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Folgen des Gefechtes. – Ein Schiff ohne einen tapfern Kapitän ist wie eine Sache ohne Kopf. – So denken die Seeleute. – Eine Meuterei und der Verlust unserer tüchtigsten Mannschaft.
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Während unseres Aufenthaltes zu Jarmouth erhielten wir keine Erlaubnis, den Fuß ans Land zu setzen, unter dem Vorwände, daß wir unsere Beschädigungen sofort ausbessern und schleunigst auf unsere Station abgehen müßten; der Hauptgrund jedoch war der, daß Kapitän Hawkins außerordentlich bemüht war, zu verhindern, daß wir über die Schlacht sprechen konnten. Da er sah, daß keine Klagen gegen ihn vorgebracht wurden, begann er seine systematischen Plackereien aufs neue. Von den Fenstern seiner Wohnung aus konnte man auf die Stelle sehen, wo die Brigg vor Anker lag; da bewachte er nun mit seinem Fernglase beständig alle unsere Bewegungen, und notierte sorgfältig, wenn ich nicht genau zu der in seinem Befehlbuche vorgeschriebenen Stunde die Boote aufziehen ließ, oder wenn sonst irgend eine andere Kleinigkeit vorfiel, um so, wenn es irgend möglich, ein recht langes Verzeichnis von Klagen gegen mich zusammen zu bringen. Dies erfuhren wir aber alles erst später.
Ich habe früher schon erwähnt, daß Swinburne, als er in Plymouth zu uns traf, uns anriet, ein Kopfbild an der Brigg anzubringen. Dies war auch auf O'Briens Kosten geschehen – aber nicht in der von Swinburne vorgeschlagenen wohlfeilen Weise, sondern auf eine ganz hübsche Art. Es bestand aus einer großen Schlange, die sich in Ringeln aufgerollt hatte, und den Kopf in einer drohenden Stellung hinausstreckte; der Schwanz mit der Klapper befand sich hinten. Das ganze war vergoldet und machte einen recht guten Eindruck; aber nachdem die Leute im Seemagazin die Ausbesserungen vollendet hatten, und die Brigg neu bemalt war, verschwand in einer Nacht der Kopf der Klapperschlange. Er mußte von einigen bösartigen und schlechtgesinnten Leuten abgesägt worden sein; es ließen sich jedoch durchaus keine Spuren auffinden.
Ich hatte die Verpflichtung, dies dem Kapitän zu melden, der hierüber sehr entrüstet war, und zwanzig Pfund für die Entdeckung des Bösewichts bot; aber wenn er auch zwanzigtausend Pfund ausgesetzt hätte, so würde er den Thäter doch nie herausgebracht haben. Er vergaß es übrigens nicht, denn er verstand wohl, was damit gemeint war. Ein neuer Kopf wurde geschnitzelt, doch auch dieser verschwand in der ersten Nacht.
Des Kapitäns Wut kannte nun keine Grenzen; er ließ die Leute aufs Verdeck rufen und erklärte, wenn der Thäter nicht angegeben würde, so wolle er Mann für Mann auspeitschen lassen. Er gab zehn Minuten Bedenkzeit, und traf dann Vorbereitungen zum Vollzüge seiner Drohung. »Herr Paul, lassen Sie die Leute herauf kommen zur Exekution«, rief er ganz wütend, und ging in seine Kajütte hinab, um die Kriegsartikel herauf zu holen. Während er unten war, besprachen sich die Offiziere über den Gegenstand. Wegen des Verbrechens eines Einzelnen die ganze Mannschaft auspeitschen zu lassen, war die höchste Ungerechtigkeit, aber es stand uns nicht zu, ihm zu widersprechen; die Schiffsmannschaft mußte übrigens aus dem Ausdrucke unserer Gesichter ersehen haben, daß wir ihre Gefühle teilten. Die Zimmerleute hatten die Strafgerüste nur langsam nach hinten gebracht und ließen sie da liegen; die Bootsmannsgehilfen, die gleichfalls nach hinten gekommen waren, rollten die Schnüre ihrer Peitschen um die roten Stiele, und alle Mannschaft ging wieder hinab. Niemand blieb auf dem Hinterdeck, als die Marinesoldaten unter Gewehr und die Offiziere.
Als ich dies sah, befahl ich Herrn Paul, dem Bootsmann, die Quartiermeister mit ihren Bindestricken, sowie die Leute zum Ausrichten der Strafgerüste heraufzuschicken. Er kam wieder und sagte, er habe ihnen gerufen, aber keine Antwort erhalten. Da ich nun deutlich gewahrte, daß die Schiffsmannschaft in offene Meuterei ausbrechen würde, wenn der Kapitän auf seinem Vorsatze beharrte, ging ich in seine Kajütte hinab, berichtete ihm über den Stand der Dinge und bat ihn um seine Befehle, oder aber um seine persönliche Anwesenheit auf dem Verdecke.
