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Feuerwerk

.Auf der breiten Schattenterrasse des Hunschringerschen Hauses ruht Frau Emely in ihrem Liegestuhl. Lucia und Ille sind zur Teestunde erschienen. Die wunderbare Genesung der Frau und Maries aufopfernde Tat bilden den Ausgangspunkt des angeregten Gespräches. In Wahrheit sind die beiden beunruhigt über His' Schweigen.

»Es war doch ein Entschluß, sein Leben auf eine Karte zu setzen!« meint Lucia und nippt an der papierdünnen Tasse.

»Ein Entschluß!« erwidert die Frau und schaut gegen das lichte Sonnensegel zu ihren Häupten. »Aber die Gewißheit zuvor war schlimmer: den weißen Tod sterben zu müssen wie ein mit goldener Nadel aufgespießter Schmetterling. Da kam dies Weib!«

»Geht denn das Blut eines so ganz anders gearteten Menschen unverändert und ungetrübt in das Blut des Empfangenden über? – Doch wenn es Sie erregt …«

»Nicht im leisesten, ich bitte!« antwortet lebhaft die Kranke. »Sie haben völlig recht mit Ihrer Frage; es ist überaus wunderbar, wie glatt bis jetzt diese Transfusion verlief! Es muß doch eine gewisse Sympathie, eine glückliche Ergänzung zwischen dem Plus von Marie und meinem eigenen Minus vorhanden sein. Der Arzt war erst sehr zaghaft, ob die Agglutination nicht bloß im Reagenzrohr, sondern auch im Körper gelänge.«

»So besteht also doch eine Gefahr? Sollen wir nicht lieber aufbrechen, wenn Sie heute den letzten Eingriff vor sich haben?«

»Und wenn der Arzt, Marie und His Fischöder noch erwartet werden?« wirft Ille ein.

»Ich bitte, bleiben Sie! Verkürzen Sie mir die Stunde! Stellen Sie Ihren Wagen unter, der Eingriff ist schnell geschehen! Zudem plant mein Mann als Abschluß dieser harten Zeit einen freudigen Abend! Wir haben eine kleine Überraschung für Marie uns ausgedacht! Sie sollen sehen, wie unbändig dieses Naturkind sich freuen wird! Fräulein Ille, ich bitte also!«

Ille winkt dem Chauffeur.

»Sie sind wirklich leichtsinnig!« schilt Lucia.

»Ist das Ihre Meinung?« fragt die Frau. »Es gibt so wenig Leichtsinn und dumme Streiche mehr auf der Welt, fast nur noch verständige Geschäfte!«

»Und doch muß man davon leben!« entgegnet Lucia.

»Gewiß, gewiß … Sie haben recht, ich schwebe über den Wolken, mein Mann hat mich vor dem Werktag bewahrt … ich verstehe, Sie wollen sagen, daß auch ich von Verdienst und Leistung lebe, daß auch ich meine Gesundheit mir erkauft habe.«

»Sie haben niemanden geschädigt!« lenkt Lucia ein. »Und Sie werden auf Ihre Weise Ihrer Helferin wieder nützen! Schließlich haben Sie auch eine Gefahr auf sich genommen!«

»Glauben Sie? Glauben Sie wirklich?« klammert sich die Kranke an das Seil, das ihr zugeworfen.

»Gewiß! Sie sagten doch selbst, daß die Gefahr noch besteht!«

»Noch einmal besteht sie, diesen Abend!« spricht die Frau leise, als koste sie eine ersehnte Buße. »Noch einmal! Aber danach kommt wieder die Sicherheit, das reibungslose, ungespürte Laufen des Lebens in den Ölachsenlagern! Begreifen Sie doch, meine Lieben, alles um uns gleitet so ganz automatisch, mit haarscharfer Präzision, fehlerlos, so grauenhaft fehlerlos!«

»Ich dachte, dieser Eingriff …«

»Auch er, auch er – ich widerrufe meine Worte – auch er ist keine Gefahr mehr und keine Bedrohung!« spricht die Frau und blinzelt ins Grüne. »Selbst die Krankheit hat ihren Schrecken verloren; gewiß, wir müssen uns freuen, daß Cholera und Pest verschwunden sind, und doch verdanken wir der Pest den Dekameron und Dürers vier Reiter … ich müßte Ihnen diesen Traum erzählen … mißbrauche ich Ihre Geduld?«

»Ich mißtraue Träumen!« entgegnet Lucia.

