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Southampton.
Auf unsere ersten Expeditionen nahmen wir Tauschartikel mit. Allein wir sind mit der Zeit davon abgekommen. Wir haben herausgefunden, daß die Primitiven in der ganzen Welt Geld kennen und Geld nehmen. Natürlich kann man unter Umständen sehr gute Tauschgeschäfte machen, aber nur unter der Voraussetzung, daß man die richtigen Tauschartikel mit und gerade zur Hand hat. Selbst die »wildesten Wilden« sind heute nicht mehr so unzivilisiert, als daß sie europäischen Waren gegenüber nicht ihren bestimmten Geschmack hätten. Eine Handvoll Glasperlen tut es längst nicht mehr. Glasperlen sind zwar immer noch ein großer Handelsartikel in Afrika, aber man muß wissen, was für Glasperlen gerade Mode sind, welche Farbe, welche Größe, welche Form. Auch in Glasperlen gibt es Moden. Wollte man welche anbieten, die aus der Mode sind, so wäre es dasselbe, wie wenn man einer Europäerin einen Hut vom vorigen Jahr verkaufen wollte. Schlimmer noch: einen unmodernen Hut wird man schließlich noch zu Schleuderpreisen los, Glasperlen, die aus der Mode gekommen, überhaupt nicht. Das gleiche gilt von Stoffen, Decken, Tüchern. Ich kenne eine deutsche Exportfirma, die riesige Verluste dadurch erlitt, daß sie nach Niederländisch-Indien Stoffe für Sarongs schickte, deren Muster aus der Mode waren. Sie wurde sie nicht einmal auf den entlegensten Inseln los.
Wir hatten auf unserer Afrikadurchquerung die Erfahrung gemacht, daß Sicherheitsnadeln fast überall im Innern ein äußerst beliebtes Geschenk sind, freilich nicht, um irgend etwas damit zu befestigen, sondern als – Ohrring; und zwar trägt man sie gleich zu Dutzenden in den weit durchlochten Ohrläppchen. Also nahmen wir auf unsere nächste Expedition nach Australien und in die Südsee Tausende von Sicherheitsnadeln mit. Leider hatten weder die australischen Ureinwohner noch die Südseeinsulaner Verwendung für Sicherheitsnadeln. Seitdem sind wir zu Hause sehr großzügig mit Sicherheitsnadeln. Es kommt uns nicht darauf an, einem Gaste, der vielleicht eine Sicherheitsnadel braucht – wie das ja mitunter vorkommt – gleich ein ganzes Paket zu geben. »Nehmen Sie nur ruhig alle«, sagen wir mit großer Geste, und wenn wir ihn einen Blick auf unseren Vorrat tun lassen, steckt er auch das größte Paket ein, ohne das Gefühl zu haben, uns zu berauben.
In der Südsee wäre dann freilich doch Gelegenheit zu Tauschgeschäften gewesen, wenigstens auf einer weltverlorenen Insel der Karolinen, aber hier wäre der große Handelsartikel Seife gewesen, gegen die es die herrlichsten Schildkrötenschalen und Schnitzereien einzutauschen gab. Wir gaben zwar auf die Gefahr hin, uns bis Ende der Reise nicht mehr waschen zu können, unsern gesamten Seifenvorrat hin, aber er langte doch bei weitem nicht.
Unter diesen Umständen sahen wir davon ab, Tauschartikel in die Arktis mitzunehmen. Kannten die nackten Kavirondos am Viktoria Nyanza und die wilden Papuaner aus dem Innern Neuguineas Geld, so würden es auch die Eskimos kennen.
Aber man lernt doch nie aus, auch wenn man noch so lange reist. Zu unserer maßlosen Verblüffung kannten die Eskimos kein Geld, und wir kamen in der Arktis in ein Land, in dem Banknoten und Münzen so wertlos sind wie bei uns Papierfetzen und Kieselsteine. Wenigstens gilt dies von den östlichen arktischen Inseln zwischen der Hudsonbucht und dem Pol. In Grönland, wo die Dänen bereits seit einigen hundert Jahren sitzen, liegen die Dinge anders, ebenso in Alaska und in der westlichen Arktis. Hier gibt es Eskimos mit Bankkonto. Aber der östliche Teil der kanadischen Arktis ist ja überhaupt eins der unerschlossensten Gebiete der Welt.
