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Die Hyäne

Es gibt Tiere, gegen die man ganz instinktmäßig einen heftigen Widerwillen hat. Zu ihnen gehört in erster Reihe die Hyäne, die »Entweiherin der Grüfte«, wie sie Freiligrath mit dichterischem Pathos genannt hat. Schon seit ältesten Zeiten haftet ihr solch Makel an, und allmählich ist sie in der Phantasie des Menschen ein völliges Hexentier geworden, eine Art von orientalischem Gegenstück zu unserm »Werwolf«. In Abessinien glaubt das Volk noch heute felsenfest, daß sich Schmiede, Töpfer und Lohgerber nächtlicherweile in Hyänen verwandeln können, und begegnet diesen Leuten darum mit scheuer Verehrung und furchtuntermischter Verachtung. Welch geheimnisvolle Kräfte das Mittelalter der Hyäne beilegte, lehrt uns die Schilderung des alten Gesner, in der es u. a. heißt: »In den Augen ändert das Tier die Farbe ohne Unterlaß nach seinem Gefallen; etliche schreiben, daß seine Augen sich nach seinem Tode in Steine verwandeln. In seinem Kopf aber wird ein Edelstein gefunden von seltener Tugend. Mit seiner Stimme kann es der Menschen Rufen und Husten nachahmen. Wenn es gejagt wird, so wendet es sich gemeinhin auf die rechte Seite ab und sieht zu, daß es in des Jägers Fußstapfen kommen kann, der davon taub, unlustig, steif und krank wird. Denn in seinem rechten Fuße hat es eine so starke Kraft, einzuschläfern, daß es die Menschen, die es im Schlaf überrascht, dermaßen betäubt, daß sie wie ohne Empfindung liegen und ihm zum Raube dienen müssen.« – Zur Entstehung solcher Fabeln und Berichte hat gewiß die ganze Gestalt der Hyäne – dieses »widrige Gemisch aus Katze, Hund und Schwein« –, ihr übler Geruch, ihre nächtliche Lebensweise nicht wenig beigetragen.

Die Hyäne – das Wort stammt aus dem Griechischen und hängt mit der Bezeichnung für Schwein ( hüs) zusammen – kommt in zwei Arten in Afrika und Westasien bis nach Indien vor: als gestreifte Hyäne ( Hya?na striâta) und als gefleckte Hyäne ( Hyaena crocûta); die letztere ist in Afrika, südlich der Sahara, vorherrschend. Die eine besondere Familie der Raubtiere bildenden Hyänen ( Hya?nidae) nehmen gleichsam eine Zwischenstellung zwischen Katzen- und Hunderaubtieren ein. Etwa ein Meter lang, bei einer Schulterhöhe von etwa dreiviertel Meter, ist der Körper der Hyäne eigentümlich abschüssig gestaltet: die Vorderbeine sind bedeutend länger als die Hinterbeine. Ein fast im Buckel hinaufgezogener Rücken, der auf den geknickten Hinterfüßen schleppt; ein dicker Kopf mit vorn abgestutzter Schnauze und feuchter, rüsselartiger Nase; die großen Ohren eng zusammengerückt, wie um diesen schärfsten Sinn noch mehr zu schärfen; das Auge klein, unter den wie geschwollenen Wangenknochen giftig hervorschielend; endlich vom Ohr bis zu dem buschigen Schweif ein Kamm starrender Borsten – so schildert Masius den ästhetischen Eindruck der Hyäne, deren unheimliches Äußere durch den hinkenden Katzengang, das struppige, mißfarbene Haar und den widrigen Geruch der Afterdrüsen noch gleichsam betont wird. Die Färbung der Streifenhyäne ist ein gelbliches Weißgrau, von dem sich schwarze Querstreifen deutlich absetzen; die Tüpfelhyäne hat eine ähnliche Grundfarbe, in die aber mehr Wüstengelb gemischt ist, und in der Jugend dichtstehende, im Alter spärlichere, dunkelbraune Flecken darauf. Nicht selten zeigt das Fell im Alter kahle, durch Räude verursachte, größere Stellen. Die Füße tragen vier Zehen mit derben Krallen. Der merkwürdige Größenunterschied in den Vorder- und Hinterläufen bringt es mit sich, daß die Hyäne weder so schnell und andauernd wie der Hund laufen, noch schleichen und springen kann wie die Katze. Sie ist ihrem ganzen Körperbau nach darauf angewiesen, kranke oder tote Tiere zu erbeuten. Ihr Gebiß ist das eines Raubtiers, nur sind ihre Zähne besonders plump und massig. Dieses wuchtige Gebiß, die kurzen Kiefer, die von mächtigen Kaumuskeln gehebelt werden, und der gewaltige Schädel ermöglichen es der Hyäne, auch die stärksten Knochen, die selbst der Kraft des Löwen widerstehen, zu zermalmen. Auch die Körperkraft der überaus gefräßigen Hyäne ist erstaunlich: vermag sie doch, wie Schillings berichtet und in einer zur Nachtzeit mit Blitzlicht gewonnenen »Natururkunde« (d. h. einer vom Tier selbst ausgelösten Augenblicksphotographie) uns vor Augen führt, einen Esel eine weite Strecke hin fortzuschleppen.

