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Wir werden der Schweine und des Pianos ledig. – Das letzte Boot am Ufer vor unserer Abfahrt. – Voreiligkeit des ersten Leutnants und die Folgen derselben für mich.
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Nachdem wir drei Tage hier zugebracht, hörten wir, Kapitän To sei im Begriffe, mit Kapitän Savage zu tauschen. Einer so guten Nachricht durfte man nicht wohl so leicht Glauben schenken; auch konnten wir uns keine Gewißheit über die Richtigkeit dieser Angabe verschaffen, da sich der Kapitän mit Madame To ans Ufer begeben hatte. Letztere war, seitdem sie sich nicht mehr unter den Händen unseres Doktors befand, ganz schnell wieder gesund geworden, so daß in der That nach einer Woche schon der Steward, als er vom Strande an Bord zurückkehrte, auf Befragen nach dem Befinden der Madame To antwortete: »O sie ist wieder ausgezeichnet wohl, Sir; seit sie vom Schiffe fort ist, hat sie schon ein ganzes Schwein gegessen.« Mit dem Wechsel der beiden Kapitäne hatte es seine Richtigkeit; Kapitän To, der sich fürchtete, nach Westindien zu gehen, hatte mit Kapitän Savage getauscht. Letzterem war es, nach dem Gebrauche in unserem Dienste, gestattet, seinen ersten Leutnant, seinen Bootsmann und die Matrosen seines eigenen Beischiffs mitzubringen. Er traf zwei Tage vor der Abfahrt auf unserer Fregatte ein, und nun herrschte nie gekannte Freude an Bord; nur der erste Leutnant, sowie überhaupt diejenigen Leute vom »Sanglier«, die dem Kapitän To folgen mußten, waren traurig. Dieser verließ uns an einem Vormittag mit seinem Weibe, ihrem Piano und seinen Schweinen.
Den Zahltag an Bord eines Kriegsschiffes habe ich schon beschrieben; doch sind nach meinem Dafürhalten die letzten paar Tage vor der Abfahrt noch unangenehmer, obgleich wir. im allgemeinen gesprochen, durchaus nicht traurig sind, wenn wir, nachdem all unser Geld verjubelt ist, glücklich zum Hafen hinauskommen und uns wieder einmal auf dem blauen Gewässer befinden. An diesen Tagen thun die Leute ihren Dienst gar nicht gut; sie denken an ihre Frauen und an ihre Liebchen, an das Vergnügen, das ihnen die Freiheit am Lande gewährte, wo sie sich betrinken konnten, ohne gestraft zu werden; und manche von ihnen sind um diese Zeit entweder halb betrunken, oder leiden noch an den Nachwehen früherer Gelage. Das Schiff ist in Unordnung und angefüllt mit Lebensmitteln, Gerätschaften und Materialien, die man jetzt schnell an Bord nehmen muß und nicht gleich am rechten Platze unterbringt. Der erste Leutnant ist ärgerlich, die Offiziere sind kurz angebunden, und die armen Seekadetten, die doch für all ihre eigenen kleinen Bequemlichkeiten zu sorgen haben, werden geschunden und herumgejagt wie Postgäule.
»Herr Simpel«, fragte der erste Leutnant, »woher kommen Sie?«
»Von der Geschützwerft, Sir, mit des Geschützmeisters überzähligen Blöcken und dessen Anhalt-Tauen.«
»Ganz gut – schicken Sie die Seesoldaten fort, das Boot zu räumen, und pfeifen Sie dem ersten Kutter ab. Herr Simpel, springen Sie in den ersten Kutter und fahren Sie nach Mount-Wise, die Offiziere zu holen. Sorgen Sie aber dafür, daß keiner der Leute das Boot verläßt. Tummeln Sie sich.«
Nun war ich den ganzen Morgen fortgewesen. Schon war es halb zwei Uhr und ich hatte noch nicht zu Mittag gegessen; aber ich begab mich, ohne ein Wort zu sagen, in das Boot. Sobald ich fort war, sagte O'Brien, der neben Herrn Falkon stand:
»Peter, der arme Schelm, dachte an sein Mittagessen.«
»Das hab' ich in der That ganz vergessen«, erwiderte der erste Leutnant; es giebt eben so viel zu thun. Er ist 'n williger Junge und soll in der Offizierskajütte speisen, wenn er zurückkommt.«
Dies geschah auch, und so verlor ich nichts dadurch, daß ich nicht widersprach, sondern erwarb mir noch in höherem Grade die Gunst des Leutnants, der nie vergaß, wenn er bei den Leuten das traf, was er Eifer nannte.
