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Achtzehntes Kapitel.

Ich mache ein Gefecht mit, werde verwundet und mit O'Brien gefangen. – Bei den O'Briens trifft ein grober Klotz auf einen groben Keil. – Ich bekomme ein behagliches Quartier. – Mein erstes Zusammentreffen mit Celeste.

—————

 

Ich habe nun ein Ereignis zu berichten, welches, so jung ich damals war, mich in meinem späteren Leben ernsthaft berührte. Wie wenig wissen wir, was der nächste Morgen bringt! Wir hatten unsere Station erreicht und einige Tage an der Küste verweilt, als wir uns eines Morgens bei Tagesanbruch ungefähr vier Meilen von der Stadt Cette befanden und ein großes Heer von Schiffen um eine Landspitze herumkommen sahen. Wir machten mit allen Segeln darauf Jagd; sie ankerten nahe an der Küste unter einer Batterie, welche wir nicht eher bemerkten, als bis sie das Feuer gegen uns eröffnete. Der Schuß traf die Fregatte dreimal, denn das Wasser war ruhig und die Batterie lag fast in gleicher Höhe mit ihr. Der Kapitän legte das Schiff um und entfernte sich wieder, bis die Boote ausgesetzt und alles bereit war, an die Küste zu steuern und die Batterie zu stürmen. O'Brien, welcher den ersten Kutter im Dienste kommandierte, war in seinem Boote, und ich erhielt wieder die Erlaubnis von ihm, mich in dasselbe einzuschmuggeln.

»Nun, Peter, wir wollen sehen, was für eine Sorte Fisch Du diesmal an Bord bringen wirst«, sagte er, nachdem wir abgestoßen waren; »vielleicht wird der Fisch Dich nicht so leicht loslassen.«

Hierüber lachten alle Leute im Boote und ich erwiderte: »da müßte ich ernstlicher verwundet sein, als das letzte Mal, um mich zum Gefangenen machen zu lassen.«

Wir liefen die Küste mitten unter dem Feuer der Kanonenboote, welche das Convoy deckten, an, bei welcher Gelegenheit wir drei Mann verloren; sodann rückten wir gegen die Batterie vor, welche wir ohne Widerstand nahmen, indem die französischen Artilleristen, sowie wir eindrangen, davon liefen. Die Befehle des Kapitäns waren ganz bestimmt gegeben: wir sollten keine Minute in der Batterie verweilen, nachdem sie genommen wäre, sondern die Kanonenboote entern, und nur eines von den kleineren Booten mit dem Rüstmeister zurück lassen, um die Kanonen zu vernageln, denn der Kapitän wußte wohl, daß längs der Küste Truppen aufgestellt waren, welche gegen uns marschieren und uns schlagen könnten. Der erste Leutnant, welcher kommandierte, befahl O'Brien, mit dem ersten Kutter da zu bleiben, und nachdem der Rüstmeister die Kanonen vernagelt, sollte er, als Offizier des Bootes, sogleich vom Lande abstoßen. O'Brien und ich blieben mit dem Rüstmeister in der Batterie; die Bootsmannschaft hatte Befehl, in das Boot zu steigen, es flott zu halten, und jeden Augenblick bereit zu sein abzustoßen. Wir hatten alle Kanonen bis auf eine vernagelt, als eine plötzliche Musketensalve auf uns abgefeuert wurde, welche den Rüstmeister tötete und mich oberhalb des Kniees im Bein verwundete. Ich fiel neben O'Brien nieder, welcher ausrief:

»Bei allen Mächten des Himmels, sie sind da und eine Kanone noch nicht vernagelt.«

Er sprang herunter, riß dem Rüstmeister den Hammer aus der Hand, nahm einen Nagel aus der Tasche, und in ein paar Minuten war die Kanone vernagelt. Eben hörte ich das Traben der anrückenden französischen Soldaten, als O'Brien den Hammer wegwarf, mich auf seine Schultern lüpfte und ausrief:

»Komm, Peter, mein Junge!«

Er eilte, so schnell er konnte, nach dem Boote, aber es war zu spät; er hatte den Weg dahin noch nicht halb zurückgelegt, als er von zwei französischen Soldaten am Kragen gefaßt, und in die Batterie zurückgeschleppt wurde. Die französischen Truppen rückten nun heran, und unterhielten ein starkes Feuer; unser Kutter entwischte und erreichte die übrigen Boote, welche die Kanonenboote und das Convoy mit geringem Widerstande genommen hatten. Unsere großen Boote führten Karronaden in ihren Bugen. Bald wurde das Feuer mit Kartätschen erwidert, welche die französischen Truppen in die Batterien zurücktrieben, wo sie blieben und unsere Leute hinter einer Brustwehr aufs Korn nahmen, bis die meisten ihrer Schiffe genommen waren; diejenigen, welche man nicht bemannen konnte, wurden verbrannt. Mittlerweile war O'Brien, mit mir auf seinem Rücken, in die Batterie gebracht worden; daselbst legte er mich sanft nieder, mit den Worten:

»Peter, mein Junge, so lange Du unter meinem Schutze standest, hätte ich Dich durch dick und dünn getragen, aber da Du nun unter der Aufsicht dieser französischen Bettler stehst, so sollen sie Dich auch fortschaffen. Ein jeder sein eigen Bündel, Peter, das ist nicht mehr als billig; wenn sie Dich des Wegtragens für wert halten, so sollen sie auch Dein Gewicht fühlen.«

»Und gesetzt, sie thun es nicht, O'Brien, willst Du mich hier lassen?«

»Dich hier lassen, Peter? Wenn es möglich ist, nicht, mein Junge, aber sie werden Dich nicht liegen lassen, sei ohne Sorgen, Gefangene sind so rar bei ihnen, daß sie des Kapitäns Affen nicht zurückließen, wenn er gefangen wäre.«

Sobald unsere Boote außer ihrer Schußweite waren, untersuchte der Offizier, welcher die französischen Truppen kommandierte, die Kanonen in der Batterie, in der Hoffnung, sie noch brauchbar zu finden, und wurde sehr verdrießlich, als er sie alle vernagelt sah.

»Er müßte schärfer sehen als eine Elster, bevor er ein offenes Zündloch findet, denke ich;« sagte O'Brien, als er den Offizier betrachtete.

Hier muß ich bemerken, daß O'Brien beim Vernageln der letzten Kanone große Geistesgegenwart zeigte, denn hätten die Franzosen auch nur eine Kanone gehabt, um auf unsere Boote zu feuern, während diese die Prisen bugsierten, so würden sie ihnen großen Schaden gethan haben, und die Unsrigen hätten viele Leute verloren; aber dadurch, und bei dem Versuche, mich zu retten, opferte er sich selbst und wurde gefangen. Als die Truppen zu feuern aufhörten, kam der kommandierende Offizier auf O'Brien zu, blickte ihn an und sagte: »Offizier?« worauf O'Brien mit seinem Kopfe nickte. Er wies dann auf mich – »Offizier?« O'Brien nickte wieder, worüber die französischen Truppen lachten, weil, wie mir O'Brien später sagte, ich nach ihrer Sprache nur sein Enfant war. Ich fühlte mich ganz steif und schwach und konnte nicht gehen. Der kommandierende Offizier ließ eine Abteilung in der Batterie zurück und schickte sich an, nach Cette zurückzugehen, woher sie kamen. O'Brien ging; ich wurde von sechs französischen Soldaten auf drei Musketen getragen, ein Transport, der zu keiner Zeit sehr angenehm, in meinem jetzigen Zustande aber außerordentlich schmerzlich war. Doch muß ich sagen, sie behandelten mich sehr freundlich und legten einen Mantel oder so etwas unter mein verwundetes Bein, denn ich litt die heftigsten Schmerzen und wurde mehrmals ohnmächtig. Zuletzt brachten sie mir Wasser zu trinken. Ach wie köstlich war es! Ich habe seitdem oft gedacht, wenn ich in Gesellschaft war, wo Feinschmecker ihre Lippen mit Klaret netzten, wenn sie nur einmal verwundet würden und ein Glas Wasser bekämen, dann würden sie fühlen, was für ein lieblicher Trank es ist. In ungefähr anderthalb Stunden, welche mir wenigstens fünf Tage schienen, langten wir in der Stadt Cette an. Ich wurde nach dem Hause des kommandierenden Offiziers gebracht, welcher mich, als ich aus der Batterie getragen wurde, oft angeblickt hatte, mit den Worten: pauvre enfant. Man legte mich auf ein Bett, wo ich abermals in Ohnmacht fiel. Als ich wieder zu mir kam, fand ich mein Bein von einem Chirurgen verbunden und mich ausgekleidet. O'Brien stand bei mir, und ich vermute, daß er geweint hatte, denn er hielt mich für tot. Als ich ihm ins Gesicht schaute, sagte er:

»Peter, Du Bestie, wie hast Du mich erschreckt! Gott straf' mich, wenn ich je wieder einen Jungen unter Aufsicht nehme. Warum hast Du Dich denn tot gestellt?«

»Ich fühle mich nun besser, O'Brien,« versetzte ich; »wie sehr bin ich Dir verpflichtet! Beim Versuche mich zu retten, bist Du gefangen worden.«

»Ich bin gefangen worden in Erfüllung meines Dienstes, auf jeden Fall. Hätte der Narr von Rüstmeister seinen Hammer nicht so fest gehalten, nachdem er tot war, und es ihm nichts mehr nützen konnte, so wäre ich noch gut davon gekommen und Du mit; allein dies hat alles nichts zu sagen, Peter. So weit ich sehen kann, besteht das Leben eines Menschen darin, daß man in Verlegenheiten kommt und sich wieder herauswindet; das erste ist uns mit Hilfe gelungen, und das zweite werden wir auch mit Gottes Hilfe ausführen; sei munter, mein Junge, und werde bald wieder gesund; denn obgleich ein Mann auf zwei Füßen davonlaufen kann, so habe ich doch nie von einem Knaben gehört, welcher hoffen konnte, auf einem Bein aus einem französischen Gefängnisse zu entwischen.«

Ich drückte die dargebotene Hand O'Briens und blickte um mich; der Chirurg stand auf der einen Seite des Bettes und der kommandierende Offizier auf der anderen, zu Häupten desselben aber befand sich ein kleines Mädchen von ungefähr zwölf Jahren, welches eine Tasse in der Hand hielt, aus der sie etwas in meinen Mund träufelte. Ich blickte sie an und sah in ihrem ausnehmend schönen Gesichte ein solches Mitleid ausgedrückt, daß sie mir wie ein Engel vorkam. Ich drehte mich, so gut ich konnte, um, um sie allein anzusehen. Sie bot mir die Tasse dar, welche ich von jedem anderen zurückgewiesen hätte, und ich trank ein wenig. Da trat eine andere Person in das Zimmer, und es fand eine Unterredung in französischer Sprache statt.

»Ich bin begierig, was sie mit uns anfangen werden,« sagte ich zu O'Brien.

»Pst, schweig still,« versetzte jener, lehnte sich über mich hin, und flüsterte mir ins Ohr: »ich verstehe alles, was sie sagen; erinnerst Du Dich nicht mehr, wie ich Dir erzählte, daß ich die Sprache lernte, nachdem ich in Südamerika getötet und im Sande begraben war?«

Nach einem kurzen Gespräche zog sich der Offizier mit den übrigen zurück, so daß niemand als das kleine Mädchen und O'Brien im Zimmer blieb.