So ist es schließlich auch nicht verwunderlich, daß die Eskimos hier noch kein Geld kennen, verwunderlich ist nur, daß auch die Europäer in der Arktis von dieser Gleichgültigkeit dem Gelde gegenüber angesteckt sind. Geld ist hier nicht nur als lebenswichtiger Faktor, sondern sogar als Wertmesser ausgeschaltet. Die wenigen Weißen auf den arktischen Inseln kommen ja allerdings auch, sobald sie einmal hier sind, mit Geld in keiner Weise mehr in Berührung. Die Hudsonbai-Angestellten tauschen Felle gegen Waren, nach einem von der Kompanie aufgestellten Wertmesser, einer Art Pelzgeld, dem der Wert eines Weißfuchses zugrunde liegt, so wie sie einst den Indianern der Hudsonbucht gegenüber nach Biberfellgeld rechneten. Ein Gewehr war zehn, ein Frauenkleid fünf Biber wert, und andere Felle wurden gleich soundso viele Biber gerechnet. Ähnlich rechnet man heute in der Arktis nach Fuchsfellen, wenn auch die Eskimos für ihre Pelze eine Art Spielgeld erhalten, das die Hudson's Bay Company ausgibt und für das sie sich in den Posten Waren eintauschen können. Der Wert größerer und ungewöhnlicher Gegenstände aber, wie etwa ein Walboot, wird unmittelbar mit soundso vielen Weißfüchsen gerechnet.
Was die Hudsonbai-Kompanie-Leute aber für ihren eigenen Bedarf brauchen, entnehmen sie ihren Vorräten, genau wie die paar Konstabler und Korporale der Mounted Police oder die Missionare. Diese Vorräte sind stets für ein paar Jahre berechnet, da man ja nie weiß, ob das Schiff, das einmal im Jahr in die Arktis fährt, durch das Eis durchkommt. So verliert sich das »Denken in Geld«, an das wir alle sonst gewöhnt sind, ja, in dessen Bann heutzutage fast die gesamte Menschheit mehr oder weniger gehalten ist.
Ich mußte jedenfalls in der Arktis zum erstenmal umdenken und nicht in Geld, sondern in Tauschobjekten rechnen, in Waren, die nicht in geldlicher, sondern in lebendiger Beziehung zum Menschen stehen. Im Laden der Hudson's Bay Company lag ein wundervolles Eisbärfell. Als ich danach fragte, erfuhr ich, daß es dem Sohn des Postmanagers gehörte. Der Leiter des Hudsonbai-Kompanie-Postens in Southampton ist einer der ganz wenigen in der Arktis, die verheiratet sind – oder ist er überhaupt der einzige? Allerdings ist er es nicht mit einer Weißen, sondern mit einer Halbblutfrau, die natürlich den Anforderungen des Klimas und des arktischen Lebens ganz anders gewachsen ist. Nun, der eine Sohn dieses Managers hatte den Eisbär geschossen und zu verkaufen. Als ich nach dem Preis fragte, antwortete er mir zu meinem nicht geringen Erstaunen: »Eine Pfeife und ein Paket Tabak!«
Das antwortete mir der Sohn eines Weißen und eines Kaufmanns! Na meinetwegen, dachte ich, freudig überrascht, so billig zu dem schönen Fell zu kommen. Gleichzeitig aber durchzuckte mich der Schreck, wo bekam ich bloß eine Pfeife her? Ich selber rauche kaum, am allerwenigsten Pfeife. Tabak konnte ich ja vom Schiffssteward beziehen, aber eine Pfeife? Augenscheinlich hatte die Hudson's Bay Company keine mehr vorrätig, sonst hätte sich der Sohn des Postmanagers ja nicht an mich zu wenden brauchen. Ich fragte also das ganze Schiff nach einer Pfeife ab, und glücklicherweise konnte ich eine auftreiben. Der Händler der Hudson's Bay Company führte privat für sich einen kleinen Vorrat mit und trat mir eine ab.
So konnte der Handel getätigt werden, ein Eisbärfell gegen eine Pfeife und Tabak. Ich gab sogar zwei Paket Tabak voll Freude über den guten Tausch, und mein Tauschpartner nahm sie mit solchen Dankesbezeugungen entgegen, als hätte nicht ich, sondern er ein wunderbares Geschäft gemacht. Das ist aber wohl der Sinn und die tiefe Bedeutung jedes wahren Tauschhandels im Gegensatz zum reinen Geldgeschäft, daß beide Teile glücklich und zufrieden sind und denken, einen Schatz gegen ein wertloses Objekt eingehandelt zu haben.