Die schwerste Aufgabe jedoch unter allen wird dem Seekadetten zu teil, der mit dem Boot ans Land geschickt wird, um den für Kajütte und Magazin bestimmten Proviant den Tag vor der Abfahrt des Schiffes herzuholen. Mein Unstern wollte, daß gerade ich zu diesem Dienste beordert wurde, und zwar ganz unerwartet. Ich war dazu kommandiert, mich anzukleiden und im Gig-Boot mich ans Ufer zu begeben, um die Befehle des Kapitäns einzuholen. Ich lief gerade in meiner besten Uniform mit Seitengewehr auf dem Verdeck umher, als der Marineoffizier, der Proviantmeister für die Konstabelkammer war, sich an den ersten Leutnant wandte und ihn um ein Boot anging. Ein solches wurde nun für ihn bemannt und ein Seekadett zu dessen Beaufsichtigung beordert; aber als dieser antrat, erinnerte sich der erste Leutnant, daß derselbe zwei Tage zuvor nur die Hälfte seiner Leute wieder zurückgebracht hatte. Er mochte ihm deshalb nicht wieder Vertrauen schenken, sondern rief mich mit den Worten zu sich:
»Nun, Herr Simpel, ich muß Sie mit diesem Boot abschicken; haben Sie ja stets darauf acht, daß keiner der Leute dasselbe verläßt, und bringen Sie auch den Marinesergeanten mit, der ans Land gegangen ist, um die Leute aufzusuchen, die über Urlaub aus sind.«
Konnte ich mich auch allerdings durch ein solches Zutrauen nur geschmeichelt fühlen, so mochte ich doch nicht gerne in meiner besten Uniform gehen, und wollte deshalb in meine Kajütte hinab, um mich umzukleiden; aber der Marineoffizier und die Leute alle waren schon im Boot, und da ich somit nicht wohl Verzug veranlassen konnte, so bestieg ich eben das Boot und wir fuhren ab. Wir hatten, außer der Mannschaft, den Marineoffizier, den Zahlmeister, und die drei Stewarde der Konstabelkammer, des Kapitäns und des Zahlmeisters bei uns, somit volle Ladung. Der Wind wehte stark von Südost und die See ging hoch; da übrigens die Strömung in den Hafen hineinging, so waren die Wellen nicht gerade sehr gegen uns. Wir hißten das Focksegel, flogen vor dem Wind und der Strömung her und waren in einer Viertelstunde in Mutton-Cove, wo der Marineoffizier zu landen wünschte. Der Landungsplatz war voll von Fahrzeugen, und unsere Leute mußten mit Schifferhaken die Küstenboote beiseite stoßen, um uns den Eingang in die Bucht zu erzwingen, wobei es natürlich nicht ohne einiges Geschimpfe und Fluchen abging. Hier verließen der Marineoffizier und die Stewarde das Boot, und ich hatte nun die Leute zu beaufsichtigen. Ich war kaum drei Minuten da, als einer der Matrosen sagte, seine Frau sei auf der Werft mit frischer Wäsche für ihn; er bitte daher um die Erlaubnis fortgehen zu dürfen, um sie zu holen. Dies schlug ich ab mit den Worten, seine Frau könne sie ja hierher bringen.
»Ei der Tausend, Herr Simpel«, rief diese, »sind Sie nicht 'n recht galantes Herrchen, daß Sie mir zumuten, mit meinen neuen Schuhen und frischgewaschenen Strümpfen mitten durch diese krepierten Hunde, durch diese Weißkohlstengel und stinkenden Rotaugenköpfe hindurch zu tappen?«
Ich sah nach ihr hin, und sie war in der That, wie man in Frankreich sagt, bien chaussée.
»Nun, Herr Simpel, lassen Sie ihn herauskommen, um seine Sachen zu holen, und Sie werden sehen – er ist gleich wieder zurück.«
Ich mochte es ihr nicht abschlagen, denn es war wirklich ganz schmutzig und naß am Ufer, und die Kiesküste mit all den Gegenständen überladen, von denen sie gesprochen hatte.
Der Matrose sprang nun mittelst seines Boothakens ans Ufer, warf diesen wieder zurück, ging zu seiner Frau hin und begann sich mit ihr zu unterhalten, wobei ich ihn übrigens immer bewachte.
