Anonym (Frankreich)
Die hundert neuen Novellen
Anonym (Frankreich)

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32. Novelle
Der Beischlafzehnte

Um des hohen und großen Verdienstes derer teilhaftig zu werden, die an Mehrung und Wachstum der Geschichten dieses Buches eifrig arbeiten, will ich in Kürze ein neues Abenteuer erzählen, wodurch ich mich meiner Pflicht entledige, die Novelle zu erzählen, zu der ich jüngst aufgefordert wurde.

Es weiß jedermann, daß in der Stadt Ostelleria in Katalonien neulich mehrere Minoritenbrüder von der Observanz ankamen, die um ihres schlechten Lebenswandels und ihrer erheuchelten Frömmigkeit willen aus dem Königreich Spanien verjagt und vertrieben wurden. Und sie fanden Gelegenheit, sich Gehör und Zutritt bei dem Herrn der Stadt, der schon alt und hoch bei Jahren war, zu verschaffen, und wußten es, um es kurz zu sagen, so weit zu bringen, daß er ihnen eine sehr schöne Kirche und ein Kloster gründete und erbaute und zeit seines Lebens für sie nach besten Kräften tätig war. Später regierte sein ältester Sohn, der ihnen ebensoviel Gutes wie sein Vater tat. Und sie hatten in wenigen Jahren wirklich solch ein Glück, daß sie alles, was man nach Recht und Billigkeit in einem Bettelmönchskloster verlangen kann, in hinreichender Menge besaßen.

Und damit ihr's wißt, sie waren während der Zeit, da sie diese Güter erwarben, nicht müßig und predigten in der Stadt wie in den benachbarten Dörfern und gewannen das ganze Volk und brachten es so weit, daß es keinen guten Christen gab, der nicht bei ihnen gebeichtet hätte; in solchem Ruf und Ruhm standen sie, daß sie den Sündern ihr Vergehen wohl aufzudecken wußten. Doch wer sie rühmte und in hoher Gunst hielt, das waren die Frauen, die sich ihnen, da sie sie für heilige Leute von großer Mildtätigkeit und tiefer Frömmigkeit hielten, völlig hingegeben hatten.

Nun hört von dem schändlichen Trug und schrecklichen Verrat, den diese falschen Heuchler an den Männern und Frauen übten, die ihnen Tag für Tag solche großen Wohltaten erwiesen. Sie ließen alle Frauen der Stadt wissen, daß sie Gott den Zehnten von allen ihren Gütern zu zahlen gehalten wären, »Wie dem Herrn von der und der Sache, so eurem Pfarrer und Kuratus von der und der. Und nun müßt ihr den Zehnten von den Malen geben, die ihr mit euren Männern fleischlich verkehrt. Wir nehmen von euch keinen andern Zehnten, denn wie ihr wißt, tragen wir nie Geld bei uns. Und wenn wir nicht nach ihm streben, so liegt's daran, daß wir die zeitlichen und vergänglichen Güter dieser Welt für nichts achten. Wir suchen und streben nur nach den geistlichen Gütern. Der Zehnte, den ihr uns schuldet und den wir von euch fordern, gehört nicht zu den zeitlichen Gütern. Er ist vermöge des heiligen Sakraments, das ihr empfangen habt, zu den göttlichen und geistlichen Dingen zu zählen. Und uns allein, niemandem sonst kommt dieser Zehnte zu.«

Die armen, einfältigen Frauen, die diese guten Brüder eher zu den Engeln als zu den Erdenbewohnern zählten, weigerten sich nicht, diesen Zehnten zu entrichten. Es gab keine, die ihn nicht, kam die Reihe an sie, zahlte, von der höchsten bis zur geringsten. Selbst die Gemahlin des Herrn war nicht von ihm befreit. So waren alle Frauen der Stadt diesen kecken Mönchen tributpflichtig, und es gab keinen unter ihnen, der nicht von fünfzehn bis sechzehn Frauen für sein Teil den Zehnten empfing. Und Gott weiß, welche Gaben sie, alles unter dem Schein der Frömmigkeit, bei dieser Gelegenheit von ihnen erhielten.

