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2. Gentlemen-Abenteurer

Churchill.

Auf der Welt-Getreideausstellung in Regina war auch die Hudson's Bay Company mit einer glanzvollen Sonderschau vertreten. Sie war glanzvoll im wörtlichen Sinne: es glänzte und glitzerte auf ihr von Schneekristallen und Eis, aber auch von Samt und Seide, von Spitzenkragen und klirrenden Degen. Da hing ein großes Gemälde, das den Prinzen Ruprecht darstellte, wie er in großem Pomp von Karl II. knieend die Charter der Kompanie in Empfang nimmt. Da war die erste Fahrt der »Nonsuch«. Da war Gouverneur Simpson, wie er im Kanu durch die Wildnis des Nordwestens zieht. Da waren die Forts und die »Faktors« der Kompanie mit Schleppsäbel und Dreispitz. Da waren kostbare Pelze, Biber, Silberfüchse und Eisbären, Fallen und Schlitten. Alles in allem eine Ausstellung, die dem Namen der ausstellenden Gesellschaft alle Ehre machte, die sich stolz seit über zweiundeinhalb Jahrhunderten die der »Gentlemen-Abenteurer« nennt.

Etwas von dem Geist abenteuernder Kavaliere umschwebt noch das Verwaltungsgebäude der Kompanie in Winnipeg, in dem wir mit erlesener Liebenswürdigkeit empfangen worden waren. Der »Pelzkommissar«, dem der Handel im arktischen Norden untersteht, versicherte uns, daß wir uns in Churchill um nichts zu kümmern brauchten. Wir würden am Bahnhof abgeholt werden und könnten im Hause der Hudson's Bay Company wohnen, bis unser Eisbrecher einträfe, der uns mit in die Arktis nehmen sollte.

Wir fuhren also voll stolzer Erwartung nach Churchill. Wenn wir auch nicht gerade einen Faktor der Kompanie in Dreispitz und Schleppsäbel am Zuge erwarteten und ein Fort mit Kanonen und Pallisaden, so doch immerhin einen wohlvorbereiteten Empfang in einem eindrucksvollen Gebäude. Schließlich war Churchill der wichtigste Posten der Kompanie an der Hudsonbucht. Hier stand ihr Fort Prince of Wales, neben Quebeck die stärkste Feste auf dem amerikanischen Kontinent.

Aber als wir in Churchill ankamen, war da buchstäblich nichts! Kein Bahnhof, keine Stadt und kein Hudsonbay-Company-Vertreter. Nur der Riesenbau des Getreide-Elevators erhob sich gespenstisch weiß zu unheimlicher Höhe.

Wir standen im tiefen Sand

Wir standen im tiefen Sand des weiten, leeren Feldes, sahen dem Ausladen des Gepäcks zu und warteten, daß sich irgend jemand unserer annehmen würde. Inzwischen hatte der Heilsarmee-Sergeant, der mit uns gekommen war, seine Ziehharmonika herausgeholt und ein heiliges Lied nach der Melodie des letzten Gassenhauers angestimmt. Als er damit fertig war, forderte er uns auf, uns zu entscheiden, wo wir unsere Ewigkeit zubringen wollten, ob im Himmel oder in der Hölle.

Uns lag einstweilen die Frage näher, wo wir die Nacht zubringen sollten; wir hatten die Sommertemperatur an der Hudsonbucht doch überschätzt und fingen jetzt an, wo der Abend sank, in unsern dünnen Sommeranzügen zu frieren. Also wandte ich mich an einen der herumstehenden Männer und fragte ihn, ob er mir nicht sagen könnte, ob einer der Hudsonbay-Company-Vertreter hier sei.

»Sie wollen den Hudsonbay-Boy?« und er brüllte einen Namen über den Platz, den wir nicht verstanden.

Ein junger, blonder Mann in grauem Sweater, der die ganze Zeit in unserer Nähe gestanden hatte, drehte sich um. An den hatten wir allerdings nicht gedacht. So hatten wir uns einen »Gentleman-Abenteurer« nicht vorgestellt.

Er kam mit schlenkernden Bewegungen näher. Ja, wir wären angemeldet, und irgendwie und wo würden wir schon unterkommen. Vielleicht gäbe es auch noch etwas zu essen. Einstweilen sollten wir nur auf den Lastwagen steigen. Er käme später nach.