»Das ist gut! Das ist erfrischend! Vielleicht vermag Ihr Mißtrauen mich von dem Alb zu befreien! Hören Sie: Eigentlich ist es ein Nichts, mit zehn Worten gesagt, nur daß es sich mit pedantischer Genauigkeit drei-, viermal im Jahre wiederholt: Da ist mein Vater, ein stattlicher alter Herr, in schwarzem Rock mit weißem Bart … ich sehe ihn noch vor mir und bemerke plötzlich, wie er in unserm Garten eine große graugrüne, dünne Schlange in die Hand nimmt, zweifellos ein giftiges Reptil, wie er dann mit einem feinen Messerchen dem Tier, das er dicht hinter dem Kopf gepackt, unter die Backen und Halsringe in die Drüse fährt … jetzt schaut er auf, sieht mich warnend an und hebt den Finger: hüte dich! – Das ist alles! Ich habe mich gehütet, nie ging ich in einen zoologischen Garten, stets trug ich im heißesten Sommer hohe geschnürte Stiefel, daß nicht eine zufällig am Gras verborgene Kreuzotter mich steche … dennoch, auch letzte Nacht träumte ich mit törichter Exaktheit diesen Traum.«

»So kann ich Sie wirklich beruhigen!« lächelt Lucia. »Die Kreuzottern und Giftschlangen leben in Europa nur noch im Spiritus der Museen!«

»Und doch, ich vermag nichts über diese Schwäche, ich werde sie nicht los, ich werde bei meinen hohen und festen Stiefeln bleiben!«

Da hört man Stimmen rückwärts vom Saal.

Marie, Hunschringer und ein hagerer Mensch treten ein.

»Guten Tag, Marie! Sie waren lange zu Haus!« erhebt sich Lucia schnell; ihr Blick fragt: Wo ist His?

»Besorgungen!« erwidert ruhig das Weib.

Die Frau drückt ihr schweigend die Hand.

»Meine Herrschaften, gestatten Sie!« unterbricht der Direktor und nimmt den langen schmalen Menschen mit dem etwas spitznäsigen Gesicht nach vorn. »Gestatten Sie, daß ich vorstelle: Doktor Schlange, Oberarzt der Inneren Klinik … was ist dir, Emely … Herr Doktor, Sie sehen, Sie können sich gleich bemühen … Emely, so höre doch, der Herr Medizinalrat liegt an einer Grippe, will aber den Turnus der Transfusion nicht unterbrechen und hat den Spezialisten auf diesem Gebiet …«

»Wie heißt der Herr …« fragt Lucia.

»Schlange!« verneigt sich der junge Arzt.

»Darf ich Sie einen Augenblick draußen sprechen, Herr Direktor!« stößt Lucia hervor.

»Keinesfalls!« ruft jetzt die Kranke. »Auf gar keinen Fall, meine Lieben!«

»Casus mysticus!« brummt Hunschringer. »Sie müßten eine goldene Brille tragen und einen großen weißen Bart, Herr Doktor. Sie scheinen die Damen zu verwirren!«

»Ich werde mir Mühe geben!«

Die Frau erhebt sich: »Kommen Sie, Marie!«

Lucia tritt hinzu; wie sie ganz nahe ist, sagt sie kaum hörbar: »Sie vergeben sich nichts! Lassen Sie es!«

»Soll ich vor einem Namen weichen!« Sie legt ihren rechten Arm um Maries Hals und schreitet langsam hinaus.

Der Arzt folgt.

Lucia und Ille sitzen allein auf der Terrasse. Sie haben Hunschringer versprechen müssen, über Abend zu bleiben. Er selbst hat sich für eine halbe Stunde beurlaubt, da er noch ein Arrangement vorbereiten müsse.