»Wenn's Ihnen gefällig ist, Sir! dort kommt meine junge Frau herunter, dürfte ich sie nicht sprechen?« fing jetzt ein anderer an. Ich drehte mich um und schlug es ihm ab. Er machte Vorstellungen dagegen und drang lebhaft in mich, aber ich blieb fest entschlossen; als ich jedoch wieder nach dem ersten sehen wollte, war er mit seiner Frau fortgegangen.
»Da haben wir's«. sagte ich zu dem Beischiffführer; »ich dachte mir wohl, daß es so kommen werde; wie Sie sehen, ist Hickmann fort.«
»Nur gegangen, um 'n Abschiedsglas zu trinken, Sir«, antwortete der Beischiffführer, »er wird gleich wieder da sein.«
»Ich will's zwar hoffen, doch fürchte ich, daß er nicht so bald zurückkommt.«
Von nun an schlug ich alle Gesuche, ans Land gehen zu dürfen, ab, gestattete aber den Leuten, sich Bier ins Boot bringen zu lassen. Der Steward der Konstablerkammer kehrte jetzt auch zurück mit einem Korbe voll weichen Tommy's, d. h. Brotlaibe, und sagte mir, der Marineoffizier wünsche, ich möchte ihm zwei von den Leuten in Glencros Laden mitgeben, um etwas von dem Eingekauften nach dem Boote zu bringen. Demgemäß gab ich ihm also zwei Leute und sagte dem Steward, wenn er Hickmann sehe, so solle er ihn doch mitbringen.
Unterdessen hatten sich mehrere von den Frauen der Matrosen zusammengeschart und führten nun ein ziemlich lärmendes Gespräch mit den Schiffsleuten. Die eine brachte noch irgend etwas für Jim, eine andere ein paar Kleidungsstücke für Bill; einige kletterten ins Boot herein und setzten sich zu ihren Männer hin, und andere endlich holten auf den Wunsch ihrer Eheherrn, Bier und Tabak herbei. Das Gedränge, das Geschrei und die Verwirrung waren so groß, daß ich nur mit äußerster Mühe alle Leute im Auge behalten konnte, von denen überdies einer nach dem andern sich aus dem Boot fortzuschleichen versuchte. Gerade jetzt brachte der Marinesergeant drei unserer Leute himmelschreiend betrunken herab, die er am Lande ausgegriffen hatte. Sie wurden in das Boot hereingeworfen und vermehrten die Schwierigkeit meiner Aufgabe nicht wenig; denn während ich nach denen sah, die in der Trunkenheit revoltierten und das Boot mit Gewalt verlassen wollten, konnte ich die Nüchternen nicht mehr so gut im Auge behalten. Der Sergeant ging wieder fort, nach einem andern Mann zu sehen, und ich gab ihm die betreffende Weisung wegen Hickmann.
Nach einer halben Stunde etwa kehrte der Steward mit den zwei Leuten zurück, die Gemüse, Körbe voll Eier, ganze Schnüre Zwiebeln, Töpfergeschirr aller Art, große Düten mit Spezereiwaren, Hammelskeulen und Schulterstücke brachten; alles dies wurde hineingezwängt, bis das Fahrzeug vorne und hinten und auf allen Seiten vollgepfropft war. Sie sagten mir, sie hätten noch einiges zu bringen und der Marineoffizier sei nach Stonehouse gegangen, um seine Frau zu besuchen, so daß sie wohl vor ihm wieder zurück sein würden. In einer halben Stunde, während deren ich nur mit größter Mühe die Mannschaft des Bootes im Zaume halten konnte, kamen sie wieder mit einem Dutzend Gänsen und zwei Enten, deren Füße zusammengebunden waren, aber ohne die zwei Matrosen, die ihnen davongelaufen waren, so daß mir im ganzen drei Mann fehlten; ich konnte mir wohl denken, daß Herr Falkon hierüber sehr ärgerlich werden würde, denn es waren drei von den besten Matrosen des Schiffes.
