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Er »possumt«, sagt der nicht nur mit Worten, sondern selbst mit Buchstaben geizende Hinterwäldler, er »spielt Opossum«, wenn er jemand bezeichnen will, der verschlagen ist und sich geschickt zu verstellen weiß. Er macht's wie das Opossum, das sich, wenn es angegriffen oder auch nur berührt wird, augenblicklich totstellt und alles über sich ergehen läßt, was man mit ihm vorzunehmen beliebt. Es sperrt den Rachen mit den spitzen Zähnen auf, läßt die Zunge heraushängen, schließt die Augen, liegt leblos da – gewiß ist es tot. Der Knüttelhieb, der den Geflügelräuber traf, hat ihm den Garaus gemacht, denkt der Neuling, der die abscheuliche, nach Knoblauch übel duftende »Ratte« zum erstenmal sieht, und wirft sie voll Ekel auf den Mist. Kaum aber hat er den Rücken gewandt, so kommt wieder Leben in den Kadaver: der Rachen schließt sich, die Augen tun sich auf, noch einen Augenblick gespanntesten Lauschens der nackten Rattenohren, und fort ist das Opossum. Und wenn man ihm den Schädel eingeschlagen, die Wirbelsäule und die Glieder gebrochen hat, schreibt ein Beobachter, das alles hindert das Opossum nicht, sich davonzumachen und noch tagelang zu leben. Es ist von seltener »Geduld« und Lebenszähigkeit.
Der »Scheintod« ist eine von vielen Tieren im Kampf ums Dasein gebrauchte List. Reineke Fuchs zum Beispiel, das weiß ja schon die alte Tiersage, ist in solcher Verstellungskunst besonders bewandert. Der gefangene Stör liegt bewegungslos im Netze, der Barsch schwimmt wie tot auf dem Rücken; die Rohrdommel reckt den ganzen Leib wie in Totenstarre und ist so auch für ein geübtes Auge in dem sie umgebenden Röhricht kaum wahrzunehmen; die Ringelnatter rollt sich auf den Rücken, läßt die Zunge heraushängen und zeigt keine Spur von Leben mehr. Sobald aber die Gefahr vorüber ist, entflieht das Tier. Einige Forscher glauben freilich, daß es sich bei solchem Sichtotstellen weniger um eine beabsichtigte List als um eine »Schreckstarre«, ein Erstarren vor Schreck handelt. Möglicherweise ist das bei niederen Tieren (gewissen Käfern, Heuschrecken, Kleinschmetterlingen usw.) auch wirklich der Fall. Daß aber manche höhere Tiere mit vollem Bewußtsein sich dieser List bedienen, beweist neben andern eine Beobachtung, die der Engländer Thompson von einem gefangenen Affen verbürgt. Dem besagten Affen wurde eine Zeitlang sein Futter regelmäßig morgens und abends von hungrigen Krähen gestohlen. Zähnefletschen und andre Zeichen des Zornes vermochten nichts gegen die frechen Räuber. Da schien eines Morgens der Affe schwer erkrankt; er saß mit gesenktem Kopfe und geschlossenen Augen da, ja, er wälzte sich schließlich wie im Todeskampf am Boden und rollte dabei bis dicht an den Futternapf. Hier saß noch eine Krähe, die sich in ihrer Mahlzeit durch den offenbar verendeten Affen nicht im geringsten beunruhigen ließ. Plötzlich aber griff der Affe nach dem Vogel, packte fest zu und riß ihm Schwanz- und Flügelfedern aus. Bewußte Anwendung von List ist in diesem Falle ganz unverkennbar. Das Gleiche gilt auch nach allen vorliegenden Beobachtungen für das Opossum, das geradezu als Meister in der Kunst des Sichverstellens bezeichnet werden muß.
Das Opossum, die virginische Beutelratte ( Didélphys virginiâra), die über Nord- und Südamerika verbreitet und namentlich in den unterholzreichen Waldgebieten ziemlich häufig ist, gehört zur Ordnung der sogenannten »Fleischbeutler«, jener zahlreichen Gruppe von Beuteltieren, deren Gebiß auf tierische Nahrung eingerichtet ist. Etwa halbmeterlang, von plumpem Körperbau, mit seinem fuchs- oder rattenähnlichen Kopfe, der von großen Bartschnurren umstarrt ist und große kahle Ohren trägt, mit seinem nur an der Wurzel behaarten, sonst aber nackten, geschuppten, fast körperlangen Rattenschwanz, seinem schmutzigen, wie verschabten, in allen Farbenmischungen zwischen Weiß und Schwarz schillernden Pelze, seinen kurzen, scharfkralligen Beinen, dem ekelhaften Afterdrüsengeruche gehört es zu den widerwärtigsten Geschöpfen. Und doch hat die unbegreifliche Mode auch seinen Pelz zum Schmuck der Schönen bestimmt und bewertet ihn trotz der Häßlichkeit und Häufigkeit des Tieres ziemlich hoch! Die nicht gerade wählerischen Neger der Südstaaten vollends schätzen das allzu stark nach Knoblauch duftende Fleisch als Festtagsbraten! So hat eben nach dem Sprichwort »auch die Häßlichste noch immer sieben Schönheiten«.
Zu diesen »Schönheiten« gehört für den Naturforscher einiges Interessante im Bau und Leben des Opossums. Zunächst ist der Schwanz, an der Wurzel ziemlich dick und sich allmählich zuspitzend, geschickt wie ein Affenrollschwanz und ermöglicht es dem Tiere, sich stundenlang auf Ästen und Zweigen festzuhalten und zu schaukeln. Sodann ist die große Zehe weit abspreizbar und wie unser Daumen den Fingern, so den übrigen Zehen gegenüberzustellen (»opponierbar«), der Fuß also ein rechter Greiffuß. Das Merkwürdigste ist wie bei allen Beuteltieren die Brutpflege. Die Jungen, vier bis sechzehn an der Zahl, sind bei der Geburt nur etwa erbsengroß, noch völlig unreif, ohne Ohren und Augen. Sie werden sofort in der durch Muskeln fest verschließbaren Beuteltasche am Bauche der Mutter untergebracht und saugen sich alsbald mit ihrem Mundschlitz an den Zitzen fest. Nach etwa acht Wochen sind sie vollständig ausgebildet, mausgroß und verlassen nun gelegentlich den Beutel, um sich auf dem Rücken der Mutter niederzulassen, schlüpfen aber immer wieder in ihre »Couveuse«, ihren natürlichen »Brutschrank« zurück, den die Mutter dann fest verschlossen hält. Erst wenn sie etwa Rattengröße erreicht haben, beginnen sie sich allmählich selbständig zu machen.
Die Nahrung des Opossums – das Wort ist indianisch, und der Indianer sieht in der Beutelratte ein Sinnbild der List und Verschlagenheit – bilden alle Tiere, deren es habhaft werden kann, und die es zu bewältigen vermag, Eier, Käferlarven, Würmer usw. An Blut soll es sich, gleich dem Iltis und Marder, förmlich berauschen können.