Die beiden jungen Frauen blicken in die hellgrünen Wipfel des Parks, der in seiner dichten Feierlichkeit jedes Geräusch von draußen dämpft. Nur aus weiter Ferne klingen hier und da noch späte Sirenen.

Feierabend.

»Auf dies Volk ist kein Verlaß!« zürnt Lucia.

»Sie meinen: His!«

»Auf Ostermontag lauten die Fahrscheine! Wo steckt er? Wo wildert er wieder? Morgen ist Samstag! Wir haben Sachliches noch zu bereden!«

»Er ist ein Sonderling.«

Ille schweigt.

»Sie verteidigen ihn?«

»Verstehen Sie wohl, Lucia, es gibt einen Punkt zwischen Absprung und Aufsprung, auch im Leben, da man hier nicht mehr auf dem Boden steht und dort noch nicht angelangt ist!«

»Ich liebe nicht dieses Zwischending zwischen Nicht-mehr und Noch-nicht! Einmal muß auch solch ein Junge Mann werden und sich entschieden haben!«

»Lassen Sie ihm Zeit!«

»Das tue ich! Ich gebe ihm eine Gelegenheit, stelle ihn vor eine Aufgabe, um die jeder junge Tatmensch sich drei Beine ausrisse: Er soll meine sizilischen Güter nach freiem Ermessen zur Baumwollkultur umstellen, die ungelegenen veräußern, die geeigneten von der Apfelsine zur Industrie transformieren! Begreifen Sie recht, Ille, ich verlange keine fehlerlose Leistung, ich erwarte eine ernste Kraftprobe dieses Menschen, der mir gefiel, eine Tauglichkeitsprüfung! Ich wollte sehen, ob und wie er die Hürde nahm!«

Ille schweigt.

»Sehen Sie diese Frau!« beginnt Lucia wieder. »Dies schauderhafte Zusammentreffen des Traums und des Arztes, aber … sie weicht der Entscheidung nicht, sie zeigt die geschlechteralte Zucht der Patrizierin, sie bleibt verläßlich und nimmt das Hindernis!«

»Und wenn er doch eine Hürde nahm! Er ist sonst peinlich wie ein Oberlehrer!« trotzt Ille.

In diesem Augenblick zischt es hinter den alten Platanen des Parkes. Eine Rakete steigt in schmaler feuriger Spur zu dem schon dunkelnden Himmel und zerplatzt droben in hunderte sprühende Sterne. Man hört das Fluchen des Direktors und das Anschlagen des Wächterhundes.

Jetzt kommen auch Marie, Frau Emely und der Oberarzt durch den Saal.

»Beendet!!« ruft die Frau zu Lucia und läßt sich in den Liegestuhl sinken. »Das Quantum reichte für einen Goliath!«

»Etwas viel, Gnädigste!« spricht der Doktor und fühlt den Puls. »Doch Sie werden die Menge schon assimilieren!«

»Ist jetzt die Gefahr behoben?« forscht Lucia.

»Auf solche Gewissensfragen pflege ich stets zu antworten: Nach Menschenermessen!« verneigt sich der Arzt, daß seine Augendeckel wie von selbst nach unten klappen.

»Und Marie? Sie wird heim wollen, wird wohl erwartet?« schaut Lucia sie prüfend an.

»Auf keinen Fall!« richtet sich die Kranke auf. »Wo wäre ich ohne Marie!«

Und als habe man Marie soeben ein schweres, sofort zu sühnendes Unrecht zugefügt, zieht sie erregt ihren großen Platinring mit dem Smaragd vom Finger und steckt ihn schweigend an des Weibes Hand.

*

Der Abendtisch ist gedeckt.

Hunschringer sitzt im schwarzen Jackett zwischen Marie und Lucia, dann folgen die Frau, Doktor Schlange und Ille.

Es ist ein erlesenes, festliches Mahl. Lucia, so erhaben sie über solchen Dingen steht, ist doch betreten, daß man sie in ihrem Straßenkleid zu diesem Souper hier genötigt. Ihr gegenüber sitzt Marie in einem dunkelgrünen Samtgewand. Mit ihrer mächtigen Gestalt thront sie wie eine der Borgia oder Sforza zwischen dem grauen Rechnerkopf Hunschringers und dem gläsernen Feengesicht der Frau.