Übrigens war ich fest entschlossen, mich nicht der Gefahr auszusetzen, noch mehr Leute zu verlieren, und ließ deshalb abstoßen, um an einer Stelle der Werft vor Anker zu gehen, wo die Leute nicht hinausklimmen konnten. Diese waren ganz aufrührerisch, murrten gewaltig zusammen und wollten mir nicht gehorchen, was daher kam, daß sie eine hübsche Portion getrunken hatten, und einige waren sogar mehr als halb berauscht. Gleichwohl erzwang ich mir Gehorsam, wobei ich aber eine Flut von Schimpfreden von den Weibern und eine Menge Flüche der Leute auf den Hals bekam, denen die Küstenboote und sonstigen kleinen Nachen gehörten, die durch die Flut an unsere Seite getrieben wurden. Das Wetter wurde immer schlimmer und sah sehr drohend aus. Nachdem ich noch eine Stunde gewartet hatte, traf der Marinesergeant wieder ein und brachte zwei weitere Leute mit, von denen der eine zu meiner großen Freude der vermißte Hickmann war.
Jetzt fühlte ich mich wieder leichter und beruhigter, denn für die beiden andern war ich nicht verantwortlich; aber das Revoltieren und unverschämte Benehmen der Bootsmannschaft, sowie der vom Marinesergeant hereingebrachten Matrosen machte mir viel zu schaffen. Einer von ihnen fiel in einen Korb voll Eier, die natürlich in tausend Stücke zerbrachen; auch wurde es schon spät und der Marineoffizier kam immer noch nicht. Die Zeit der Ebbe trat ein, und weil diese gegen den Wind hinströmte, so ging die See ziemlich hoch; und da sollte ich jetzt mit einem schwer beladenen Boote, dessen Mannschaft sich zum größeren Teile im Zustande der Betrunkenheit befand, nach dem Schiffe hinfahren. Der Beischiffführer, der noch allein nüchtern war, riet mir abzustoßen, weil es bald dunkel werden würde und uns leicht ein Unfall zustoßen könnte. Nachdem ich einen Augenblick nachgedacht, stimmte ich ihm bei, ließ die Ruder ansetzen und wir fuhren ab; der Marinesergeant und der Steward der Konstabelkammer hatten in den Bugen Sitz genommen – betrunkene Mannschaft, Gänse und Enten, alles lag auf dem Boden unter einander. Der hintere Teil des Schiffes war bis zum Schanddeck beladen, und die andern Passagiere und ich, wir setzten uns zwischen das Geschirr und die Menge anderer Sachen, womit das Boot angefüllt war, so gut es eben gehen wollte. Es war eine Scene der höchsten Unordnung; die halb betrunkenen Bootsleute ›krebsten‹ und fielen auf die andern vor, die ganz betrunkenen aber schwuren, daß sie rudern wollten.
»Leg' nur Dein Ruder hin, Sullivan; Du schadest mehr, als Du nützest. Betrunkener Schlingel, ich will Dich melden, sobald wir an Bord sind.«
»Wie der Teufel kann ich auch rudern, Ihr Ehren, wenn der Kerl, der Jones, mir mit dem Ruder den Rücken entzwei schlägt und das Wasser die ganze Zeit nicht berührt?«
»Du lügst«, schrie Jones, »ich rudere das Schiff allein gegen die Backbordseite.«
»Er führt 'n trocknes Ruder, Eu'r Ehren, 's wird kaum abgewaschen.«
»Nennst Du das ein trockenes Ruder?« schrie ein anderer, als eine Welle über das Boot hereinschlug und uns alle, vornen und hinten, bis auf die Haut durchnäßte.
»Nun, Ihr Ehren, jetzt sehen Sie 'nmal her, ob ich mir nicht die Arme ganz heraus rudere?«
»Haben wir Wasser genug, um an der Brücke vorbeizukommen, Swinburne?« fragte ich den Beischiffführer.
»Hinlänglich, Herr Simpel 's ist jetzt erst Viertelsebbe, und je früher wir an Bord kommen, desto besser.«
Wir waren jetzt an der Teufelsspitze und die See ging äußerst stürmisch; das Boot wurde in die Hohlwogen hinabgerissen, daß ich fürchtete, sein Hinterteil werde zerbersten. Es war schon halb voll Wasser, und die zwei hintern Ruder mußten eingezogen werden, um die Leute ausschöpfen zu lassen.
