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Ein diplomatischer Brief von Pater M'Grath. – Wenn Pfaffen mit Pfaffen zusammenkommen, geht's ohne Krieg nicht ab. – Pater O'Toole läßt nicht mit sich spaßen.
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Wir kreuzten noch ungefähr vierzehn Tage und segelten dann nach Jamaika, wo wir in Portroyal den Admiral vor Anker trafen; aber es wurde uns das Signal gegeben, unter Segel zu bleiben, und Kapitän Kearney erhielt, als er dem Admiral seine Ehrerbietung bezeugte, die Weisung, Depeschen nach Halifax zu überbringen. Wasser und Lebensmittel wurden uns durch die Boote des Admiralsschiffes zugeführt, und als der Abend einbrach, segelten wir zu unserem großen Mißvergnügen wieder in die See hinaus, anstatt, wie wir gehofft hatten, uns am Lande zu vergnügen; die Sache war aber die, daß Befehle aus England eingelaufen waren, dem Admiral in Halifax unverzüglich eine Fregatte zu seiner Verfügung zu stellen.
Es ward mir übrigens die Befriedigung zu teil, zu erfahren, daß Kapitän Kearney sein Wort, meinen Namen in der Depesche zu erwähnen, gehalten hatte, denn der Schreiber zeigte mir eine Abschrift derselben. Während unserer Fahrt fiel nichts Bemerkenswertes vor, außer daß Kapitän Kearney fast die ganze Zeit sehr unwohl war und selten seine Kajütte verließ. Es war im Oktober als wir im Hafen von Halifax landeten, wohin die Admiralität in Erwartung unserer Ankunft unsere Briefe gesandt hatte. Für mich waren keine da, aber O'Brien empfing einen von Pater M'Grath folgenden Inhalts:
» Mein lieber Sohn!
Und ein guter Sohn bist Du und das ist wahr, denn zum Teufel, Du müßtest nicht ein Stück von meinem Sohne sein. Du hast Deine Familie ganz zufrieden und friedlich gemacht, und sie streiten jetzt nicht mehr um einen Mundvoll – und 'nen guten Grund haben sie, denn sie sehen jetzt, daß genug für sie alle da ist und für die Schweinsgeschöpfe dazu. Dein Vater und Deine Mutter, Dein Bruder und Deine drei Schwestern schicken Dir den pflichtigen Gruß und ihren Segen dazu – und dem magst Du auch meinen Segen beifügen, Terenz, der mehr wert ist als ihrer aller; denn werde ich Dich nicht, eh' Du Dich auf dem Absatz herumdrehen kannst, aus dem Fegfeuer befreien? Sei nur ganz ruhig über diesen Punkt, und überlaß mir alles; sprich nur bisweilen ein Paternoster, damit Petrus, wenn er Dich hineinläßt, Dir nicht vorwerfen kann, Du habest Deine Seele durch Übereinkunft gerettet, welches der einzige Weg ist, auf welchem Kaiser und Könige ins Himmelreich kommen. Dein Brief aus Plymouth kam uns sicher zu Händen. Barney, der Postbursche, hat ihn unterwegs dicht vor unsere Thür hingeworfen, und da nahm ihn das große Schwein ins Maul und rannte davon; aber ich sah dies, und sprach zu dem Tiere, und es ließ ihn los, denn es wußte wohl (das pfiffige Vieh), daß ich ihn besser lesen könnte. Sobald ich dessen Inhalt verdaut hatte, und 'n Glück war's, daß es das Schwein nicht statt meiner that, nahm ich nur mein Essen ein; dann griff ich zu meinem großen Wanderstab und machte mich nach Ballycleuch auf den Weg.
Nun weißt Du, Terenz, wenn Du es nicht vergessen hast – und wenn das Letztere der Fall ist, so will ich's Dir ins Gedächtnis zurückrufen –, daß in dem Kartoffelbranntweinschank so eine Art fratzenhaftes Weibsbild ist, die sich Frau O'Rourke nennt und für das Weib eines Korporals O'Rourke ausgiebt, der eines Tages getötet wurde oder starb, ich weiß nicht welches von beiden; doch hat's ja nicht viel auf sich. Den Teufel glaube ich, daß je ein Priester ihre Ehe eingesegnet hat. obgleich sie darauf schwört, sie sei auf dem Felsen von Gibraltar getraut worden – das mag wohl ein starker Fels sein, so viel ich weiß, aber es ist nicht der Fels der Erlösung, wie die sieben Sakramente, von denen die Ehe eins ist – Benedicite!