Die zwei Kandelaber an den Seiten der Terrasse werfen ihr mattes Licht auf die Tafel. Von draußen leuchtet ein grüner Nachthimmel hernieder.

Jetzt hört man – nicht fern – Axtschläge und Krachen von Bäumen.

»Haben Sie Wilderer im Park?« fragt Lucia.

»Nein, es ist alles vorgesehen!« meint Hunschringer.

Eifrig ruft Frau Emely zu dem Diener, der eben anrichtet: »Sechs Schalen genügen, Paul! Ich sagte doch: sechs!«

»Schade!« verneigt sich Doktor Schlange. »Sieben wäre die heilige Zahl!«

»Weiß Gott, einer fehlt!« zählt Hunschringer, während im Park die letzten Axtschläge verhallen. »Einer fehlt, stell' nur das siebente Glas hierhin!« herrscht er Paul an und zwingt aller Gehör wieder nach innen: »Der siebente soll leben … und auch wir sechs, die wir die Sieben erst schaffen!«

»Vor allem dieses gastlichen Hauses Frau!« erhebt sich der Arzt.

»Nein! Nicht auf mich! Auf Marie! Auf Marie! Bitte, nicht auf mich!« wehrt die Kranke ganz erschrocken.

Man trinkt auf Marie, die mit strahlenden Augen und wie mit Blut übergossen dasteht.

»Aber Sie müssen auch trinken!« ermahnt sie lachend Hunschringer.

Sie nimmt ihr Glas mit dem blassen blitzenden Wein und – in dem Glauben, sie müsse einen eigenen Zutrunk tun – spricht sie: »Ich trinke auf den siebenten!«

Hunschringer schüttelt sich vor Lachen: »Ausgezeichnet! Es soll also nicht sein! Seit zehn Minuten wollen wir einen besonders Teuren leben lassen und niemand nimmt den Trunk an!«

»Wer aber ist der siebente?« fragt jetzt der Doktor.

»Weiß der Himmel!« ruft Hunschringer und leert seinen Kelch.

»Doch weiß ich's!« trotzt Marie jetzt zornig, da man über sie lacht. »Der siebente ist Herr His!«

»Famos, Marie! Großartig!« lärmt Hunschringer erheitert. »Sie hat Instinkt … weiß Gott, Herr Fischöder war von mir heut geladen!«

»Und hat's verschwitzt!« spricht Lucia.

»Manieren!«

»Unzuverlässigkeit! Einen unzuverlässigen Menschen könnte ich wie einen Feind behandeln, zumal wenn er ein Mann ist!«

»Und im Falle einer Frau?« brummt Hunschringer.

Alle schauen sich an.

Der Arzt will die Lage retten und sagt schnell: »Eine Frau kann jederzeit durch vitalere Bindungen abgehalten sein, eine Frau hat Kinder, die sie festhalten … das stärkste Regulativ des Lebens!«

»Etwas Erfreulicheres!« poltert Hunschringer und hält sich an den Wein.

»Einen Augenblick!« richtet sich die Frau jetzt auf. »Wenn es uns aber, Herr Doktor, nicht gegeben ist, das stärkste Regulativ des Lebens …«

»Verzeihung!« blitzt der zwischen den Wimpern.

»Oh«, lacht die Kranke, und eine kirschfarbene Röte steigt in ihre Wangen. »Das Leben ist vielfältig und hat tausend Gaben! Wenn wir die Traube nicht brechen können, so trinken wir den Wein!« Mit straffem Übermut hebt sie ihren Kelch und trinkt Marie zu.

Der Arzt sieht scharf auf die Frau. Ihr Gesicht glüht in Wallung, die Adern an ihren Schläfen dunkeln. Er besinnt sich auf ein Wort.

Da vernimmt man ein Geräusch im Saal.