Dieses Treiben dauerte geraume Zeit, ohne daß es zur Kenntnis derer gekommen wäre, die diesen neuen Zehnten sicherlich verweigert hätten. Gleichwohl kam es endlich doch auf folgende Weise an den Tag: Ein junger, erst kürzlich verheirateter Mann ward mit seiner Frau zum Abendessen zu einem seiner Verwandten gebeten. Und als sie vom Mahle heimgingen, kamen sie vor die Kirche der obenerwähnten guten Franziskaner, als gerade die Glocke das Ave Maria läutete; und der gute Mann kniete auf die Erde, um seine Gebete zu verrichten, und seine Frau sagte zu ihm:

»Wenn's Euch recht ist, möchte ich gern in die Kirche treten, um ein Paternoster und ein Ave Maria zu sagen!«

»Was wollt Ihr denn jetzt da drin?« fragte der Mann. »Ihr könnt doch am Tag hingehen, morgen oder ein andermal!«

»Ich bitte Euch, laßt mich hineingehen!« entgegnete sie. »Wahrhaftig, ich komme gleich zurück.«

»Bei unsrer lieben Frau«, erklärte er, »Ihr werdet jetzt nicht hineingehen!«

»Meiner Seel! Ich muß und muß hinein«, versetzte sie, »ich will mich nicht aufhalten; wenn Ihr Eile habt, nach Haus zu kommen, so geht nur immer voraus, ich komme Euch sofort nach!«

»Voran, voran«, sagte er, »Ihr habt hier nichts zu tun, wollt Ihr ein paar Paternoster und Ave Maria sprechen, so habt Ihr dazu daheim Muße genug, und Ihr könnt es dort ebensogut sprechen wie jetzt in diesem Kloster, wo man keinen Menschen sieht!«

»Zum Teufel!« rief sie, »Ihr könnt sagen, was Ihr wollt, ich muß doch für ein Weilchen hinein!«

»Und warum?« fragte er. »Wollt Ihr mit den Brüdern hier etwa schlafen gehen?«

Sie dachte sicherlich, ihr Mann wüßte wohl, daß sie den Zehnten bezahlte, und antwortete ihm: »Wahrhaftig nein, ich will hier nicht schlafen gehen, sondern zahlen will ich gehen!«

»Was zahlen?« fragte er.

»Ihr wißt es wohl«, entgegnete sie, »und fragt so!«

»Was weiß ich wohl?« versetzte er. »Ich kümmere mich nicht um Eure Schulden!«

»Ihr wißt doch wenigstens«, erwiderte sie, »daß ich den Zehnten zahlen muß.«

»Welchen Zehnten?«

»Nun, das ist gut«, rief sie, »den Zehnten der Nacht von Euch und mir. Ihr habt's gut, ich muß für uns beide zahlen!«

»Und wem zahlt Ihr ihn?« fragte er.

»Dem Bruder Eustach. Geht nur immer heim, laßt mich zahlen gehen, damit ich dessen ledig bin. Es ist eine so große Sünde, ihn nicht zu zahlen, daß ich nicht eher froh bin, als bis ich ihn gezahlt habe!«

»Es ist heute schon zu spät«, erklärte er, »er ist vor einer Stunde schon zu Bett gegangen.«

»Wahrhaftig, ich bin in diesem Jahr schon viel später hiergewesen«, erwiderte sie, »wenn man zahlen will, kann man hier zu allen Stunden eintreten!«

»Wir wollen jetzt heimgehen«, sagte er, »eine Nacht macht dabei nichts!«

So kamen der Mann und die Frau heim, beide sehr unzufrieden, die Frau, daß man sie nicht ihren Zehnten hatte zahlen lassen, und der Mann, der sich so getäuscht sah und ganz benommen von Zorn und Ärger war und, was noch schlimmer, es nicht zu zeigen wagte.

Gleichwohl legten sie sich nach einer Weile zu Bett. Der Mann, ein Schlaukopf, fragte seine Frau lang und breit aus, ob die andern Frauen der Stadt ebenso wie sie den Zehnten entrichteten.

»Wie denn?« sagte sie. »Wahrhaftig, sie tun's; welches Vorrecht sollten sie denn vor mir haben? Wir sind noch unserer sechzehn oder zwanzig, die ihn dem Bruder Eustach zahlen. Ach, er ist so fromm! Und Ihr könnt glauben, es macht ihm große Mühe, und er zeigt dabei eine hochpreisliche Geduld. Bruder Bartholomäus hat ebensoviel oder noch mehr, und unter andern gehört Madame zu seiner Schar. Bruder Jakob hat ebenfalls viele und Bruder Antonius auch. Es gibt keinen von ihnen, der nicht seine bestimmte Zahl hätte!«

»Sankt Johann«, rief der Mann, »sie haben sich nicht geschont. Nun erkenne ich wohl, daß sie viel frommer sind, als sie scheinen, und ich möchte sie wahrhaftig alle, einen nach dem andern, hier festlich bewirten und ihre guten Reden hören. Und da Bruder Eustach den Zehnten dieses Hauses empfängt, so richtet, bitte, für morgen ein gutes Essen her, denn ich will ihn bei uns aufnehmen! «

»Sehr gern«, entgegnete sie, »wenigstens muß ich dann nicht in seine Zelle gehen, um Zahlung zu leisten. Er kann sie hier auch empfangen!«

»Ihr sprecht wohl«, versetzte er, »nun wollen wir schlafen!«

Doch glaubt nicht, daß er daran dachte, und die Stunden bis zum Tage währten ihm lange. Und anstatt zu schlafen, dachte er an das, was er am folgenden Tag ausführen wollte.

