Anonym (Frankreich)
Die hundert neuen Novellen
Anonym (Frankreich)

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7. Novelle
Der Fuhrmann im Hintertreffen

Ein Goldschmied aus Paris machte jüngst, um einige Arbeiten seines Handwerks gelegentlich eines Festes von Lindt und Antwerpen fertigstellen zu können, eine reiche, große Bestellung von Weidenkohlen. Eines Tages zeigte der Fuhrmann, der diese Ware ablieferte, ob der großen Eile des Goldschmieds so großen Eifer, daß er zwei Wagen mehr als an den Tagen vorher brachte; doch war er nicht sobald mit seinem letzten Wagen in Paris, als das Tor hinter ihm geschlossen ward. Er ward vom Goldschmied herzlich willkommen geheißen und empfangen, und nachdem er die Kohlen abgeladen und seine Pferde in den Stall gebracht hatte, sollte er behaglich zu Abend essen, und sie ließen es sich alle wohl sein, und das Mahl ging nicht zu Ende, ohne daß sie tüchtig getrunken hätten.

Als die Gesellschaft trefflich gespeist hatte, schlug die Glocke die zwölfte Stunde, worüber sie sich sehr wunderten, so vergnügt war ihnen die Zeit bei diesem Mahl vergangen. Jeder sagte Gott seinen Dank, alle machten ganz kleine Augen und verlangten nach dem Bett. Doch da es so spät war, behielt der Goldschmied seinen Fuhrmann zum Nachtquartier bei sich, da er die Begegnung mit der Wache fürchtete, die ihn ins Gefängnis bringen würde, wenn sie ihn zu dieser Stunde fände. Nun hatte unser Goldschmied zu dieser Stunde so viele Leute, die für ihn arbeiteten, daß er gezwungen ward, den Fuhrmann bei sich und seiner Frau in seinem Bett zu beherbergen. Und da er klug und nicht argwöhnisch war, ließ er seine Frau zwischen sich und dem Fuhrmann liegen.

Nun muß ich euch sagen, daß das nicht ohne große Reden abging, denn der gute Fuhrmann wies aus allen Kräften diese Unterkunft zurück und wollte mit aller Gewalt unter der Bank oder in der Scheune schlafen; doch mußte er sich dem Goldschmied fügen. Nachdem er sich entkleidet hatte, legte er sich ins Bett, in dem schon der Goldschmied und seine Frau, so wie ich bereits sagte, lagen. Als die Frau merkte, daß der Fuhrmann wegen der Kälte und der Enge des Betts sich ihr näherte, rückte sie bald an ihren Mann heran, und anstatt aufs Kopfkissen legte sie ihren Kopf auf seine Brust, und in dem Schoß des Fuhrmanns ruhte ihr dicker Hintern. Es währte nicht lange, da schliefen der Goldschmied und seine Frau und verstellten sich nicht; doch unser Fuhrmann, obwohl müde und abgearbeitet, dachte nicht ans Schlafen.

Denn wie das Füllen warm wird, wenn es die Stute merkt, sich aufrichtet und hochgeht, so tat auch sein Füllen und erhob das Haupt gegen das ihm so nahe liegende Goldschmiedweibchen. Und der Fuhrmann sah sich gezwungen, ganz dicht an sie zu rücken, und verharrte so eine lange Weile, ohne daß die Frau erwachte, sie schien vielmehr fest zu schlafen.

Auch der Mann hätte es nicht bemerkt, wenn nicht der Kopf seiner Frau auf seiner Brust gelegen und durch Ansturm und Drängen des Füllens ihn so kräftig erschüttert hätte, daß er alsbald erwachte.

Er meinte, seine Frau träume, doch das währte allzu lange, und da er den Fuhrmann sich bewegen und kräftig schnaufen hörte, hob er ganz sacht die Hand hoch, und so wohl senkte er sie nieder, daß er zu seinem Schaden und in seinem Tiergarten das Füllen des Fuhrmanns fand, womit er, besonders wegen seiner Frau, nicht sehr zufrieden war. Daher fuhr er eilig auf und sagte zum Fuhrmann: »Was tut Ihr, schändlicher Tropf? Ihr seid, meiner Treu, wohl verrückt, daß Ihr Euch an meine Frau macht. Tut das nicht mehr, ich bitte Euch. Beim Tode Gottes, wäre sie jetzt, wo sie Euer Füllen so zuritt, erwacht, so weiß ich nicht, was sie Euch getan hätte. Ich bin fest davon überzeugt, denn ich kenne sie gut, sie hätte Euch das ganze Gesicht zerkratzt und mit ihren Händen die Augen aus Eurem Kopf gerissen. Ihr wißt nicht, wie sie im Zorn toben kann und daß nichts sie mehr aufbringt, als das, was Ihr getan habt.«

Der Fuhrmann entschuldigte sich kurz, er hätte nicht daran gedacht; und als der Tag kam, erhob er sich, bot seinem Wirt und seiner Wirtin guten Tag, schied und fuhr mit seinem Wagen davon.

Ihr könnt euch denken, ob, hätte die gute Frau die Tat des Fuhrmanns bemerkt, sie ihn noch weit mehr gescholten hätte, als ihr Mann sagte. Obwohl der Fuhrmann später die Geschichte so, wie ihr gehört habt, erzählte und behauptete, sie hätte nicht geschlafen, will ich es nicht glauben und kann diesen Bericht nicht gutheißen.

 


 


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