Vor der Flügeltür steht ein Männlein, in der grünen Joppe eines Jägers, auf seinem zwerghaft ineinandergeschobenen, aber massigen Rumpf sitzt ein großer gelber Kopf mit eulenrunden Augen: Mungo, der Wächter der Fabrik. Er hält ein beachtliches gelbes Kuvert in der Hand.

»Herein, Mungo, treue Seele!« ruft Hunschringer. »Laß ihn durch, Paul, er bringt frohe Kunde!«

Mungo, umgeschnallt, auf der einen Seite eine Stechuhr, an der Linken seine mächtige Parabellumpistole, tritt vor und meldet wie auf einem Gefechtsstand: »Botenbrief von Justizrat Spengler, soeben eingetroffen!«

»Abtreten! Feuer!« befiehlt Hunschringer und Mungo verschwindet. Der Direktor hat das Schreiben überflogen.

»Ausgezeichnet!« schmunzelt er. »Füllen wir die Gläser!«

Jetzt hört man draußen hinter den Büschen und Bäumen ein Brausen, Knattern, Knällern, Fauchen und Zischen. Mit einem Schlag steht der Park taghell. Zu Dutzenden fahren die Raketen und Leuchtkugeln hoch, stehen in der schwarzgrünen Nacht eine Sekunde und zersprühen mit kurzem Knall in tausend Kugeln, Funken, Sterne, Lichtgarben, Flammenzacken und bunte Blitze. Zugleich sind an drei, vier Stellen des Parks mächtige Rotfeuer aufgeflammt. Vor ihrer Glut hebt sich aus den Bäumen ein seltsames Gebilde ab: ein Haus … ein neues Haus mit gerade erst gerichtetem Dach! Noch weht der Wimpelkranz auf dem First! Vor dem Bau liegen zwei mächtige Platanen, die bis vor einer Viertelstunde ihn noch verbargen.

Alle schauen wortlos in das flammende Bild.

Hunschringer ist aufgestanden und langsam zu Marie getreten. Er verneigt sich und reicht ihr eine mit Stempel und Siegel bestückte Urkunde: »Herrn und Frau Nädele, den Besitzern dieses Hauses und künftigen Verwaltern der wirtschaftlichen Anlagen!«

Marie starrt wortlos auf den Sprecher und auf das wie in Flammen stehende Haus. Sie bemerkt, daß es genau Bauart, Umriß und Größe ihres eigenen Hauses hat. Langsam beginnt sie zu begreifen: auch dieses Haus soll jetzt das ihre sein, als fürstlicher Lohn! Das Dorfanwesen können sie verkaufen … ja, alles trifft ein, wie mit einem Zauberschlag! Die Zeit der Sorgen und Nöte ist vorbei! Das Leben beginnt, das starke, freie, offene Leben … o Dionys! Eine Flut wallt in ihr hoch! Wo ist er? Keinen Tag mehr wird sie ihn lassen! Sich selbst bestehlen! Keine Stunde! Festhalten!! Das ist das einzige Gebot … wie die Flammen schlagen … die Feuer zischen … brennt das Haus, braust schon Zerstörung … brennt es, leuchtet es, flammt es?

»Gefällt es Ihnen?« lacht Hunschringer befriedigt und hebt sein Glas: »Meine Herrschaften, die junge Besitzerin!«

Marie hört kein Wort, sie starrt auf den vom Rotfeuer umglühten, von Raketen und Sternenblitzen umfunkelten Bau … Feuer! sieht ihr Auge … Feuer! siedet's in ihren Adern … »Feuer!« schreit sie mit ganzer Kraft.

Und ob das Element – das eben noch in ihren Adern rollend, der Frau Pulse jetzt durchjagend – unter dem gleichen Gesetz daherstößt, ob die letzte Überblutung zu strömig … »Feuer!« ruft auch die Frau mit flammroter Stirn und sinkt, wie von einem Hammerhieb getroffen, in den Stuhl.

»Emely!« schreit Hunschringer.

Der Arzt hat sich über sie gebeugt: »Kollaps!«

Wütend schlägt jetzt ein Hund an, jenseits des Parks, und fallen zwei Schüsse.


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