Am Tage im Dickicht, in Felsklüften oder ihrem halbunterirdischen, fuchsbauähnlich angelegten Schlupfe versteckt, geht sie mit Anbruch der Dunkelheit auf Raub aus. »Die Umgebung solchen Baues«, schildert Schillings, »ist von den Jungen glattgetreten. Zahlreiche Schädel und Knochen liegen umher, und Geier sitzen bereits zur frühsten Morgenstunde inmitten der jungen Hyänen, ein Zeichen, daß sie auf Bäumen am Hyänenbau übernachteten. Mehrmals habe ich gefunden, daß mit dem Haushalte der Hyänen sich eine Anzahl von Mönchsgeiern, Gänse- und Kappengeiern vergesellschaftet und unbekümmert um die jungen und alten Hyänen sich bei diesen zu Gast geladen hatte. Es war ein eigenartiger Anblick, die großen Geier mitten unter den Hyänen auf dem Erdboden zu sehen.« Von einem außerordentlich feinen Witterungsvermögen geleitet, spürt die Hyäne auf größere Entfernung schon das Aas. Unheimlich und unhörbar trottend naht sie sich, von Zeit zu Zeit ihren widerlichen Ruf, ein langgezogenes, tiefes »Uh« mit kurz abbrechendem »Wi«, ausstoßend. Eine zweite antwortet, eine dritte, junge und alte; das freche Geheul zerreißt die Stille der Nacht. Bisweilen klingt es wie ein höhnisches Gelächter, und wer diese Laute zum erstenmal hört, kann sich des Schauerns kaum erwehren. Plötzlich verstummen die Tiere, sie haben die Beute gefunden und gehen nun an den eklen Fraß. Die ganze Nacht über sind sie in steter Bewegung, ohne Scheu nähern sie sich den Dörfern der Neger, dem Zeltlager der Weißen, ja, sie dringen, von den Hunden unbelästigt, in die Städte des Sudan. Aus Kapstadt, zu Ende des 18. Jahrhunderts, erzählt Sparrmann, es sei jedermann wohlbekannt, daß die Tigerwölfe – so nennen die Buren die gefleckte Hyäne – fast in jeder dunklen Nacht sich bei den Fleischscharren einfinden, um die daselbst in Menge weggeworfenen Knochen, Häute und dergleichen aufzufressen oder wegzuschleppen. Für diesen Dienst bezeigen sich die Einwohner durch die uneingeschränkte Freiheit dankbar, die sie ihnen zu solchen nächtlichen Besuchen geben. Die Hunde haben sich an ihre Gesellschaft gewöhnt und legen ihnen ebenfalls kein Hindernis in den Weg.