»Es ist eine Botschaft von dem Gouverneur,« sagte O'Brien, sobald sie sich entfernten; »welcher wünscht, daß man die Gefangenen in das Gefängnis der Zitadelle schicke, um verhört zu werden. Der Offizier sagt (und er ist ein echter Gentleman, so weit ich urteilen kann), ›Du seiest nur ein Knabe und noch obendrein schwer verwundet, und es wäre schimpflich, Dich nicht im Frieden sterben zu lassen;‹ daraus schließe ich, daß wir uns bald trennen müssen.«

»Ich hoffe nicht, O'Brien; wenn Du ins Gefängnis gehst, so will ich auch mit, denn ich werde denjenigen, welcher mein bester Freund ist, nicht allein unter den Fremden lassen. Ich wäre nicht halb so glücklich, obschon ich vielleicht in meiner gegenwärtigen Lage mehr Bequemlichkeit habe.«

»Peter, mein Junge, es freut mich, zu sehen, daß Du das Herz auf dem rechten Flecke hast, wie ich immer glaubte, sonst hätte ich Dich nicht unter meinen Schutz genommen. Wir wollen mit einander ins Gefängnis gehen, mein Peter, und ich will mit meinem Beutel und einer langen Schnur durch die Gitter zur Kurzweil nach etwas Münze fischen, um Dir allerhand hübsche Sachen zu kaufen, und wenn Du gesund wirst, sollst Du es selbst thun, vielleicht hast Du mehr Glück, als Dein Namensvetter Peter, der vor Dir ein Fischer war. In einer Gefängniszelle ist zweimal mehr Raum, als in einer Seekadettenkajütte, mein Junge; und die Höfe, wo Du spazieren gehen darfst, sind zwölfmal so groß, als die Hinterdecke, auch brauchst Du nicht aus Respekt an Deinen Hut zu langen, wenn Du auf- und abgehst. Wenn ein Mann an Bord eines Kriegsschiffes eingezwängt ist, wo die Seekadetten gleich Heringen in einer Tonne aufgeschichtet liegen, fühlt er sich in einem Gefängnisse ganz frei, Peter; aber ich denke, wir werden nicht geschieden, denn ich hörte den Offizier (der ein echter Gentleman scheint und verdient, als Irländer geboren zu sein) zu den anderen sagen, er habe den Gouverneur meinetwegen gebeten, auf Ehrenwort bei Dir bleiben zu dürfen, bis Du wieder hergestellt bist.«

Das kleine Mädchen reichte mir Limonade, wovon ich ein wenig trank; dann fiel ich wieder in Ohnmacht. Ich legte meinen Kopf auf das Kissen, und als O'Brien aufhörte zu sprechen, fiel ich in einen erquickenden Schlaf. In einer Stunde wurde ich durch die Rückkehr des Offiziers aufgeweckt, welcher den Chirurgen begleitete. Der Offizier redete O'Brien französisch an: dieser schüttelte seinen Kopf wie zuvor.

»Warum antwortest Du nicht, O'Brien,« sagte ich, »da Du dies doch verstehst?«

»Peter, erinnere Dich, daß ich kein Wort in ihrer Sprache reden kann, denn ich will erfahren, was sie von uns sprechen; sie werden sich nicht in acht nehmen, was sie reden, in der Meinung, ich verstehe sie nicht.«

»Aber ist dies ehrlich, O'Brien?«

»Ob es ehrlich ist, meinst Du? wenn ich eine Fünfpfundnote in der Tasche hätte und wollte sie nicht jedermann, dem ich begegne, sehen lassen, wäre dies unehrlich?«

»Gewiß nicht.«

»Ist dies nun nicht, was die Rechtsgelehrten einen ›gleichen Fall‹ nennen?«

»Allerdings,« versetzte ich; »wenn Du es wünschest, so werde ich natürlich nichts sagen, aber ich glaube, ich sollte es thun, besonders da sie so freundlich gegen uns sind.«

Während dieser Unterhaltung sprach der Offizier gelegenheitlich mit dem Chirurgen, sah uns aber, wie es mich dünkte, zugleich scharf an. Sodann traten zwei andere Personen in das Zimmer; eine derselben redete O'Brien in sehr schlechtem Englisch an, sie sei der Dolmetsch und bitte ihn, einige Fragen zu beantworten. Sie fragte ihn nach dem Namen unseres Schiffes, der Zahl der Kanonen, und wie lange wir gekreuzt hätten; hierauf nach der Stärke der englischen Flotte. Es wurden noch eine Menge anderer Fragen gestellt, welche darauf Bezug hatten, und von der Person, die mit hereinkam, nebst den Antworten französisch in ein Buch niedergeschrieben wurden. Einige Fragen beantwortete O'Brien richtig, bei anderen schützte er Unwissenheit vor, und wieder andere bediente er geradezu mit falschen Angaben. Allein ich tadelte ihn deshalb nicht, da es seine Pflicht war, dem Feinde keinen Aufschluß zu geben. Endlich fragte man nach meinem Namen und Rang, welchen O'Brien ihnen sagte.