Der Lastwagen mühte sich gerade verzweifelt, den tiefen Sand zu durchpflügen, aus dem der Bahnhofsplatz bestand, während die Leute von der Regierung, die im Zug mit uns gekommen waren, in ein Raupenauto stiegen, das der Lage mehr gewachsen schien. Zweifellos war jedoch unsere Fahrt interessanter. Bei jeder Sandstrecke und jedem Felshügel, die wir zu passieren hatten, ergab sich die spannende Frage, ob der Motor es wohl schaffen würde. Er schaffte es. Wir kamen heil durch die Straßen der Stadt, deren Weiträumigkeit in den Werbeschriften der »On-to-the-Bay-Gesellschaft«, die den Bau Churchills propagierten, so gelobt wurden. Einstweilen bestanden die Straßen freilich nur aus Weiträumigkeit, aus der sich lediglich einige wenige Häuser erhoben: die Radiostation, die katholische Kirche, das bischöfliche »Palais«, ein »Café« und drei Banken. Zwei von den letzteren sind allerdings geschlossen, und die dritte arbeitet nur mit halber Kraft. Mit Ausnahme des Bischofssitzes sind alle Häuser einstweilen nur viereckige Bretterbuden.

Schließlich kamen wir im »Regierungsviertel« an

Schließlich aber kamen wir im »Regierungsviertel« an. Da wohnen all die Angestellten und Arbeiter von Bahn, Hafen und Elevator, die ja alle drei dem Staat gehören und vom Staat betrieben werden. Es besteht aus einer Reihe einstöckiger Häuser, die sich alle sorgsam, um nicht zu sagen ängstlich auf den engen Raum zusammendrängen, der zwischen dem Ufer des Churchillflusses und einer Felsklippe bleibt, die Eis und Wasser im Verlauf der Jahrtausende glattgeschliffen haben. Die Regierungsleute wissen wohl, warum sie sich hier zusammendrängen. Sie sind alle schon lange hier und wissen, was ein Winter an der Hudsonbucht heißt.

Wir hielten vor dem stattlichsten Gebäude, allein es stellte sich heraus, daß wir hier noch nicht zu Hause waren; der Motor streikte bloß. So wanderten wir zu Fuß weiter durch Sand und Geröll bis zu dem letzten und kleinsten der Häuser, das kaum mehr als eine Bretterbude war. Es mußte wohl unser Ziel sein; denn die drei Buchstaben H. B. C. standen darauf, die für ein paar hundert Jahre hier an der Bucht ein fast magisches Symbol bedeutet hatten, das Zeichen einer allmächtigen Gesellschaft.

Auch wir standen noch im Banne dieses Zeichens. Wenn das das Haus der Hudson's Bay Company war, dann mußten wir auch darin unterkommen, und dann war auch für uns gesorgt; denn das wußten wir aus der Geschichte der »Großen Kompanie«, daß das Wort eines Hudsonbay-Mannes sicherer war als der heiligste Eid.

Leider wurde aber das Haus nicht größer, als wir eintraten. Es bestand lediglich aus einem Schlafraum mit einem Bett, einer Rumpelkammer und einem Wohnraum mit einem Tisch und Stuhl. Auf dem Tisch stand noch keine Mahlzeit für uns bereit, sondern an ihm saß ein zweiter junger, blonder Mann. Wir sagten ihm, er möchte einstweilen unser Gepäck in Verwahrung nehmen, wir gingen so lange am Strand spazieren, bis der Hudsonbay-Boy vom Bahnhof zurück sei, um uns unser Quartier anzuweisen.

Aber als dieser nach einer Stunde immer noch nicht zurück war, und es anfing, kalt und ungemütlich zu werden, machten wir dem zweiten jungen Mann gegenüber, der unser Gepäck ins Haus getragen hatte, unserm Ärger Luft und meinten, das sei doch ein merkwürdiger Empfang. Bescheiden und höflich wie bisher lehnte er die Verantwortung dafür ab; er habe mit der Kompanie ebensowenig zu tun wie wir.

Es stellte sich heraus, daß der bescheidene, blonde junge Mann wirklich ein Gentleman-Abenteurer war. Es war ein Gelehrter aus Oxford, der mit uns auf dem Eisbrecher »Nascopie« in die Arktis hinauf wollte, um sich dort ein Jahr ins Eis zu setzen, um die Insel Southampton zu vermessen.


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