Frau O'Rourke ist ein bißchen gar zu geneigt, die Priester zu verspotten und zu necken, und wenn es nicht der Fall wäre, daß sie ihre scharfen Bemerkungen mit einem Glas oder zwei Gläschen echten Whiskey versüßt hinunterspülte, was doch einige Ehrfurcht vor der Kirche beweist, so würde ich längst ihren Leib und ihre Seele und jeden Leib und jede Seele, die überhaupt mit ihr in Berührung kommen, exkommuniziert haben. Aber sie muß das unterlassen, wie ich ihr immer sage, wenn sie einmal alt und häßlich wird, denn alsdann könnte sie aller Whiskey in der Welt nicht retten; jetzt hingegen ist sie noch eine hübsche Frau, und es geht gegen mein Gewissen, dem Teufel zu einer hübschen Frau zu verhelfen. Die Frau O'Rourke also kennt jedermann und alles was in der ganzen Gegend vorgeht; und 'ne Zunge führt sie, die nie Sabbath gefeiert hat, seit sie gehört wurde.
›Wünsch' Euch guten Morgen, Frau O'Rourke‹, sagte ich.
›Und das Beste am Morgen für Euch, Pater M'Grath‹, antwortete sie schmachtend; ›was führt Euch her? Macht Ihr die Reise, um das echte Holz vom heiligen Kreuz zu kaufen, oder wollet Ihr die Beichte einer keuschen Dirne hören, oder kommt Ihr nur, um 'n Tropfen meines Whiskey zu Euch zu nehmen und ein bißchen mit Frau O'Rourke zu plaudern?‹
›Ich würde ganz gewiß sehr erfreut sein, das echte Holz vom heiligen Kreuze zu finden, O'Rourke, aber ich glaube, das ist nicht in Eurer Stadt Ballycleuch gewachsen; und ich habe nichts dagegen, die Beichte einer schönen Dirne zu hören, wie Ihr seid, Frau O'Rourke, die mir nur die Hälfte ihrer Sünden sagt und nicht viel Mühe macht; diesmal aber bin ich in der That nur deshalb da, um ein bißchen mit Euch zu plaudern und Euern Whiskey zu versuchen, gerade nur, um meinen Mund klar und rein zu halten.‹
Jetzt schenkte mir Frau O'Rourke vom echten Steifen ein, den ich auf ihr Wohl trank, worauf ich das Ding von 'nem Glas mit den Worten wieder hinstellte: ›Ihr habt ja Fremde in Eure Nachbarschaft bekommen, Frau O'Rourke, wie ich höre.‹
›Ich hab's auch gehört‹, erwiderte sie. Du siehst also, Terenz, durch eine ausgesprochene Vermutung kam ich gleich auf die ganze Sache.
›Man hat mir gesagt‹, fuhr ich fort, ›er sei ein Schottländer und rede eine Sprache, die niemand verstehen könne.‹
›Den Teufel auch‹, antwortete sie, ›er ist 'n Engländer und spricht verständlich genug.‹
›Aber was kann 'n Mann im Sinne haben, der ganz allein hierherkommt und sich da hinsetzt?‹ sagte ich.
›Ganz allein, Pater M'Grath?‹ sagte sie; ›ist 'n Mann allein, der seine Frau und Kinder mit sich bringt und noch mehr unter dem Segen Gottes erwartet?‹
›Aber die Jungens sind, glaub' ich, nicht seine eigenen Kinder‹, sag' ich.