»Gefällt's Euer Ehren, würde ich nicht besser daran thun, wenn ich den Gänsen und Enten da die Stricke um ihre Beine wieder aufschnitte und sie zu ihrer Rettung fortschwimmen ließe?« schrie Sullivan, auf sein Ruder gestützt, »die armen Vögel werden sonst in ihrem eigenen ›Ilement‹ ersaufen.«
»Nein, nein – rudere nur tüchtig zu, so gut Du kannst.«
Jetzt fingen auch die betrunkenen, auf dem Boote herumliegenden Leute an, infolge der Menge Wassers, das sie bespülte. unruhig zu werden, und machten, immer hin- und herschwankend, einige Versuche, auf die Beine zu kommen. Sie fielen dabei wieder auf die Gänse und Enten hin, deren größerer Teil durch Ersticken vor dem Ersaufen geschützt wurde. An der Brücke ging das Meer sehr hoch, und obgleich uns die Ebbe darüber hinaustrieb, wären wir doch beinahe versunken. Das Brot schwamm auf dem Boden herum, die Zucker-, Pfeffer- und Salzpakete waren vom Meereswasser durchnäßt, und um die Zerstörung noch größer zu machen, warf ein plötzlicher Wellenstoß des Kapitäns Steward, der dicht am hintern Ruder auf dem Rande saß, gerade auf die Töpferwaren und Eierkörbe hinein. Noch ein paar Wellenladungen, die sich in das Fahrzeug entleerten, richteten vollends alles zu schanden, und der Steward der Konstabelkammer geriet in Verzweiflung.
»Das ist 'n Liebchen!« schrie Sullivan, »das höflichste Boot in der ganzen Flotte. Es macht mehr Verbeugungen und Komplimente als das artigste Brautpaar am Land. Vorwärts, ihr Bursche, schafft drauf los, daß euch die Arme feuern, und der erste Leutnant wird uns alle so nüchtern und so durchnäßt vom Geschäfte sehen, daß er glaubt, wir seien innen ganz trocken, und uns vielleicht noch 'neu Steifen einschenken läßt, wenn wir an Bord kommen.«
Nach einer Viertelstunde befanden wir uns der Fregatte beinahe zur Seite, aber die Leute ruderten so schlecht und die See ging so hoch, daß wir daran vorbei und nach dem Hinterteile kamen. Man warf uns eine Boje mit der Leine zu; wir hielten sie fest und wurden von den Seesoldaten und der Hinterwache herangezogen, wobei das Boot unter Wasser ging und wir tüchtig durchnäßt wurden. Endlich kamen wir unter das Heck und ich kletterte die Sternleiter hinauf. Herr Falkon war auf dem Verdeck und sehr ärgerlich, daß das Boot nicht richtig an die Seite kam.
»Ich dachte, Herr Simpel, daß Sie jetzt doch einmal wüßten, Ihr Boot ans Schiff zu bringen.«
»Ich weiß es, wie ich hoffe, Sir«, erwiderte ich, »aber das Boot war so voll von Wasser und die Leute wollten ihre Sache nicht recht machen.«
»Wie viel Mann hat der Sergeant an Bord gebracht?«
»Drei, Sir«, antwortete ich, vor Kälte zitternd und nicht sehr vergnügt darüber, daß meine beste Uniform verdorben war.
»Ist die ganze Mannschaft des Bootes wieder mit Ihnen zurück?«
»Nein, Sir, zwei sind noch am Ufer; sie –«
»Kein Wort mehr, Sir. Auf die Mastspitze hinauf, und da bleiben Sie, bis ich Sie herunterrufe. Wenn es nicht schon so spät wäre, so würde ich Sie wieder ans Land schicken und nicht wieder an Bord nehmen, außer Sie brächten die Leute. Hinauf jetzt, Sir, unverzüglich.«
Ich durfte nicht wagen, mich in eine Erörterung einzulassen, sondern stieg hinauf. Es war sehr kalt, der Wind ging stark von Südost in heftigen Stößen; ich war so naß, daß der Wind gerade durch mich durch zu blasen schien, und es war nun auch finster geworden. Ich kam hinauf zu den Kreuzhölzern der Mastkörbe, und als ich mich da niederließ, fühlte ich in meinem Innern, daß ich meine Pflicht gethan hatte und unbillig behandelt wurde.
Unterdessen hatte man auch das Boot heraufgezogen, um es auszuleeren, und ich muß sagen, eine saubere Ausleerung gab das ab. Die Enten und Gänse waren alle tot, die Eier und das Töpfergeschirr ganz zerbrochen, auch die Spezereiwaren zum größeren Teile vom Wasser fortgeschwemmt, so daß O'Brien bemerkte, »das sei ein schönes allgemeines Durcheinander.« Herr Falkon war noch fortwährend sehr ärgerlich.
