Anonym (Frankreich)
Die hundert neuen Novellen
Anonym (Frankreich)

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40. Novelle
Die eifersüchtige Metzgerin

Jüngst geschah es zu Lille, daß ein großer Geistlicher und Prediger vom Dominikanerorden durch seine heilige und freundliche Predigt auf die Frau eines Metzgers einen solchen Eindruck machte, daß sie ihm mehr als sonst jemandem in der Welt zugetan ward und niemals recht von Herzen froh war, wenn sie nicht in seiner Nähe weilte. Doch der Meister Mönch ward ihrer schließlich überdrüssig und wollte nichts mehr von ihr wissen und hätte gewünscht, daß sie ihn nicht mehr so oft besuchte; darüber war sie sehr unzufrieden, doch selbst seine Zurückweisung bestärkte sie nur noch mehr in ihrer Liebe.

Als das der Herr Mönch sah, verbot er ihr sein Zimmer und gab seinem Diener den ausdrücklichen Auftrag, ihr nicht mehr, was sie ihm auch sage, den Zutritt zu ihm zu gestatten. Daß sie damit noch viel unzufriedener als früher war, nimmt nicht wunder, sie ward rein toll. Und wenn ihr mich fragt, aus welchem Grunde der Herr Mönch das tat, so antworte ich euch: nicht aus Frömmigkeit, auch nicht, weil er keusch werden wollte; der Grund war vielmehr der, daß er mit einer schöneren, viel jüngeren und reicheren Dame bekannt geworden war, die schon so vertraut mit ihm stand, daß sie den Schlüssel zu seinem Zimmer hatte. Deshalb wußte er es stets so einzurichten, daß die Metzgerin nicht mehr wie sonst zu ihm kam, und es war ihm viel lieber und angenehmer, wenn seine neue Dame kam und sich den Ablaß in seinem Zimmer holte und den Zehnten wie die Frauen von Ostelleria zahlte, von denen ich früher gesprochen habe. Eines Tages wollten sie sich im Zimmer Meister Mönchs nach dem Mittagessen vergnügte Stunden machen; seine Dame versprach, dort zu erscheinen und ihren Teil an Wein wie an Speisen mitzubringen. Auch einige seiner Ordensbrüder sollten mit von der Partie sein, darum lud er zwei oder drei insgeheim dazu. Und Gott weiß, wie lustig es bei diesem Mahle zuging, bei dem man recht wacker trank.

Nun müßt ihr wissen, daß unsere Metzgerin recht gut die Diener dieser Prediger kannte, die sie an ihrem Hause vorübergehen sah, die erst Wein, dann Pasteten und Torten und viele andere schöne Sachen brachten.

Daher konnte sie sich nicht der Frage enthalten, welch Fest man in ihrem Hause feiere. Und ihr ward geantwortet, diese Sachen seien für den und den, das heißt, ihren Mönch, der einige anständige Leute zum Mittagessen bei sich habe.

»Und wer sind sie?« fragte sie.

»Wahrhaftig, ich weiß das nicht«, entgegnete er. »Ich bringe meinen Wein nur bis zur Tür, dann kommt unser Meister und nimmt ihn mir ab. Ich weiß nicht, wer dabei ist.«

»Ach so«, meinte sie, »es ist eine geheime Gesellschaft. Nun geht nur, und bedient sie gut!«

Alsbald kam ein anderer Diener, den sie in gleicher Weise fragte und der ihr ebenso wie sein Genosse antwortete, doch gab er ihr noch eine weitere Auskunft: »Ich glaube«, sagte er nämlich, »dort ist ein Fräulein, das nicht gesehen und erkannt zu werden wünscht!«

Sie wußte gleich, wer das war, und meinte toll vor Ärger zu werden und sagte zu sich, sie wolle wohl achtgeben auf die, die ihren Freund ihr abspenstig gemacht und sich an ihre Stelle gesetzt hatte, und nahm sich vor, wenn sie sie träfe, ihr ordentlich die Meinung zu sagen und das Gesicht zu zerkratzen. Daher machte sie sich auf, um ihren Entschluß auszuführen.