Das Mittagessen kam, und Bruder Eustach, der nichts von der Absicht seines Wirts wußte, ließ sich's in seiner Kutte wohl sein. Und vergnügt, wie er war, warf er seine Augen nach der Wirtin und trieb unter dem Tisch heiter das schöne Spiel mit den Füßen, was der Mann sehr gut bemerkte, doch ließ er sich's nicht anmerken, obwohl es zu seinem Schaden war.

Nach dem Dankgebet rief er den Bruder Eustach und sagte ihm, er wolle ihm ein Bild der Mutter Gottes und einen schönen Gebetsstuhl in seinem Zimmer zeigen, und der Mönch antwortete ihm, er würde es gern sehen.

Sie traten hinein, der Wirt schloß die Tür, ergriff dann ein großes Beil und sagte zu unserm Franziskaner: »Beim Tode Gottes, ehrwürdiger Vater, Ihr sollt nur tot aus diesem Zimmer kommen, wenn Ihr nicht die Wahrheit bekennt!«

»Ach, mein lieber Wirt«, rief Bruder Eustach, »ich bitte Euch um Gnade. Was wollt Ihr denn wissen?«

»Ich will Euch nach dem Zehnten fragen«, erklärte er, »den Ihr von meiner Frau empfangen habt!«

Als der Franziskaner vom Zehnten sprechen hörte, dachte er sich gleich, es stehe um ihn nicht gut, doch wußte er nicht zu antworten, schrie nur um Gnade und entschuldigte sich, so gut er konnte.

»Nun sagt mir«, sagte der Wirt, »was ist das für ein Zehnter, den Ihr von meiner Frau und den andern empfangt?«

Der arme Franziskaner war so erschrocken, daß er nicht sprechen konnte, und entgegnete kein Wort.

»Sagt mir, wie sich die Sache verhält«, versetzte der Wirt, »und ich will Euch wahrhaftig gehen lassen und Euch kein Leids antun. Sonst töte ich Euch kalten Bluts!«

Als der andere sich gesichert sah, zog er es vor, die Wahrheit zu bekennen, seine Sünde und die seiner Genossen zu beichten und zu entwischen, statt sie zu verheimlichen und Gefahr zu laufen, sein Leben zu verlieren. Daher erklärte er. »Lieber Wirt, ich bitte Euch um Gnade, ich will Euch die Wahrheit sagen. Es ist wahr, daß meine Gefährten und ich allen Frauen dieser Stadt eingeredet haben, daß sie uns den Zehnten von den Malen, die ihr bei ihnen schlaft, uns schulden. Sie haben uns geglaubt, und so zahlen ihn die Jungen wie die Alten. Von den Verheirateten ist keine ausgenommen. Madame selbst zahlt ihn so gut wie die andern, ihre beiden Nichten ebenfalls, und keine ist von ihm befreit!«

»Ach Teufel«, rief der Wirt, »da der gnädige Herr und so viele anständige Leute ihn zahlen, muß ich ihn auch wohl zahlen, obwohl ich ganz gut ohne ihn leben könnte. Nun geht, ehrwürdiger Vater, damit Ihr von mir den Zehnten erhebt, den meine Frau Euch schuldet.«

Der andere war noch niemals so froh gewesen wie jetzt, da er sich heil draußen sah, und erklärte, er werde ihn niemals mehr erheben; so war es auch, wie ihr hören werdet.

Als der Wirt von dem Franziskaner genau über seine Frau und den Zehntenerheber dieses neuen Zehnten unterrichtet worden war, suchte er den Herrn auf und erzählte ihm ausführlich die Geschichte vom Zehnten, wie sie oben wiedergegeben ist.

