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Ein alter Freund in einem neuen Verhältnisse. – Ein Eichenherz auf schwedischem Föhrenholz. – Der Mann ist Mann über die ganze Welt, an einigen Orten sogar noch mehr. – Peter erhält Vorwürfe wegen langen Ausbleibens, bringt aber zur Verteidigung einen Titel vor, was angenommen wird.
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Als wir etwa vierzig Meilen aus dem Hafen waren, kam uns eine Fregatte zu Gesicht. Wir gaben das besondere Signal; sie hißte die schwedische Flagge auf und nahm mehrere Striche weniger in ihrem Lauf, um sich uns zu nähern.
Wir hatten uns ihr auf zwei Meilen genähert, als sie herauflief und ihre Bramsegel einzog, und sobald wir auf zwei Kabellängen bei ihr waren, legte sie bei. Wir thaten das Gleiche; unser Kapitän befahl mir, das Boot auszusetzen, mich an Bord derselben zu begeben, nach ihrem Namen sowie nach dem des befehlenden Offiziers zu fragen, und diesem jeden nur irgend wünschenswerten Beistand anzubieten. Dies war der übliche Gebrauch in unserem Dienste, und ich fuhr also ab. Sobald ich auf dem Hinterdeck der Fregatte ankam, fragte ich auf Französisch, ob nicht jemand diese Sprache rede. Der erste Leutnant trat vor und begrüßte mich; ich sagte ihm, daß ich beauftragt sei, nach dem Namen des Schiffes sowie dem des befehlenden Offiziers zu fragen, um ihn in unsere Logbücher einzutragen, desgleichen ihnen die Versicherung unserer freundschaftlichen Dienstbereitwilligkeit zu überbringen. Er antwortete: der Kapitän sei auf dem Verdeck, und drehte sich um, aber dieser war hinabgegangen. »Ich werde ihm Ihre Sendung melden – ich dachte nicht, daß er das Verdeck verlassen hätte«, sagte der erste Leutnant und ging nun fort. Ich begrüßte die Offiziere, die auf dem Verdeck standen und äußerst artige Leute zu sein schienen, und plauderte ein wenig mit ihnen, als der erste Leutnant mich bat, zum Kapitän in die Kajütte zu kommen. Ich ging hinab – die Thür stand offen – ich wurde vom ersten Leutnant gemeldet, der hierauf die Kajütte wieder verließ. Ich blickte den Kapitän an, der an einem Tische saß, er war ein schöner, kräftiger Mann mit mehreren Ordensbändern im Knopfloche und einem großen Schnurrbarte. Ich glaubte ihn schon früher gesehen zu haben, konnte mich jedoch nicht entsinnen wann; sein Gesicht war mir allerdings bekannt, aber da mir die Offiziere auf dem Verdeck gesagt hatten, ihr Kapitän sei ein Graf Schucksen – ein Mann, von dem ich gehört hatte – so dachte ich doch, daß ich mich irren müßte. Ich redete ihn deshalb auf Französisch an, und machte ihm ein langes Kompliment mit all den nötigen Etcetera's.
Er drehte sich gegen mich um, nahm von der Stirn seine Hand, welche dieselbe bisher bedeckt hatte, weg, und sah mir voll ins Gesicht; dann sagte er: »Herr Simpel, ich verstehe nur sehr wenig Französisch. Spinnen Sie Ihr Garn in einfachem Englisch.«
Ich war ganz verwundert und antwortete: »Ich dachte, Ihr Gesicht zu kennen – irre ich mich nicht? – nein, es muß so sein – Sie sind Herr Chucks!«
»Sie haben ganz recht, mein lieber Herr Simpel: es ist Ihr alter Freund Chucks, der Hochbootsmann, den Sie hier vor sich sehen. Ich kannte Sie sogleich, als Sie an der Seite heraufkamen, und da ich besorgte, daß auch Sie mich sofort erkennen würden, ging ich in die Kajütte, um eine Erklärung vor den Offizieren zu vermeiden, wegen welcher anscheinenden Roheit ich höflich um Ihre Verzeihung bitte.«
Wir drückten uns herzlich die Hände; dann bat er mich, Platz zu nehmen. »Wie kommt es aber?« bemerkte ich ihm, »auf dem Verdeck sagte man mir doch, die Fregatte werde von einem Grafen Schucksen befehligt.«