Der Kapitän, den der Zorn zum Nachdenken ganz unfähig gemacht zu haben schien, begab sich augenblicklich aufs Verdeck und befahl den Seesoldaten, scharf zu laden. Dies geschah; doch hatten diese, wie mir Thompson, der hinter ihnen stand, späterhin erzählte, nur mit Pulver geladen und die Kugeln in ihre Taschen gesteckt. Sie wünschten den guten Ruf der Treue, den ihr Korps besaß, zu bewahren, zugleich wollten sie aber auch nicht auf die Leute feuern, die sie wie Brüder liebten und mit deren Ansichten sie übereinstimmten. Auch war es in der That, wie wir später entdeckten, ein Marinesoldat gewesen, der den Kopf der Klapperschlange zum zweiten Male weggenommen hatte.
Dann befahl der Kapitän dem Hochbootsmann, die Leute heraufzuschicken. Dieser erschien, mit seinem rechten Arm in der Schlinge.
»Was haben Sie an Ihrem Arm, Herr Paul?« sagte ich, als er an mir vorüberging.
»Eben jetzt die Luke hinuntergefallen – kann meinen Arm nicht rühren; ich muß zum Wundarzt gehen, sobald diese Geschichte da vorüber ist.«
Wiederum wurden die Leute herauf gepfiffen, aber nicht einer gehorchte. Die Brigg befand sich somit im Zustande der Meuterei.
»Herr Simpel, gehen Sie mit den Marinesoldaten zu der Hauptluke vor, und lassen Sie auf das Unterdeck Feuer geben«, schrie der Kapitän.
»Sir«, sagte ich, »es liegen zwei Fregatten auf Kabellänge neben uns; würde es da nicht besser sein, Hilfe von dort her zu suchen, als Blut zu vergießen? Überdies, Sir, haben Sie noch nicht versucht, welchen Erfolg das Aufrufen der Zimmerleute und Bootsmannsgehilfen bei ihren Namen haben würde. Wollen Sie mir erlauben, zuerst hinabzugehen und die Leute zu ihrem Pflichtgefühle zurückzubringen?«
»Ja, Sir, ich denke, Sie kennen Ihre Macht über dieselben; doch hiervon später.«
Ich ging hinab und rief die Leute bei Namen auf.
»Sir«, entgegnete mir einer der Bootsmannsgehilfen, »die Schiffsmannschaft sagt, sie wolle sich nicht auspeitschen lassen.«
»Ich spreche nicht zur Schiffsmannschaft im allgemeinen«, antwortete ich, »sondern erteile hiermit Euch, Collins, den Befehl, aufs Verdeck zu kommen und die Gerüste aufzustellen. Das ist ein Befehl, dem Ihr den Gehorsam nicht versagen dürft. Also augenblicklich hinauf. Und Ihr, Quartiermeister, geht auch hinauf mit Euren Bindestricken. Wenn alles fertig ist, so könnt Ihr Gegenvorstellungen machen.«
Sie befolgten meine Befehle, stiegen aufs Verdeck, errichteten die Gerüste und stellten sich auf die Seite hin.
»Alles ist bereit, Sir«, sagte ich, meinen Hut gegen den Kapitän lüpfend.
»Schicken Sie die Mannschaft nach hinten, Herr Paul.«
»Also alle nach hinten zum Abstrafen«, schrie der Hochbootsmann.
»Ja, das ist, um uns alle abzustrafen«, schrie eine Stimme. »Wir sollen einander auspeitschen und hinterdrein es den Marinesoldaten geben.«
Diesmal gehorchten die Leute dem Befehle und erschienen sämtlich auf dem Hinterdeck.
»Die Leute sind alle hinten, Sir«, berichtete der Hochbootsmann.
»Und nun, ihr Burschen«, sagte der Kapitän, »will ich euch lehren, was Meuterei ist. Ihr seht diese zwei Fregatten an unserer Seite. Ihr habt sie vergessen, glaube ich, aber ich nicht. Daher, Du Schurke Jones (dies war der Bruder Spaßmacher), ziehe Dich aus, Kerl. Wenn je Unheil auf einem Schiffe ist, so bist Du das Haupt davon.«
»Haupt, Sir?« antwortete dieser, eine einfältige Miene annehmend; »was für 'n Haupt, Sir? Meinen Sie das Schlangenhaupt? ich weiß durchaus nichts davon, Sir.«
»Zieh Dich aus, Kerl!« schrie der Kapitän wütend, »ich will Dich bald zur Besinnung bringen.«
»Wenn's Ihnen gefällig ist, Ihre Ehren, was hab' ich denn gethan, daß ich gebunden werden soll?« fragte der Mensch.
