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Wie His befreit und gefestet die schmale Knüppelholzbrücke über den Weggraben zum Haus hinaufsteigt, hört er Spatengeräusch. Marie bricht im Mondlicht den Rest des Krautlands um.
»Ihr werdet noch reich, Marie!« ruft His.
»Möcht's wissen!«
»Willst die Nacht durchrackern?«
»Kann doch nit schlafen.«
»Wie?«
»Wann er weg ist.«
Waren sie dennoch aneinandergeschirrt, die beiden, auch durch unsichtbare Bande? His schweigt. Der Mond spiegelt sich auf den glatten, umgebrochenen Ackerschollen. Das Weib steht auf das Spatenkreuz gestützt und dampft in der kalten Nacht.
Da fängt das Kind an zu schreien.
»Es ist genug!« befiehlt His und greift nach dem Spaten.
Sie gibt nicht nach und sieht ihn von unten an, ist ganz verändert, ernst und weich. Er erschrickt. Unsicher sucht er umher, findet den Mond und meint gewichtig: »Das Wetter schlägt um, es gibt Föhn! Sieh nur den Hof!«
»Was Ihr nur wißt!« Sie stellt den Spaten unter die Treppe und geht mit ihm ins Haus.
Das Kind schreit noch immer. Es steht in seiner erhöhten Bettkiste in kurzem Hemdchen und starrt mit schmalem bleichen Gesicht zum Fenster. Wie sie eintreten, fährt es zusammen und legt sich schnell, wie ein Hund, über dem die Peitsche knallt.
»Ist Zeit, du Tropf!« schilt das Weib, »nicht mal die Nachtruh hat man!«
Sie zerrt ihm die Decke über.
His ist zu seinem Verschlag hinaufgegangen. Er hat sich vor Kälte nur halb entkleidet und todmüde auf seinen Strohsack geworfen. Er spürt nichts mehr.
Plötzlich stehen um sein Lager viele in Mäntel gehüllte Männer. Sie haben steinerne Gesichter und schauen ihn an. Er weiß nicht, ob er sie anreden müsse, oder ob sie selbst beginnen wollen. Der eine hat unter mausgrauem Kopf ein unerbittlich kluges Adlerprofil und hält eine riesige Aktenmappe unter dem Arm. Ein anderer steht da mit gutmütigen Augen und mächtigem Gorillakiefer; er hat die Arme nach Preisringerart auf der Brust gekreuzt und zeigt im offenen Manteldreieck einen athletischen Thorax. Er grinst vertraulich. Ein dritter mit durchaus menschlichen Formen trägt einen gewaltigen Kubus von Kasten auf schmalem gekrümmten Rücken; er scheint immer tiefer sich zu beugen, der Kasten rutscht, oder wirft er ihn ab? Plötzlich greift er unter sein Gewand und schleudert eine Axt; er schleudert sie empor, sie fliegt stracks zur silbernen Scheibe des Monds, die fällt. Der Schmale greift, schiebt sie wie ein Dieb unter sein Gewand und rennt, rennt …
His erwacht aus dem Traum oder von einem Ruf. Man hört klatschende Schläge.
Das Kind schreit wie ein Tier, das man tötet.
His ist drunten, faßt das japsende Körperchen, auf seine Hände hageln schmerzhafte Hiebe.
»Bist du stille! Bist du stille!« schreit Marie.
His zieht das Kind an sich: »Du erschlägst es ja, du!«
»Es quäkt wie sein Vater, der Kerl! Es soll stille sein in der Nacht!«
His hat eine Decke um die Schluchzende geschlagen und sitzt auf der Bank. Marie steht vor ihm und sieht ihn mit heißem Gesicht und aufgerissenen Augen an. Er hält das nur noch schluckende Büblein im Arm und wiegt es kaum merklich.
Das Kind ist ruhig geworden und fällt in Schlaf. Da spürt His einen dumpfen Stoß auf den Boden. Vor ihm ist das Weib in die Knie gebrochen, hat ihre Arme auf den seitlichen Tischrand geworfen und ihren Kopf in die Arme gebohrt. Sie schluchzt lautlos. Nur ihr schwerer Körper schüttert. His sieht, wie über die dumpfe, gigantische Begierde, wie über den Abgrund von Ehrgeiz und dunkelstem Haß, über die Brücke des Zorns der rote Schmerz jetzt geschritten kommt. Ohne es zu wissen, spricht er: »O Gott, Marie …«
Da hebt sie ihren Rumpf, wendet ihn, wirft ihre Stirn auf seine Knie, und sie heult in seinen Schoß hinein: »Oh, was wißt ihr von uns, ihr Herren! Was wißt ihr von uns! Ihr nehmt euch hellkopfige, saubere Frauen, die han dann feine, kluge Mannen, und das schafft Herrensöhnlein, feine, kluge, saubere Söhnlein! Was wißt ihr von uns, von unsern krummbuckelten Kerlen und zerschafften Menschern, von unsern Tröpf und Elendspinseln! Da seht's! Da merkt's! Habt Ihr kein Herz?«
Ihre klagenden Lippen greifen wie heiße Zangen in des Mannes Knie; jetzt hebt sie ihren Kopf, tränenlos und glühend vor Schmerz: »Oh, Herr, Ihr verachtet uns ja in allem!«
Sie nimmt das Kind – aufstehend – in ihren Arm und preßt es an sich.