»Das ist mein gegenwärtiger Rang, mein lieber Peter«, antwortete er, »da Sie aber keine Zeit zu verlieren haben, so will ich Ihnen alles schnell auseinander setzen. Ich weiß, daß ich Ihrer Ehrenhaftigkeit vertrauen darf. Sie erinnern sich noch, daß Sie mich auf dem Kaperschiff, wie Sie und ich glaubten, sterbend mit des Kapitäns Jacke und Epauletten zurückließen. Nachdem die Boote herauskamen und Sie vom Schiffe fort waren, wurde dasselbe vom Feinde bestiegen und man fand mich. Ich atmete noch, und da sie aus meinen Kleidern auf meinen Rang schlossen, so legten sie mich in das Boot und brachten mich ans Ufer. Das Kaperschiff sank bald nachher. Ich hatte keine Hoffnung, davon zu kommen, aber in einigen Tagen trat ein Wechsel ein, und es ging besser. Sie fragten mich nach meinem Namen, und ich nannte ihnen denselben, den sie ohne weiteres in Schucksen verlängerten. Durch ein Wunder genas ich. und befinde mich jetzt so wohl als je in meinem Leben. Sie bildeten sich nicht wenig darauf ein, einen Kapitän der britischen Flotte gefangen genommen zu haben, wie sie fortwährend glaubten; denn über meinen eigentlichen Rang befragten sie mich nie. Nach einigen Wochen wurde ich auf einem leichten Fahrzeuge nach Dänemark geschickt, aber es traf sich, daß wir von einem Sturme befallen wurden, und an der schwedischen Küste nahe bei Karlskrona Schiffbruch litten. Die Dänen waren damals mit den Russen im Bunde und Feinde der Schweden; diese machte man also zu Gefangenen, während ich natürlich befreit und mit großer Auszeichnung behandelt wurde; aber da ich weder Französisch noch Schwedisch sprechen konnte, so kam ich nicht sehr gut fort. Übrigens erhielt ich eine schöne Gage und die Erlaubnis, nach England zu gehen, sobald es mir beliebe. Die Schweden waren um diese Zeit im Kriege mit den Russen und rüsteten gerade eine Flotte aus; aber Gott segne sie, sie verstanden nicht viel davon. Ich unterhielt mich damit, im Seemagazin herum zu laufen und ihren Arbeiten zuzusehen; aber sie hatten keine dreißig Mann in der Flotte, die das Geschäft verstanden, und keinen Einzigen, der ihnen zeigen konnte, wie es zu geschehen habe. Nun wissen Sie ja, Peter, ich konnte nie müßig sein, und so belehrte ich allmählich den einen oder den andern – denn viele von ihren Matrosen verstanden Englisch – bis sie das Ding ordentlich angriffen; die Kapitäne und Offiziere waren mir hierfür sehr dankbar. Zuletzt kamen sie alle zu mir; wenn sie mich nicht ganz verstanden, so zeigte ich ihnen mit meinen eigenen Händen, wie es gemacht werden müsse, und ihre Flotten-Takelung fing schon an, ein besseres Aussehen zu bekommen. Der Admiral, der den Oberbefehl führte, war mir sehr verbunden, und ich stellte mich so regelmäßig bei meiner Arbeit ein, als ob ich dafür bezahlt worden wäre. Endlich kam der Admiral mit einem englischen Dolmetsch zu mir und fragte mich, ob ich durchaus wieder nach England zurückzukehren wünsche, oder ob ich vielleicht in ihre Dienste treten wolle. Ich sah schon, was sie wünschten, und antwortete deshalb, ich hätte weder Frau noch Kinder in England und ihr Land gefiele mir sehr, aber ich müsse mir Zeit nehmen, die Sache zu überlegen, und namentlich auch wissen, welche Anerbietungen sie mir machen wollten. Ich ging in meine Wohnung zurück, und um sie noch mehr zu steigern, erschien ich drei oder vier Tage hindurch gar nicht im Seemagazin, als auf einmal ein Brief von dem Admiral ankam, der mir den Befehl auf einer Fregatte anbot, wenn ich in ihre Dienste treten wolle. Ich wußte wohl, wie sehr sie meiner bedurften, und antwortete geradezu, daß ich eine englische Fregatte der schwedischen vorziehen und deshalb nicht einwilligen würde, wofern sie nicht etwas weiteres böten – und auch dann nur unter der ausdrücklichen Bedingung, daß ich nie die Waffen gegen mein Vaterland führen dürfe. Nun warteten sie eine Woche, dann boten sie mir an, mich in den Grafenstand zu erheben und mir den Befehl einer Fregatte zu übertragen. Dies