»Ausgezogen, Du Schurke!«
»Gut, Sir, wenn's Ihnen beliebt, aber 's ist eben so hart, für nichts und wieder nichts ausgepeitscht zu werden.« Damit zog er seine Kleider aus und lief dem Strafgerüste zu, wo ihn die Quartiermeister festbanden.
»Festgebunden, Sir«, meldete der Schurke von Marinesergeant, der als des Kapitäns Spion fungierte.
Der Kapitän sah nun in den Kriegsartikeln nach, um den hierauf bezüglichen zu verlesen, wie das immer der Bestrafung eines Mannes vorausgehen muß, und war ein wenig verlegen, einen passenden herauszufinden, da kein positives Verbrechen stattgefunden hatte. Endlich wählte er denjenigen, der von Komplott, Verschwörung und Aufreizung zur Unzufriedenheit handelt. Wir zogen alle unsere Hüte ab, während er ihn verlas; dann rief er Herrn Paul, den Hochbootsmann, und befahl ihm, dem Mann ein Dutzend aufzuzählen.
»Gefällt's Ihnen, Sir«, sagte dieser, auf seinen Arm in der Schlinge deutend, »ich kann nicht peitschen – ich kann meinen Arm nicht aufheben.«
»Ihr Arm war noch ganz gesund, als ich an Bord kam, Sir«, schrie der Kapitän.
»Allerdings, Sir; aber als ich die Leute schnell herauf treiben wollte, glitschte ich auf der Leiter aus und befürchte, meine Schulter auseinander gefallen zu haben.«
Der Kapitän biß sich in die Lippen; er hielt sich völlig überzeugt, daß der Hochbootsmann (wie es auch in der That der Fall war) dies nur vorgab, um die Leute nicht peitschen zu dürfen. »Gut also, wo ist Collins, der erste Hochbootsmannsgehilfe?«
»Hier, Sir«, sagte Collins, hervortretend; er war ein starker, kräftiger Mann, ungefähr sechs Fuß hoch, mit einem beinahe vier Fuß langen Zopfe; seine Brust war, wie man durch das geöffnete Hemd sah, mit schwarzem zottigen Haare ganz überdeckt.
»Gebt diesem Mann ein Dutzend Hiebe«, sagte der Kapitän.
Collins blickte zuerst den Kapitän, dann die Schiffsmannschaft und endlich den festgebundenen Matrosen an, begann aber nicht loszuschlagen.
»Hört Ihr mich, Sir«, brüllte der Kapitän.
»Wenn's Ihnen gefällig ist, Ihr Ehren, ich möchte lieber abgesetzt sein – ich – wünsche nicht erster Hochbootsmannsgehilfe bei dieser Arbeit zu sein.«
»Befolgt die Befehle augenblicklich, Sir«, schrie der Kapitän, »oder bei Gott, ich will Euch wegen Meuterei vor ein Kriegsgericht bringen.«
»Gut, Sir, ich bitte um Verzeihung; aber was sein muß, muß sein. Ich will mich nicht unehrerbietig benehmen, Kapitän Hawkins, aber ich kann diesen Mann nicht peitschen – mein Gewissen würde mir das nicht zulassen.«
»Euer Gewissen?«
»Bitte um Verzeihung, Kapitän Hawkins, ich habe immer meine Schuldigkeit gethan, bei gutem wie bei schlechtem Wetter, und bin schon achtzehn Jahre in Seiner Majestät Dienst, ohne je eine Strafe erlitten zu haben; aber wenn ich jetzt auch hängen muß – mit Ihrer Gunst und in aller Achtung gesprochen – ich kann nicht anders.«
»Ich gebe Euch nur noch einen Augenblick Bedenkzeit«, schrie der Kapitän, »thut Eure Schuldigkeit.«
Collins blickte den Kapitän an, und dann zur Nocke hinauf; und mit den Worten »Kapitän Hawkins, ich will meine Schuldigkeit thun, obgleich ich dafür baumeln muß«, warf er seine Peitsche auf das Hinterdeck hin und trat unter die übrige Schiffsmannschaft zurück.
