Stiege herunter nach dem Salon voll glücklicher Ungeduld, Kamillen zu verkünden, was ihm gelungen sei. Er war ganz stolz auf das diplomatische Talent, welches er in sich entdeckt zu haben meinte. Die Liebe, meinte er in der Geschwindigkeit, befähigt eben zu allem.
Er fand Kamilla und den Abbate im heftigsten Musizieren. Sie führten ein Allegro aus in rasender Schnelligkeit. Der Abbate geigte, Kamilla sang, als würden sie gepeitscht, und als Ruben in ihre Nähe gelangte, entfiel dem erschöpften Abbate der Bogen, er sank an die Stuhllehne zurück, ließ beide Arme fallen und schloß die Augen. Kamilla aber, Ruben mit einem mutwilligen Kopfnicken begrüßend, schloß mit einem übermütigen Triller.
Sie war eben durch die ausgesprochene Liebe in ein durchaus mutwilliges Wesen verwandelt. Mit einem allerliebst schelmischen Ausdruck zeigte sie auf den dahin gesunkenen Abbate und sagte: »Wir haben redlich gearbeitet.« Dann, Ruben hinwegführend, setzte sie leise hinzu: »Jetzt schläft er eine Stunde lang fest wie ein Murmeltier, und wir sind allein wie unter der Platane. Was hast du ausgerichtet? Komm! Dort hinter den offenen Fensterflügel, welchen der Vorhang zudeckt. So! Nun sprich!«
Sie war entzückt über seinen Bericht, welcher ja Rubens Besuch und den näheren Verkehr mit ihr dauernd sicherte, und sie vergaßen beide über dem nächsten Gewinn die unheildrohende Zukunft. So sind eben Liebesleute. Und sie mögen wohl recht haben: der augenblickliche Besitz ist ja doch Besitz, das drohende Unglück ist nur Drohung.
Sie umarmten sich und waren der besten Dinge. Kamilla sagte sogar mit lauter Stimme: »Bravo!« als sie den Abbate schnarchen hörte, so daß ihr Ruben den Leichtsinn verweisen mußte.
Aber die Störung ließ nicht auf sich warten, und zwar eine Störung, welche in die dunkle Zukunft hinein reichte. Die Tür ging auf, ohne daß sie es bemerkten, und es näherte sich jemand, während sie Hand in Hand dastanden und sich selig in die Augen blickten. Es war Marcia.
Kamilla sah sie zuerst und trat ihr purpurrot entgegen mit der heftigen Frage: »Was willst du denn?«
Marcia reichte ihr einen Papierstreifen, auf welchem etwas geschrieben stand. Es war der Titel eines Buches, welches die Tante von ihr verlangte.
»So komm!« rief Kamilla und verließ den Salon. Marcia folgte ihr langsam, immer wieder auf Ruben zurückblickend.
Als Kamilla wiederkam, schlug sie die Hände zusammen bei den Worten: »Diese Marcia hat uns gesehn, als wir –«
»Wir werden die Bestechung erhöhn. Solche Leute tun und verschweigen alles für Geld.«
Kurz, der Leichtsinn machte all seine Rechte geltend, und an den folgenden Tagen war Ruben immer Stunden lang im Salon, oft sogar allein mit Kamillen, und selbst als die Tante so weit wieder hergestellt war, um im Salon zu erscheinen, ereignete sich nichts Störendes. Ruben versicherte ihr in der Fensternische, daß Kamilla schon mit Ruhe von dem Cavaliere sprechen hörte und ebenso ruhige Bemerkungen über ihn machte, ja die Tante selbst schien die brennende Frage um diesen Nota beiseite zu schieben. Offenbar gefiel ihr Ruben außerordentlich, und der behagliche Verkehr, welcher eingekehrt war mit der guten Laune Kamillas und mit dem steigenden Wohlwollen des Abbate konnte die Liebenden auf den Gedanken bringen: Am Ende ist die Tante dahin zu leiten, daß sie den Nota völlig aufgibt und den Ruben dafür annimmt.
So bewegte sich das Leben in der Villa angenehm, sogar hoffnungsvoll für die Liebenden.
Das Verderben jedoch wachte aufmerksam. Es hieß Marcia, welche diesen Verkehr wie ein Spion beobachtete, und welche in Eifersucht aufglühte. Sie hatte sich bis zum Sterben verliebt in den schönen Ruben, war vollständig im klaren über das Liebesverhältnis zwischen ihm und Kamilla, und hatte das Bedürfnis, dieses Liebesverhältnis zu zerstören.
Als sie also, wieder einmal auf den Markt gehend, von Veitl gefragt wurde, ob Ruben noch in die Villa käme und wie die Sache stände – da erzählte sie schlankweg: Er kommt alle Tage, die jungen Leute sind heftige Liebesleute, und die Tante ist auch gewonnen. Vielleicht schon in den nächsten Tagen gibt sie zu, daß sie einander heiraten.
Veitl sprühte Feuer und Flammen gegen den abtrünnigen Judensohn, setzte sich hin und schrieb einen Brief nach Ancona an den Cavaliere di Nota des Inhalts: Der Jude Schmuel ist Hahn im Korbe draußen in der Villa der Signora Molitore. Kamilla liebt ihn, und die Molitore ist nahe daran, in die Heirat zu willigen. Sie weiß nicht, daß er Schmuel heißt und daß er ein Jude ist. Wer soll's ihr sagen?
Die letzte Frage ging darauf, daß Veitl daran gedacht hatte, die Marcia zu unterrichten, Ruben sei ein Jude, und sie mit dieser Nachricht zu beauftragen für Frau Molitore. Aber er hatte sich eingestehen müssen: Die Nachricht von einer Magd des Hauses, welche unverständig redet, kann unbeachtet bleiben, man muß deshalb an die Hauptschmiede gehen. Diese ist der Cavaliere in Ancona. Veitl wußte von dessen Werbung um Kamilla, wußte, daß er ein ruinierter Glücksritter, und folgerte, daß dieser Himmel und Erde aufbieten würde, einen Nebenbuhler in die Luft zu sprengen. Nur die Geldfrage quälte Veitl noch: ob er der Sicherheit wegen noch zehn Kreuzer opfern und den Brief rekommandieren sollte.