behagte mir, wie Sie sich wohl denken können, Peter; es was der Lieblingswunsch meines Herzens – ich sollte nun ein Gentleman werden. Ich willigte ein, wurde Graf Schucksen, und bekam eine schöne, große Fregatte unter meinen Befehl. Ich ging nun eifrig ans Werk, führte die Aufsicht über die Ausrüstung der ganzen Flotte, und zeigte ihnen, was ein Engländer thun kann. Wir segelten ab, und gewiß kennen Sie das Gefecht, welches wir mit den Russen bestanden, und das uns, wie ich wohl sagen darf, keine Unehre machte. Ich war so glücklich mich auszuzeichnen, denn ich tauschte mehrere volle Ladungen mit einem russischen Zweidecker und kam ehrenvoll weg. Bei meiner Rückkehr in den Hafen erhielt ich dieses Ordensband. Ich war später wieder auf der See und traf mit einer russischen Fregatte zusammen, die ich wegnahm; hierfür erhielt ich dies andere Band. Seit der Zeit habe ich mich stets hoher Gunst zu erfreuen, und nun ich die Landessprache rede, gefällt mir auch dieses Volk sehr. Wenn ich im Hafen bin, komme ich oft zu Hof; und, Peter, ich bin verheiratet.«
»Ich wünsche Ihnen Glück, Herr Graf, aus ganzem Herzen.«
»Ja wohl, verheiratet und dazu gut verheiratet – mit einer schwedischen Gräfin von sehr hoher Familie, und ich hoffe in diesem Augenblicke schon Vater eines Knaben oder Mädchens zu sein. Sie sehen also, Peter, ich bin endlich ein Gentleman, und, was noch mehr ist, meine Kinder werden von Geburt adlig sein. Wer hätte jemals geglaubt, daß die Verwechselung, infolge deren des Kapitäns Jacke statt der meinigen in das Boot gelegt wurde, solche Wirkungen haben würde? Und nun, mein lieber Herr Simpel, da ich Ihnen alles im Vertrauen mitgeteilt habe, brauche ich Sie wohl nicht erst um das strengste Stillschweigen gegen jedermann zu bitten. Man könnte mir allerdings nicht mehr viel zu Leide thun, aber einigen Nachteil dürfte es doch vielleicht für mich haben; und obgleich es nicht wahrscheinlich ist, daß mich jemand in dieser Uniform und meinem Schnurrbarte kennt, so ist es doch geratener, das Geheimnis zu bewahren, das ich nur Ihnen und O'Brien anvertrauen möchte.«
»Mein lieber Graf«, antwortete ich, »Ihr Geheimnis ist sicher bei mir und meine Freude ist groß. Sie sind jedenfalls vor mir zum Besitze Ihres Titels gekommen, und ich wünsche Ihnen aufrichtig Glück dazu, denn Sie haben ihn auf eine ehrenhafte Weise erlangt; aber obgleich ich Tage lang mich mit Ihnen unterhalten möchte, muß ich jetzt doch an Bord zurückkehren, denn ich segle gegenwärtig mit einem recht unangenehmen Kapitän.« Dann erzählte ich ihm mit wenigen Worten, wo sich O'Brien befand, und als wir uns trennten, führte mich Graf Schucksen Arm in Arm auf das Verdeck und stellte mich seinen Offizieren als einen alten Gefährten vor.
»Ich hoffe, daß wir uns wiedersehen«, sagte ich, »befürchte aber, daß wenig Aussicht zu einem solchen Zufalle vorhanden ist.«
»Wer weiß?« antwortete er. »Sehen Sie, was der Zufall für mich gethan hat, mein lieber Peter. Gott segne Sie, Sie sind einer von den äußerst wenigen, die ich je liebte. Gott segne Sie. mein Lieber, und vergessen Sie nie, daß alles, was ich habe. Ihnen zu Diensten steht, wenn Sie je wieder zu mir kommen.«
Ich dankte ihm, grüßte die Offiziere und ging an der Seite hinab. Als ich an Bord kam, fragte mich, wie ich erwartet hatte, Kapitän Hawkins in sehr zornigem Tone, warum ich so lange ausgeblieben sei. Ich antwortete ihm, ich sei in die Kajütte des Grafen Schucksen geführt worden, und der habe sich so lange mit mir unterhalten, daß ich nicht früher hätte fortgehen können, denn es wäre ja unhöflich gewesen, wenn ich gegangen wäre, ehe er seine Fragen beendigt hätte. Ich überbrachte ihm zugleich eine sehr höfliche Botschaft und er sagte nichts weiter: der Name eines großen Mannes brachte ihn in der That stets zum Stillschweigen.