»Ob ich von Adel sei?«

»Ja,« erwiderte O'Brien.

»Sage dies nicht, O'Brien,« unterbrach ich ihn.

»Peter, Du verstehst nichts davon; Du bist der Enkel eines Lords.«

»Ich weiß dies, aber ich selbst bin noch nicht von Adel, obschon ich von ihm abstamme, deshalb bitte ich Dich, nicht so zu sagen.«

»Potz Wetter, Peter, ich habe es gesagt, und werde es nicht widerrufen; zudem, Peter, vergiß nicht, daß es eine französische Frage ist, und daß man Dich in Frankreich für adelig ansehen würde. Auf keinen Fall kann es schaden.«

»Ich fühle mich zu übel, um zu sprechen, O'Brien, aber ich wünschte, Du hättest es nicht gesagt.«

Sie fragten dann nach O'Briens Namen, welchen er ihnen nannte, nach seinem Range im Dienste, und ob er auch von Adel wäre.

»Ich bin ein O'Brien,« erwiderte er; »was soll das O vor meinem Namen bedeuten, wenn ich nicht von Adel bin? Doch, Herr Dolmetsch, Sie können beisetzen, daß wir unsere Titel abgelegt haben, weil's uns so bequem war.«

Der französische Offizier brach in ein helles Gelächter aus, was uns sehr überraschte. Der Dolmetsch war in großer Verlegenheit, zu erklären, was O'Brien sagte; allein wie mir O'Brien nachher sagte, die Antwort wurde als »zweifelhaft« niedergeschrieben.

Sie verließen alle das Zimmer, den Offizier ausgenommen, welcher uns sodann zu unserem Erstaunen in gutem Englisch anredete:

»Gentlemen, ich habe für Sie bei dem Gouverneur die Erlaubnis erhalten, in meinem Hause bleiben zu dürfen, bis Herr Simpel hergestellt ist. Herr O'Brien, Sie müssen mir Ihr Ehrenwort geben, daß Sie keinen Versuch zur Flucht machen wollen. Wollen Sie es geben?«

Ganz erstaunt rief O'Brien aus: Potz Element, Sie sprechen also Englisch, Oberst? Es war nicht sehr schön von Ihnen, es nicht zu sagen, zumal da wir unsere kleinen Geheimnisse einander mitteilten.«

»Gewiß Herr O'Brien,« versetzte der Oberst lächelnd, »war es ebenso unnötig, als für Sie, mir zu sagen, daß Sie Französisch verstehen.«

»Ei der Tausend,« rief O'Brien aus, »wie hübsch bin ich in meiner eigenen Falle gefangen! Sie sind gewiß ein Irländer?«

»Ich bin von irischer Abkunft, entgegnete der Offizier, »und mein Name ist, wie der Ihrige, O'Brien. Ich wurde in diesem Lande erzogen, da es mir nicht erlaubt war, meinem eigenen zu dienen und die Religion meiner Vorfahren beizubehalten. Ich kann nun als Franzose angesehen werden, da ich von meinem Heimatlande nichts beibehalten habe, als die Sprache, welche meine Mutter mich lehrte, und ein warmes Gefühl für die Engländer, wo ich sie immer antreffen mag. Doch zur Frage, Herr O'Brien, wollen Sie Ihr Wort geben?«

»Das Wort eines Irländers und die Hand dazu,« erwiderte O'Brien, indem er dem Oberst die Hand schüttelte, »und Sie dürfen doppelt darauf bauen, denn ich werde nie weggehen und den kleinen Peter hier lassen; und ihn auf meinem Rücken zu tragen, daran habe ich bereits genug.«