»Was für Leute fehlen?« fragte er den Beischiffführer Swinburne, als dieser an Bord kam.
»Williams und Sweetmann, Sir.«
»Zwei der besten Topmatrosen, wie man mir sagt. Es ist doch in der That gar zu ärgerlich. Auch nicht einen Seekadetten habe ich an Bord, auf den ich mich verlassen könnte. Ich muß mich fortwährend abmühen und abplacken und bekomme nirgends her Hilfe. Der Dienst geht jetzt fürwahr ganz zum Teufel, seit man junge Leute an Bord schickt, um zu Offizieren herangebildet zu werden, die doch zu hochmütig sind, ihre Schuldigkeit zu thun. Weshalb hielten Sie sich denn so lange an der Küste auf, Swinburne?«
»Wir warteten auf den Marineoffizier, der nach Stonehouse gegangen war, um seine Frau zu besuchen; Herr Simpel wollte aber nicht noch länger warten, da es schon dunkel ward und wir so viel betrunkene Leute im Boot hatten.«
»Herr Simpel hatte recht. Ich wünschte, Herr Harrison bliebe mit seiner Familie am Ufer; 's ist doch gar kein Ernst mit dem Dienst. Aber, bitte, Herr Swinburne, hatten Sie denn keine Augen im Kopfe, wenn Herr Simpel so nachlässig war? Wie kamen Sie dazu, diese Leute zum Boot hinausgehen zu lassen?«
»Sie waren vom Marineoffizier requiriert, um ihre Vorräte ins Boot zu bringen, Sir, und da gingen sie dem Steward durch. Es ist somit weder Herrn Simpels noch meine Schuld. Zwei Stunden, ehe wir fortfuhren, lagen wir auf der Werft, denn sonst hätten wir noch mehr Leute verloren; und was kann so ein armer junger Mensch machen, wenn er betrunkene Leute zu beaufsichtigen hat, die nicht gehorchen wollen?« dabei sah er nach der Mastspitze herauf, als wollte er sagen: »weshalb wurde der da hinaufgeschickt?« und fuhr dann weiter fort: »Schwören darauf will ich, Sir, daß Herr Simpel keinen Fuß aus dem Boot setzte, von dem Augenblicke der Abfahrt an bis zum Momente der Rückkehr an Bord, und daß kein junger Gentleman den Dienst hätte pünktlicher versehen können.«
Herr Falkon sah zuerst ganz verdrießlich aus, als der Beischiffführer so frei sprach, doch erwiderte er nichts. Er ging einige Male auf dem Verdeck hin und her und rief mir dann durch das Sprachrohr zu, ich solle herunterkommen. Aber ich konnte nicht; meine Glieder waren durch den Wind, der mir durch die nassen Kleider blies, so krampfhaft geworden, daß ich mich nicht rühren konnte. Er rief noch einmal; ich hörte es wohl, war aber nicht im stande zu antworten. Jetzt kam einer der Topmatrosen herauf, und als er meinen Zustand sah, rief er auf das Verdeck hinunter, er glaube, ich liege in den letzten Zügen, und er dürfe nicht wagen, von mir wegzugehen, aus Furcht, ich möchte herabfallen. Auf dieses hin kletterte O'Brien, der die ganze Zeit auf dem Verdeck gewesen war, die Takelung herauf und war rasch bei mir. Den Topgasten schickte er in das Mars hinab, um einen Schwanzblock und Leesegelfallen zu bringen; daraus machte er eine Schleife und ließ mich auf das Verdeck hinab. Ich wurde schnell in eine Hängematte gebracht, worauf der Arzt verordnete, mir etwas Branntwein mit warmem Wasser zu geben und mich recht gut zuzudecken; nach einigen Stunden schon war ich wieder wohl.
O'Brien, der an meinem Bette saß, sagte: »Denk nicht mehr daran, Peter, und sei nicht böse auf Herrn Falkon, denn es thut ihm sehr leid.«
»Ich bin ihm nicht böse, O'Brien; Herr Falkon ist immer zu gütig gegen mich gewesen, als daß ich es nicht vergessen sollte, wenn er einmal vorschnell war.«
Der Arzt kam wieder zu mir her, gab mir noch etwas Erwärmendes zu trinken und hieß mich jetzt schlafen; am anderen Morgen erwachte ich ganz munter.