siehe Bildunterschrift

Hyänen beim Fraß

So feig die Hyänen für gewöhnlich sind: wenn der Hunger sie treibt, zeigen sie unglaubliche Kühnheit. Sie dringen dann selbst bei Tage in die Dörfer und schleppen kleine Kinder fort, wie die Eingeborenen überall zu erzählen wissen. Gelegentlich greift das Tier auch ein Stück Wild oder Haustiere an. Es weiß, wie Rüppell aus Abessinien schildert, wenn abends die Herde heimkehrt, eines der letzten Schafe zu erhaschen und trotz der Verfolgung durch den Hirten fortzuschleppen. Die Kapkolonisten behaupteten Sparrmann gegenüber, die Hyäne sei in solchem Falle listig genug, mit großem Geheul schnell und unvermutet hervorzuspringen, wodurch jedes Tier so erschreckt werde, daß es zu laufen beginne. Nunmehr verfolge die Hyäne das fliehende, bis sie Gelegenheit habe, ihm, und wenn es auch ein Zugochse wäre, mit einem einzigen Bisse den Bauch aufzureißen oder ihm sonst eine gefährliche Wunde zu versetzen und sich des Raubes zu bemächtigen. Schweinfurth sah so einmal eine Hyäne ein Hartebeest hetzen. Ja, selbst an Erwachsene wagt sich die Hyäne, zumal wenn diese schlafen. Sparrmann berichtet davon eine lustige Geschichte. Bei einem Schmause nicht weit von Kapstadt hatte man des Nachts einen Trompeter, der sich betrunken hatte, vor die Tür getragen, damit er sich abkühlen und von seinem Rausche ermuntern möchte. Es währte nicht lange, so stellte sich eine Hyäne ein, die den guten Mann auf den Rücken warf, wie einen toten Körper als gute Prise fortschleppte und dem Tafelberge zueilte. Mittlerweile wachte der berauschte Musikant auf und hatte noch Bewußtsein genug, um die Gefahr, worin er sich befand, zu bemerken und mit seiner Trompete, die er an die Seite gebunden hatte, Lärm zu blasen. Dies brachte das Raubtier so außer Fassung, daß es seine Beute fahren ließ. Ein andrer, als ein Trompeter, wäre unter diesen Umständen gewiß ein Fraß der Hyäne geworden, meint Sparrmann. Heinrich Fonck, der längere Zeit als Offizier unsrer Schutztruppe in Ostafrika verbracht hat, berichtet aus eigener Anschauung einen ähnlichen Fall. »Ende 1903 kam ich«, erzählt er, »über Ufiome nach Mangati (Ortschaften im ehemaligen Deutsch-Ostafrika) und bezog eines Abends unweit des Guruiberges Lager. Aus Mangati waren nach langem Zögern endlich zwei Führer mitgegangen, die merkwürdig scheu und argwöhnisch zu sein schienen. Sie bleiben mir wegen ihrer das Antlitz umbaumelnden, aus langen, verfilzten Haarklunkern bestehenden »Pudellocken« unvergeßlich. Gegen Sonnenuntergang schoß ich eine Antilope, deren Decke (Haut) die Führer erhielten, um sie zutraulicher zu machen. Eine pechschwarze Nacht brach herein. Die beiden Lockenesel aus Mangati hatten in ihrem Stumpfsinn das blutige Antilopenfell einfach neben sich auf die Erde gelegt, anstatt es in einen Baum zu hängen, und waren dann eingeschlafen. Gegen neun Uhr holte eine Hyäne das Fell fort. Großer Lärm, dann Ruhe. ›Geschieht euch ganz recht‹, dachte ich noch und muß dann bald fest geschlafen haben. Ein grauenhafter Schrei, so gräßlich und gellend, wie ihn nur die höchste Todesangst ausstoßen läßt, macht mich hochfahren. Schweren Kopfs lausche ich hinaus. Laufen und Rennen, laute Rufe. Dis Feuer lodern auf. Ein Askari (Negersoldat) meldet: » Simba a me kamata mtu« (»der Löwe hat einen Mann geholt«). Da schleppt sich, gestützt von drei, vier Trägern, grau und zitternd im flackernden Schein der Lagerfeuer eine Gestalt heran. An den pendelnden Klunkern erkenne ich einen der Führer, dessen Gesicht so angstverzerrt und aschfarben war, daß ich hätte schwören mögen, diesen Mann noch nicht gesehen zu haben. Am es kurz zu machen: eine Hyäne hatte ihn geholt. Sorglos hatten sich die beiden Führer etwa zehn Schritt abseits vom Trägerlager, nicht ganz soweit von meinem Zelt entfernt, frei unter einen Baum gelegt. Die ermüdete Karawane war in Schlaf versunken und die Feuer am Verlöschen. Die Hyäne war herangeschlichen, hatte den festschlafenden Mann an der rechten Schulter gepackt und fortgezerrt. Etwa vier Meter von der Schlafstätte entfernt, war der schlaftrunkene Führer erst zum Bewußtsein seiner Lage gekommen und hatte den Schrei ausgestoßen, auf den hin die Hyäne ihn fallen ließ und zurücksprang. Die Zähne des Raubtiers hatten sich auf Rücken und Brustseite tief eingebohrt.« – Daß die Hyäne auch Leichen, die nicht tief genug beigesetzt sind, aus der Erde scharrt, ist gleichfalls vielfach verbürgt; Linné bereits gab ihr davon den Beinamen »Grabtier«.

Im Haushalt der Natur fällt der Hyäne die Rolle eines »Totengräbers der Steppe« zu, in welche »gesundheitspolizeiliche« Aufgabe sie sich, wie wir schon erwähnten, mit den Geiern und Kropfstörchen, den Schakalen und mancherlei Kerbtieren teilt. Jung gefangene Hyänen werden leicht zahm. Brehm besaß einmal zwei Streifenhyänen, die ihm wie Hunde anhingen, beim Teetisch neben seinem Stuhle saßen und, wenn die Stalltür versehentlich offen stand, von selbst die zwei Treppen zu seinen Wohnräumen hinaufstiegen.


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