Ihr könnt euch denken, daß der sehr erstaunt war, und er sagte: »Mir haben diese Scheinheiligen niemals gefallen, und mein Herz hat es mir richtig gesagt, daß sie innerlich nicht so sind, wie sie sich äußerlich zeigen. Ha, das verwünschte Gesindel! Verflucht sei die Stunde, da mein Herr Vater, dem Gott seine Gnade schenke, sie aufnahm! Nun sind wir durch sie geschändet und entehrt. Und sie werden es je länger, desto schlimmer treiben. Was ist da zu tun?«

»Wahrhaftig, gnädiger Herr«, meinte der andere, »wenn's Euch recht und gut scheint, solltet Ihr alle Eure Untertanen in dieser Stadt versammeln, die Sache geht sie ebenso wie Euch an. Ihr erklärt ihnen dies Geschehnis, und dann könnt Ihr mit ihnen über das Abwehrmittel sprechen, obwohl es schon spät ist!«

Der gnädige Herr beschloß so, sandte nach allen seinen verheirateten Untertanen, und sie fanden sich bei ihm ein. Und im großen Saal seines Hauses tat er ihnen ausführlich die Ursache kund, deretwegen er sie geladen hatte. So wie der gnädige Herr anfangs, als er diese Neuigkeit zuerst vernahm, äußerst erstaunt war, waren es auch diese guten Leute, die sich hier eingefunden hatten.

Die einen sagten: »Man muß sie töten«; die andern: »Man muß sie hängen«; die dritten: »Ertränken.« Die vierten erklärten, sie könnten nicht glauben, daß es Wahrheit sei, sie seien doch allzu frornm und führten einen heiligen Lebenswandel. So redeten die einen weitläufig von dem einen, die andern von dem andern.

»Ich will euch etwas sagen«, erklärte der Herr, »wir werden unsere Frauen hierherholen lassen, und Meister Johann, den ihr alle kennt, soll eine kleine Rede halten und darin schließlich auf die Zehnten zu sprechen kommen und sie in unser aller Namen fragen, ob sie sie bezahlt hätten, denn wir wünschten, daß sie bezahlt würden - dann werden wir ja ihre Antwort hören!«

Und nachdem sie darüber gesprochen hatten, stimmten sie alle dem Rat und der Ansicht des gnädigen Herrn bei. Daher wurden alle verheirateten Frauen der Stadt herbeigeholt und kamen in den Saal, wo alle ihre Männer waren. Der gnädige Herr selbst ließ Madame kommen, die ganz erstaunt darüber war, diese Volksversammlung zu sehen. Ein Gerichtsdiener gebot im Namen des Herrn Schweigen. Und Meister Johann setzte sich an seinen etwas erhöhten Platz und begann seine kleine Ansprache, wie folgt: »Liebe Frauen und Fräulein, ich bin vom gnädigen Herrn, der hier anwesend ist, und von den Mitgliedern seines Rats beauftragt, euch in Kürze die Ursache mitzuteilen, derentwegen ihr euch hier habt einfinden müssen. Der gnädige Herr nämlich, sein Rat und sein Volk, das hier versammelt ist, haben eben ein kleines Kapitel über ihre Gewissenspflicht gehalten. Der Grund ist der, daß sie vor Gott beschlossen haben, in kurzer Zeit eine schöne, feierliche Prozession zum Lobe unseres Herrn Jesu Christ und seiner ruhmreichen Mutter zu veranstalten und am selben Tag sich samt und sonders in gutem Stande zu zeigen, damit ihre demütigen Gebete noch besser erhört und ihre Werke an diesem Tag Gott noch wohlgefälliger seien. Ihr wißt sehr gut, daß wir Gott sei Dank zu unsern Lebzeiten keine Kriege gehabt haben, während unsere Nachbarn schrecklich davon verfolgt sind, ebensowenig haben wir unter Pestilenz und Hungersnot gelitten. Wenn die andern damit gestraft worden sind, so konnten wir sagen und sagen noch, daß Gott uns davor bewahrt hat. Mit Recht erkennen wir, daß das nicht von unsern eigenen Tugenden kommt, sondern allein von der großen und reichen Gnade unseres gesegneten Erlösers, der uns zu den frommen Gebeten in unserer Pfarrkirche ruft und einlädt, auf die wir fest vertrauen und bauen. Das fromme Franziskanerkloster dieser Stadt hat uns viel genützt und nützt uns noch zur Bewahrung der obengenannten Güter. Deshalb wollen wir von euch wissen, ob ihr euch dessen entledigt habt, wozu ihr gehalten seid. Und obschon wir bestimmt glauben, daß ihr die Verpflichtungen gegen die Kirche fest im Gedächtnis habt, so wird es euch doch nicht unlieb sein, wenn wir euch zur größten Sicherheit noch einmal einige der wichtigsten Punkte darlegen; viermal im Jahr wenigstens, nämlich an den vier Hauptfesttagen, müßt ihr bei einem Priester oder einem Mönch, der die Vollmacht hat, beichten. Und wenn ihr jedesmal euren Schöpfer empfangt, so würde das sehr wohlgetan sein. Zweimal oder wenigstens einmal müßt ihr es tun. Geht zum Opfer alle Sonntage und zu jeder Messe. Zahlt treulich den Zehnten Gott, an Früchten, Hühnern, Lämmern und Schweinen und anderen derartigen hergebrachten Dingen. Ihr schuldet außerdem noch einen anderen Zehnten den frommen Mönchen des Klosters des heiligen Franz, der, wie wir ausdrücklich wünschen, gezahlt werden soll. Er liegt uns am meisten am Herzen, und von ihm wollen wir ausführlicher sprechen. Und gibt es eine unter euch, die ihrer Pflicht nicht gut nachgekommen ist, aus Nachlässigkeit oder weil man den Zehnten zu fordern vergessen hat, so beeile sie sich, ihn zu bezahlen. Ihr wißt, diese guten Mönche können nicht in eure Wohnungen kommen, um den Zehnten zu holen, es würde ihnen allzu große Mühe und allzuviel Unruhe machen. Wir müssen ihnen deshalb schon für die Mühe, daß sie ihn empfangen, dankbar sein. Das hatte ich euch zu sagen. Wir wollen jetzt nur noch die Namen derer wissen, die gezahlt haben und derer, die ihn noch schuldig sind!«