Nun war der Kapitän ganz verwirrt und wußte kaum, was er thun sollte: auf seinem Willen zu beharren schien zwecklos – zurückzutreten war beinahe unmöglich. Eine Minute tiefen Stillschweigens folgte. Jeder war atemlos vor Ungeduld, zu erfahren, was zunächst geschehen würde. Dieses Stillschweigen wurde jedoch zuerst durch Jones, den Bruder Spaßmacher, der fest gebunden war, gebrochen.
»Bitt' um Verzeihung, Ihr Ehren«, sagte er, seinen Kopf herumdrehend, »aber wenn ich gepeitscht werden soll, wär's Ihnen nicht gefällig, mir meine Streiche aufzählen zu lassen? Wenn ich den ganzen Tag so nackt da liege, könnte ich mich ja tödlich erkälten.«
Dies war nun offenbar nur Spott von dem Manne, und brachte den Kapitän in die größte Wut.
»Marinesoldaten, nehmt den Miller und Collins fest und legt beide in Eisen wegen Meuterei. Ihr Leute, ich sehe, daß eine Verschwörung auf dem Schiffe stattfindet, aber ich werde ihr bald ein Ende setzen; ich kenne die Schuldigen, und bei Gott, sie sollen es bereuen. Herr Paul, pfeifen Sie hinab; Herr Simpel, bemannen Sie mein Gigboot, und merken Sie sich's, es ist mein bestimmter Befehl, daß keine Boote ans Land gehen.«
Der Kapitän verließ die Brigg und sah mich noch ganz grimmig an, als er über die Seite hinabging; aber ich hatte meine Schuldigkeit gethan und bekümmerte mich wenig darum, obschon ich von nun an sein Benehmen ebenso genau beobachtete, als er das meinige.
»Der Kapitän wünscht seine Geschichte zuerst zu erzählen«, sagte Thompson, der auf mich zukam. »Wenn ich jetzt an Ihrer Stelle wäre, Herr Simpel, so würde ich dafür sorgen, daß der wahre Verlauf der Dinge bekannt würde.«
»Aber wie ist das zu bewerkstelligen«, antwortete ich; »er hat jeden Verkehr mit dem Ufer untersagt.«
»Ganz einfach dadurch, daß Sie einen Offizier an Bord der beiden Fregatten schicken, mit der Meldung, daß sich die Brigg in einem Zustande der Meuterei befinde, und daß Sie also bitten lassen, ein scharfes Auge auf dieselbe zu richten. Dies ist, da Sie kommandierender Offizier sind, nicht mehr als Ihre Pflicht; Sie schicken nur die Meldung ab, und überlassen es mir, den Thatbestand nach meinem eigenen Gutbefinden zu erzählen. Bedenken Sie, daß die Kapitäne dieser Fregatten werden gerufen werden, wenn es zu einer gerichtlichen Untersuchung kommt, was ich jedenfalls erwarte.«
Ich dachte ein wenig nach und fand bald, daß der Rat gut war; ich schickte demgemäß Thompson zuerst auf die eine, dann auf die andere Fregatte ab.
Am andern Tage kehrte der Kapitän an Bord zurück. Sobald er auf das Hinterdeck trat, fragte er, wie ich es hätte wagen können, seinen Befehlen ungehorsam zu sein und die Boote wegzuschicken. Ich antwortete ihm, seine Befehle haben dahin gelautet, in keinerlei Verkehr mit dem Lande zu treten; als befehlender Offizier aber habe ich es für meine Pflicht erachtet, auf den andern Schiffen die Anzeige zu machen, daß sich unsere Mannschaft in einem Zustande der Insubordination befinde, und daß sie also ein wachsames Auge auf uns haben möchten. Er heftete sein Auge eine Zeit lang auf mich, und ging dann fort, ohne mir zu antworten.
Wie wir erwartet hatten, setzte der Admiral, auf den Antrag unseres Kapitäns, ein Untersuchungsgericht nieder. Etwa zwanzig von unserer Mannschaft wurden verhört, aber es kam so viel heraus über den Grund, warum der Schlangenkopf weggenommen worden war – denn die Matrosen sprachen frei und ohne Rückhalt – daß der Admiral und die besitzenden Offiziere dem Kapitän Hawkins dringend anempfahlen, die Sache nicht weiter zu treiben, sondern einfach zu erklären, daß sich einige unruhige Köpfe auf seinem Schiffe befänden, und den Admiral um deren Versetzung zu bitten. Dies geschah, und die Kapitäne der Fregatten, welche diesen Rat an die Hand gegeben, teilten sich in unsere besten Matrosen. Sie besprachen sich ganz offen mit mir und fragten mich geradezu, welches die besten Leute seien; dies sagte ich ihnen auch ehrlich und redlich, denn ich freute mich, daß es mir möglich war, dieselben der Gewalt des Kapitän Hawkins zu entziehen: diese bezeichneten sie nun als unruhig, und tauschten solche gegen die schlechtesten Leute, die sie nur an Bord hatten, ein. Die wenigen, die noch übrig blieben, liefen fort; und so erhielten wir, die wir bisher eine der tüchtigsten und bestorganisierten Bemannungen in der Flotte geführt hatten, nun eine der allerschlechtesten.