›Da seid Ihr wieder ganz im Irrtum, Pater M'Grath‹, sagt sie. ›Die Kinder sind alle sein eigen und obendrein Mädchen. Es scheint, es wäre sehr gut, wenn Ihr bisweilen herabkämet, um Euch über das, was in unserer Stadt Ballycleuch vorgeht, zu unterrichten.‹
›Ganz richtig, Frau O'Rourke‹, sag' ich, ›und wo gäbe es jemand, der alles so gut weiß, wie Ihr.‹ Du siehst, Terenz, daß ich mit Absicht gerade umgekehrt – vice versa, wie man's heißt – den Inhalt Deines Briefes angab; denn merk' Dir's für immer, mein Sohn – wenn Du ein Geheimnis aus einer Frau heraushaspeln möchtest, so wirst Du mehr durch Widerspruch, als selbst durch Schmeichelei ausrichten: – und so fing ich deshalb wieder an:
›Übrigens, denk' ich, ist's doch eine Spottschande, Frau O'Rourke, für einen Gentleman, ein ganzes Corps fauler englischer Dienerschaft aus England mit herüber zu bringen, während es hier so viele hübsche Dirnen und Bursche giebt, die ihn hätten bedienen können?‹
›Nun, da seid Ihr auch wieder ganz falsch berichtet, Pater M'Grath,‹ sagt' sie; ›den Teufel auch, nicht eine Seele hat er aus dem fremden Lande mitgebracht, sondern alle hier angenommen. Ist nicht Ella Flanagan als Dienstmädchen und Terenz Driscol als Bedienter da? und sieht er nicht so gut aus in seiner neuen Livree, wenn er herunterkommt, die Zeitungen zu holen; und ist nicht Moggy Cala da, als Köchin, und die hübsche Mary Sullivan als Amme für das Kind, sobald es auf die Welt kommen wird?‹
›Meint Ihr die Mary Sullivan?‹ sag' ich, ›die vor ungefähr drei Monaten Hochzeit hatte, und so schnell im Kinderbekommen ist, daß sie jetzt schon niederkommen kann?‹
›Dies ist's gerade‹, sagt' Frau O'Rourke; ›und wißt Ihr auch warum?‹
›Den Teufel, auch‹, sag' ich, ›wie sollt' ich's wissen?‹
›Gerade deshalb, damit sie ihr eignes Kind fortschicken und ihre Milch dem englischen Kinde, das erwartet wird, geben soll; denn die Lady ist eine zu vornehme Dame, als daß sie ein Kind an ihrer Brust sollte hängen haben.‹
›Aber angenommen, Mary Sullivan's Kind wird erst später geboren, wie dann?‹ sag' ich. ›Sprecht, Frau O'Rourke, Ihr seid ja eine gescheite Frau.‹
›Wie dann‹, sagt' sie, ›o, das ist schon ausgemacht; denn Mary sagt, sie werde vor ihrer Herrin ins Wochenbett kommen, und so ist also alles in Ordnung, wie Ihr wohl sehet, Pater M'Grath.‹
›Aber seht Ihr denn nicht ein, so 'ne verständige Frau, wie Ihr seid, daß ein junges Weibsbild, welche so außer der Rechnung ist, daß es drei Monate nach der Hochzeit schon ein Kind bekommt, auch in der Wochenbettsberechnung einen kleinen Irrtum machen kann, Frau O'Rourke?‹
›Nicht zu befürchten, Pater M'Grath; Mary Sullivan wird ihr Wort halten, und ehe sie ihre Herrin in Verlegenheit jetzt und ihren Platz einbüßt, stürzt sie sich lieber absichtlich die Treppe herunter, und würde sie das nicht schnell zur Niederkunft bringen?‹
›Nun ja, das heiße ich eine gute und getreue Dienerin, die ihren Lohn verdient‹, sag' ich, ›und jetzt will ich nur noch ein Glas zu mir nehmen, Frau O'Rourke, und Euch zugleich danken. Unstreitig seid Ihr die Frau, die alles weiß, und eine ganz hübsche Frau noch obendrein.‹
›Laßt mich nun gehen, Pater M'Grath, und klemmt mich nicht wieder so.‹
›Ach! 's war nur 'n großer Floh, meine Liebe, den ich auf Euer Kleid hüpfen sah; den Teufel, sonst nichts.‹
›Danke vielmals, Vater, dafür, aber das nächste Mal, wenn Ihr meine Flöhe töten wollt, so wartet doch, bis sie in einer anständigen Stellung sind.‹
›Flöhe sind Flöhe, Frau O'Rourke, und wir müssen sie fangen, wenn wir können, und wie wir können, und weil wir können, also nichts für ungut. Übrigens jetzt gute Nacht, Frau O'Rourke – wann habt Ihr im Sinne, zu beichten?‹
›Ich denke, ich habe gegenwärtig zu viele Flöhe an mir, um Euch jetzt zu beichten, Pater M'Grath, und das ist wahr. Also jetzt gute Heimkehr!‹
So wirst Du einsehen, mein Sohn, daß ich, nachdem ich alle Kundschaft von Frau O'Rourke herausbekommen hatte, wieder nach Ballyhinch zurückging, bis ich so ein leises Geschwätz hörte, in dem alten Hause in Ballycleuch sei etwas im Werke. Da machte ich mich auf und ging gerade auf das Haus los, weil Priester bei Geburten, Heiraten und Todesfällen willkommen sein sollten – denn sie sind, wie Du wohl weißt, bei solchen Veranlassungen von großem Nutzen. Wer sollte mir nun da die Thür öffnen, als Pater O'Toole, der größte Spitzbube von einem Priester in ganz Irland. Hat er nicht ein Pferd gestohlen, und seinen Hals nur durch die Wohlthat des geistlichen Standes gerettet? Und hat er je einem jungen Frauenzimmer Absolution erteilt, ohne sie die gleiche Sünde wieder begehen zu machen?