Als sie an den gewünschten Ort gekommen war, dauerte es ihr zu lange, ehe sie diejenige traf, die sie mehr als sonst einen Menschen haßte; sie hatte nicht Ruhe genug zu warten, bis die andere das Zimmer verließ, wo sie es sich so manches Mal hatte wohl sein lassen, sondern beschloß, eine Leiter zu nehmen, die ein Dachdecker, während er zum Mittagessen gegangen war, bei seiner Arbeit hatte stehenlassen. Sie lehnte diese Leiter gerade an den Kamin der Küche des Hauses, in das sie eintreten wollte, um die Gesellschaft zu begrüßen, denn sie wußte recht gut, daß sie auf anderem Wege nicht Zutritt erlangen könnte. Als sie die Leiter dort, wo sie sie haben wollte, aufgestellt hatte, stieg sie bis zum Kamin empor, um den sie recht fest einen mittelstarken Strick, den sie zufällig fand, schlang.

Als sie das, wie ihr schien, ganz trefflich getan, ließ sie sich in den Kamin hinunter, begann hinabzusteigen und sich ein wenig in die Tiefe zu lassen; doch das Schlimme war, sie blieb auf halbem Wege stecken, hatte keine Kräfte mehr, konnte weder nach oben noch nach unten, wie sehr sie sich auch mühte, und all das wegen ihres recht dicken und schweren Hintern und wegen des Stricks, der riß, weshalb sie sich nicht in die Höhe ziehen konnte. So saß sie, Gott weiß, im größten Kummer fest und wußte nicht, was sie tun oder sagen sollte.

Daher kam sie auf den Gedanken, den Dachdecker zu erwarten, sich seiner Barmherzigkeit anzuvertrauen und ihn, wenn er seine Leiter und seinen Strick suchte, anzurufen.

Sie ward recht schön betrogen, denn der Dachdecker ging erst am nächsten Morgen früh an seine Arbeit, weil es sehr stark regnete; sie bekam ihr Teil ab und ward bis auf die Haut naß.

Als es gegen den Abend ging und sehr spät ward, hörte unsere Metzgerin Leute in der Küche plaudern und begann sie zu rufen; sie erstaunten sehr und erschraken, denn sie wußten nicht, wer sie rief und woher die Stimme kam. Obwohl sie recht erschrocken waren, horchten sie doch noch ein Weilchen. Nun hörten sie von neuem sehr kläglich von oben rufen, meinten, es wäre ein Geist, und gingen es ihrem Herrn melden, der im Schlafsaal war, sich aber nicht so tapfer zeigte, um dorthin zu kommen und zu sehen, was es gäbe, sondern alles auf morgen verschob.

Ihr könnt euch denken, wie hübsch geduldig die gute Frau war, als sie die ganze Nacht in diesem Kamin sitzen mußte; glücklicherweise regnete es lange nicht mehr so stark und so heftig wie vorher.

Am andern Tag ging unser Dachdecker ziemlich zeitig an die Arbeit, um den Schaden, den der Regen tags zuvor gemacht hatte, auszubessern. Er war sehr erstaunt, als er seine Leiter an einem anderen Platz als da, wo er sie gelassen, und den Kamin von seinem Strick umschlungen sah. Er konnte sich nicht denken, wer das gemacht hatte, noch wozu. Er wollte seinen Strick holen, stieg die Leiter hinan, kam bis zum Kamin und löste seinen Strick; und zum Glück steckte er seinen Kopf in den Kamin, wo er unsere Metzgerin, einfältiger als eine nasse Katze, sah, worüber er sehr erstaunte.

»Was macht Ihr da, Frau?« fragte er. »Wollt Ihr die armen Mönche hier im Hause bestehlen?«

»Ach, lieber Freund«, entgegnete sie, »meiner Seel, ganz und gar nicht. Ich bitte Euch, helft mir von hier heraus, und ich will Euch geben, was Ihr von mir haben wollt!«

»Oh, ich werde mich wohl hüten, wenn ich nicht weiß, woher Ihr kommt«, erklärte der Dachdecker.

»Ich will's Euch sagen, da Ihr es wollt«, versetzte sie, »doch bitte ich Euch, sprecht zu niemandem davon!«

Nun erzählte sie ihm ausführlich ihren Liebeshandel mit dem Mönch und den Grund, weshalb sie hier war. Der Dachdecker hatte Mitleid mit ihr und, so schwer es auch war, wußte sie doch mit seinem Strick herauszuziehen und beförderte sie hinunter. Und sie versprach ihm, wenn er den Mund hielte, ihm Ochsen- und Hammelfleisch für seine Wirtschaft dieses ganze Jahr lang zu liefern, und tat es auch. Und der andere bewahrte so wohl sein Geheimnis, daß jedermann davon Kunde bekam.

 


 


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