»Es ist hinreichend,« versetzte der Oberst; »Herr O'Brien, ich will es Ihnen so bequem als möglich machen, und wenn Sie müde sind, Ihren Freund abzuwarten, so wird mein Töchterlein Ihre Stelle einnehmen. Sie werden eine freundliche kleine Wärterin an ihr finden, Herr Simpel.«

Ich konnte bei der Güte des Obersten die Thränen nicht zurückhalten; er schüttelte mir die Hand, und indem er O'Brien sagte, das Essen sei bereit, rief er seine Tochter, das kleine Mädchen, welches mich vorher gewartet hatte, herauf und hieß sie im Zimmer bleiben.

»Celeste,« sagte er, »Du verstehst ein wenig Englisch; genug jedenfalls, um herauszufinden, was er verlangt. Geh und hole Deine Arbeit, Dich damit zu unterhalten, wenn er schläft.«

Celeste ging hinaus, kehrte mit ihrer Stickerei wieder zurück und setzte sich an das Kopfende des Bettes nieder, worauf der Oberst und O'Brien das Gemach verließen. Celeste begann nun ihre Stickerei, und da ihre Augen auf ihre Arbeit niedergerichtet waren, so konnte ich sie ansehen, ohne daß sie es bemerkte. Wie ich schon früher sagte, war sie ein wahrhaft schönes Kind; ihr Haar war hellbraun, die Augen sehr groß und die Augenbrauen wie mit einem Zirkel beschrieben; auch Nase und Mund konnten ganz hübsch genannt werden; doch lag es nicht sowohl in ihren Zügen, als vielmehr in dem Ausdruck derselben, daß sie so schön, so bescheiden, so lieblich und so geistvoll erschien. Wenn sie lächelte, was sie beinahe stets that, wenn sie sprach, glichen ihre Zähne zwei Reihen kleiner Perlen.

Ich hatte noch nicht lange nach ihr hingeschaut, als sie die Augen von ihrer Arbeit aufschlug, und wie sie bemerkte, daß ich sie ansah, sagte sie:

»Sie wünschen – etwas – wünschen zu trinken – ich spreche ganz wenig Englisch.«

»Nicht doch, ich danke Ihnen,« erwiderte ich; »ich möchte bloß einschlafen.«

»So – schließen Sie – Ihre Augen,« sagte sie lächelnd, ging an das Fenster und zog die Jalousieläden herab, um das Zimmer dunkel zu machen. Aber ich konnte nicht schlafen; die Erinnerung an das, was mir zugestoßen – im Verlaufe weniger Stunden verwundet und ein Gefangener – der Gedanke an die Angst meines Vaters und meiner Mutter – die Aussicht ins Gefängnis und in enge Haft zu kommen, sobald ich genesen wäre – alles dies ging mir nacheinander im Kopf herum und verhinderte mich, nebst den Schmerzen meiner Wunde, auch nur ein wenig in Schlaf zu kommen. Das junge Mädchen öffnete mehrmals die Gardine, um nachzusehen, ob ich schlafe oder irgend etwas wünsche, worauf sie sich wieder ganz leise zurückzog. Abends kam der Wundarzt wieder; er fühlte meinen Puls und verordnete kalte Umschläge auf mein Bein, das bedeutend geschwollen und höchst schmerzhaft geworden war; dem Oberst O'Brien sagte er, ich befinde mich, obgleich im heftigen Fieber liegend, so gut, als es nach Umständen erwartet werden könne. Doch, ich will mich dabei nicht aufhalten, was für heftige Schmerzen ich in vierzehn Tagen, nach welcher Zeit erst die Kugel ausgezogen wurde, litt, und wie sorgfältig ich von O'Brien, dem Oberst, und der kleinen Celeste während meines infolge von Schmerzen und Fieber so empfindlichen und reizbaren Zustandes gepflegt wurde. Ich fühlte mich ihnen zu Dank verpflichtet, besonders aber Celesten, die mich selten länger als für eine halbe Stunde verließ, und alles aufbot, mich während meiner allmählich fortschreitenden Genesung zu erheitern.

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