Meister Johann hatte kaum geendet, da begannen mehr als zwanzig Frauen einstimmig zu rufen: »Ich hab gezahlt, ich; ich hab auch gezahlt; ich bin nichts schuldig; auch ich nicht, ich auch nicht!« Hundert andere Frauen, beinahe alle insgesamt, erklärten, sie seien nichts schuldig. Vier oder sechs schöne junge Frauen traten vor und sagten, sie hätten so wohl gezahlt, daß sie noch ein Guthaben für die Zukunft hätten, die eine vier-, die andere sechs-, die dritte zehnmal. Anderseits sagten, ich weiß nicht wieviel, alte Weiber kein Wort. Und Meister Johann fragte sie, ob sie ihren Zehnten wohl bezahlt hätten, und sie antworteten, sie hätten mit den Franziskanern einen Vertrag gemacht.

»Wie«, sagte er, »zahlt ihr nicht? Ihr solltet die andern dazu ermahnen und nötigen, und begeht selbst den Fehler?«

»Teufel, die Schuld liegt nicht bei mir«, erklärte die eine, »ich hab mich viele Male erboten, meine Pflicht zu erfüllen, doch mein Beichtiger wollte sich niemals dazu verstehen. Er sagte stets, er habe keine Zeit!«

»Sankt Johann«, riefen die anderen Alten, »wir haben mit ihnen einen Vertrag geschlossen, ihnen den Zehnten, den wir schulden, in Leinwand, Tuch, Kissen, Polstern, Kopfkissen und anderen derartigen Sachen zu entrichten, und zwar auf ihren Rat und ihr Geheiß, denn wir würden lieber als die andern zahlen.«

»Bei unserer lieben Frau«, meinte Meister Johann, »das läßt sich wohl hören, das ist sehr wohlgetan!«

»Nun können sie wohl gehen, gnädiger Herr, nicht wahr?« fragte Meister Johann.

»Ja«, antwortete er, »doch wie dem auch sei, dieser Zehnte soll nicht vergessen werden.«

Als sie alle den Saal verlassen hatten, wurde die Tür verschlossen. Jetzt sah jeder den andern an.

»Was ist da zu tun?« fragte der Herr, »Wir sind des Verrats, den diese schurkischen Mönche an uns verübt haben, durch einen von ihnen und unsere Frauen versichert. Es bedarf keines weiteren Zeugnisses!«

Nach vielen verschiedenen Meinungen ward zuletzt der Beschluß gefaßt, Feuer ans Kloster zu legen und Mönche und Kloster zu verbrennen. Daher stiegen sie hernieder in die Stadt, kamen zum Kloster, holten den Leib des Herrn und einige andere Reliquienkästchen heraus und brachten sie in die Pfarre; dann legten sie ohne Zögern Feuer an verschiedenen Stellen im Kloster an und gingen nicht eher davon, als bis alles verzehrt war, Mönche und Kloster und Kirche und Schlafsaal und die andern Gebäude, deren es viele in den Mauern gab. So erkauften die armen Franziskaner den nicht hergebrachten und von ihnen aufgelegten Zehnten teuer. Gott selbst, der es nicht mehr ansehen konnte, hat deshalb ihr Haus verbrannt.

 


 


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