Als ich in die Seekadettenkajütte trat, fragten mich meine Kameraden, wie ich mich befinde, und einige tadelten die Tyrannei des Herrn Falkon; ich ergriff jedoch dessen Partei und sagte, wenn er auch vielleicht im gegenwärtigen Falle etwas voreilig gehandelt habe, so sei er doch im allgemeinen ein im Dienste ausgezeichneter und gerechter Offizier. Einige stimmten mir bei, andere jedoch bestritten dies. Einer der letzteren, der immer übel angeschrieben war, verhöhnte mich und sagte: »Peter liest die Bibel und hat daraus gelernt, daß, wenn man ihn auf die eine Backe schlägt, er die andere darbieten muß. Ich stehe dafür, wenn ich ihn jetzt am rechten Ohr zupfe, so wird er mir sein linkes hinhalten.« Mit diesen Worten faßte er mich am Ohr, ich aber schlug ihn für seine Bemühung zu Boden. Jetzt wurde Platz gemacht für uns zum Boxen, und in einer Viertelstunde gab sich mein Gegner für überwunden; aber auch ich bekam meinen Teil Püffe und trug namentlich ein ganz geschwollenes Auge davon. Ich hatte kaum Zeit, mich zu waschen und mein Hemd zu wechseln, das ganz blutig geworden war, als ich auf das Hinterdeck beschieden wurde. Dort traf ich Herrn Falkon, der auf- und abging. Er sah mich ziemlich scharf an, richtete aber keinerlei Frage an mich über die Ursache meines ungewöhnlichen Aussehens.
»Herr Simpel«, sagte er, »ich habe Sie rufen lassen, um Sie um Verzeihung zu bitten wegen meines Benehmens von gestern Abend, das nicht nur sehr übereilt, sondern auch sehr ungerecht war.«
Es that mir für ihn selbst weh, als ich ihn so artig sprechen hörte, und um es ihm leichter zu machen, erwiderte ich, »obgleich mich allerdings wegen des Verlustes jener zwei Leute kein Vorwurf treffe, so habe ich doch dadurch gefehlt, daß ich dem Hickmann erlaubt habe, das Boot zu verlassen; denn wenn diesen der Sergeant nicht aufgegriffen hätte, so wäre ich eben ohne ihn zurückgekommen, und somit habe ich also wirklich die erlittene Strafe verdient.«
»Herr Simpel«, entgegnete mir Herr Falkon, »ich achte Sie und bewundere Ihr Zartgefühl; aber ich war einmal zu tadeln und es ist also meine Pflicht gewesen, mich zu entschuldigen. Gehen Sie jetzt wieder hinab. Ich würde Sie gebeten haben, mir das Vergnügen Ihrer Gesellschaft über Tisch zu schenken, aber ich sehe, daß sonst etwas vorgekommen ist, das ich unter anderen Umständen untersuchen würde, für jetzt aber unbeachtet lasse.«
Ich lüftete meinen Hut und ging wieder hinunter. Unterdessen hatte O'Brien die näheren Umstände und die Veranlassung meines kleinen Zweikampfes erfahren, und verfehlte nicht, solche Herrn Falkon mitzuteilen, der nun, wie mir O'Brien sagte, auch nicht im allermindesten wegen des Geschehenen mit mir unzufrieden war. Er behandelte mich auch von jetzt an in der That mit der größten Güte und Freundlichkeit, und übertrug mir jeden Dienst, den er für bedeutend erachtete. Er war ein wirklicher Freund; denn obwohl er mir stets Achtung und Vertrauen erwies, so gestattete er mir nicht, meinen Dienst zu vernachlässigen.
Der erwähnte Marineoffizier traf nun endlich auch wieder an Bord ein; er war sehr ärgerlich, daß man ihn am Ufer zurückgelassen hatte, und sprach schon davon, mich vor ein Kriegsgericht zu stellen, indem ich ihm die schuldige Achtung nicht erzeigt und meiner Beaufsichtigung anvertraute Gegenstände vernachlässigt hätte; aber O'Brien hieß mich ja nicht auf seine Worte achten, und bemerkte noch:
»Ich bin der Ansicht, Peter, daß dieser Gentleman während der Zeit seines Urlaubes ein nicht geringes Quantum Poppelmus verzehrt hat.«
»Was ist das, O'Brien?« fragte ich, »dieses Wort habe ich noch nie gehört.«
»Das, Peter«, antwortete er, »ist der Brei, womit man Gimpel füttert.«