›Was ist Euch hier gefällig, Pater M'Grath?‹ sagt' er, die Thür in der Hand haltend.
›Ich will nur fragen und hören, wie's Euch geht?‹
›Was das anbetrifft‹, sagt' er, ›so kann ich Euch nur melden, daß wir alle ganz wohl sind; aber schämt Ihr Euch nicht vor Euch selbst, Pater M'Grath, daß Ihr hierher kommt und Euch in meine Herde mischt, da Ihr doch wißt, daß ich der Beichtvater des ganzen Hauses bin?‹
›Das mag wohl sein‹, sag' ich, ›doch wünschte ich nur zu wissen, was die Dame zur Welt gebracht hat.‹
›'s ist ein Kind‹, sagte er.
›In der That!‹ sag' ich; ›tausend Dank für die Nachricht; und bitte, was ist's, das Mary Sullivan zur Welt gebracht hat?‹
›Das ist auch ein Kind‹, sagt' er, ›und nun, da Ihr alles wißt, wünsche ich Euch guten Abend, Pater M'Grath‹, und damit schlug mir das garstige Vieh die Thür vor der Nase zu.
›Wer hat ein Pferd gestohlen?‹ schrie ich; aber er hörte mich nicht – und das war schade.
Du siehst also, mein lieber Junge, daß ich allerdings etwas ausfindig gemacht habe, aber nicht so viel, als ich im Sinne hatte; übrigens will ich dem Pater O'Toole beweisen, daß er sich mit Pater M'Grath nicht messen kann. Aber was ich jetzt noch entdecke, muß für einen andern Brief aufgespart bleiben, in Anbetracht, daß es unmöglich ist, es Dir diesmal schon zu schreiben. – Die Kartoffeln stehen gut, aber 's wächst keinerlei Art von Kleidern auf den Bäumen von Alt-Irland; und eine Deiner sechswöchentlichen Anweisungen oder 'n bischen Prisengeld würde, wenn es den Weg hierher fände, nicht wenig zur Achtbarkeit des Familienansehens beitragen. Selbst mein Amtsrock ist zu durchlöchert für einen Pfarrpriester geworden; nicht daß ich mich viel darum bekümmere, 's ist nur, weil Vater O'Toole, die Bestie, einen neuen braunen anhat – nicht als ob ich glaubte, er sei auf eine so ehrliche Weise dazu gekommen, als ich zu dem meinigen – aber krieg' ihn, wie Du willst, ein neuer Rock sieht immer besser aus, als ein alter, das ist 'nmal gewiß. Für jetzt also nichts weiter von Deinem Dich liebenden Freunde und Beichtvater
Urtagh M'Grath.«
»Nun siehst Du, Peter«, sagte O'Brien, nachdem ich den Brief gelesen hatte, »daß Dein Onkel, wie ich längst vermutete, Böses im Schilde führte, als er nach Irland hinüberging. Ob die Kinder beide Knaben oder beide Mädchen sind, oder ob Deines Onkels Kind ein Knabe und das andere ein Mädchen ist, können wir natürlich jetzt nicht wissen. Wenn ein Tausch nötig war, so ist er auch geschehen, das ist gewiß; doch will ich noch einmal an den Pater M'Grath schreiben und ihn dringend bitten, die Wahrheit, so es nur irgend möglich, ausfindig zu machen. Hast Du einen Brief von Deinem Vater erhalten?«
»Nein, muß ich leider sagen. Ich wollte, ich hätte einen bekommen; mein Vater würde gewiß nicht unterlassen haben, über diesen Gegenstand zu schreiben.«
»Nun gut, denk nicht mehr dran; 's ist nutzlos, über die Sache nachzubrüten; wir müssen unser möglichstes thun, wenn wir nach England kommen, und indessen auf Pater M'Grath vertrauen. Ich will mich nun hinsetzen und ihm gleich schreiben, so lange mir der Kopf noch voll davon ist.«
O'Brien schrieb seinen Brief, und der Gegenstand wurde zwischen uns nicht mehr berührt.