Miller wurde an Bord der Fregatte geschickt und unter Aufsicht gestellt; er zeigte aber bald, daß sein Benehmen so gut war, wie ich es geschildert hatte, und zwei Jahre später wurde er zum Rang eines Hochbootsmannes befördert.
Ich muß hier bemerken, daß es kaum einen Grad von Strenge giebt, den ein Kapitän nicht ausüben dürfte gegen seine Matrosen, vorausgesetzt, daß sie sich von seinem Mute überzeugt halten, oder daß er ihnen denselben bewiesen hat; wenn hierüber aber ein Zweifel herrscht, oder gar das Gegenteil erwiesen ist, so geht alle Mannszucht durch Verachtung verloren, und die Schiffsmannschaft tritt in offene oder heimliche Meuterei. Es ist ein alter Satz, daß alle Tyrannen feig seien: ich gebe gerne zu, daß die Feigheit an und für sich eine Niederträchtigkeit ist, aber gleichwohl erleidet jener Ausspruch einige Abänderung. Wenn behauptet wird, alle niederträchtigen Tyrannen seien feig, so stimme ich vollkommen bei; aber ich habe im Dienste Leute kennen gelernt, welche die allerärgsten Tyrannen und durchaus nicht feig waren: ihre Tyrannei kannte keine Grenzen, aber es lag keine Niederträchtigkeit in ihrer Denkungsart. Sie waren im Gegenteil freigebig, offenherzig und zeigten bisweilen, wenn sie der Zorn nicht übermannte, daß sie das Herz, wenn auch nicht gerade ganz am rechten Fleck, doch nicht weit davon sitzen hatten. Sie waren übrigens gleichwohl Tyrannen, aber so sehr sie es auch sein mochten, verziehen es ihnen die Leute, und eine einzige freundliche Behandlung, wenn sie nicht durch die Heftigkeit ihres Temperamentes hingerissen wurden, machte hundert Handlungen ihrer Tyrannei vergessen.
Anders verhält es sich jedoch in unserm Dienste mit Offizieren, die in ihrer Tyrannei niederträchtig sind; diesen geben die Matrosen durchaus nicht nach, und setzen sich lieber allen den Gefahren aus, welchen sie bei der Strenge unserer Kriegsgesetze unterworfen sind, als daß sie nicht frei ihre Meinung äußerten gegen einen Mann, den sie verachten. Ich mag keine Namen nennen, aber ich könnte Beispiele von mutigen und von feigen Tyrannen anführen, die auf unserer Flotte teils gedient haben, teils selbst jetzt noch dienen. Die gegenwärtigen Bestimmungen haben die Tyrannei bis auf einen gewissen Grad beschränkt, der jedoch den niederträchtigen Tyrannen nicht abhalten kann; denn ein solcher übt seine bösartigen Gesinnungen keineswegs in wichtigen Dingen, die zur Kenntnis seiner Vorgesetzten gebracht werden könnten, aus. Er greift zu kleinen und erbärmlichen Maßregeln – lächelt, um zu täuschen – hält sich streng innerhalb der Schranken, die ihn schützen; er läuft nur da Gefahr, wo seine Herzhaftigkeit in Frage gestellt wird, was übrigens äußerst selten vorkommt, und selbst dann ist es ein ebenso schwerer als höchst gefährlicher Versuch, Feigheit zu beweisen.
Man dürfte vielleicht fragen, warum ich das Schiff nicht verlassen habe, nachdem ich doch den Charakter des Kapitäns und die feindselige Gesinnung, die er gegen mich im Herzen trug, so genau hatte kennen lernen. Darauf kann ich nur antworten, daß ich oft daran dachte und auch mit meinen Kameraden darüber sprach: diese redeten mir aber zu, da zu bleiben; und weil ich erster Leutnant war und wußte, daß ein einziges erfolgreiches Gefecht mir höchst wahrscheinlich meine Beförderung sichern würde, so beschloß ich, um mich eines seemännischen Ausdruckes zu bedienen, »den Sturm zu überstehen«, und die einzige Aussicht, die ich nun zur Erlangung des Ranges eines Kommandeurs hatte, nicht aufzugeben.