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Da die Geschichten von den Eseln nun zu Ende erzählt sind, will ich kurz und wahrheitsgemäß etwas recht Hübsches von einem Ritter erzählen, den die meisten von euch, ihr guten Herren, seit langer Zeit kennen. Dieser Ritter nämlich bemühte sich, wie es häufig bei jungen Leuten vorzukommen pflegt, um eine schöne, schmucke, junge Dame, die in dem Teil des Landes, in dem sie wohnte, des höchsten Ansehens sich erfreute. Doch trotz allen seinen Bewerbungen, freundlichen Mienen und ergebenen Dienstleistungen vermochte er nicht ihre Huld zu erlangen und von ihr in Gnaden aufgenommen zu werden; deshalb war er recht mißgestimmt, da er sie doch so heiß, treu und innig liebte, wie nur je eine Frau geliebt worden war. Man darf auch nicht vergessen, daß er für sie alles tat, was nur je ein Liebhaber für seine Dame getan; er trug ihre Farben im Turnier und hatte sie zu seiner Herrin auserkoren. Trotzdem, wie gesagt, fand er seine Dame stets hart und unzugänglich, und sie zeigte sich ihm gegenüber weit weniger liebenswürdig, als sie es nach Recht und Billigkeit hätte tun müssen, zumal sie genau wußte, daß sie von ihm innig, treu und zärtlich geliebt wurde. Sie war gegen ihn auch, um der Wahrheit die Ehre zu geben, allzu hart, und zwar, wie man meinte, aus Stolz, denn sie war weit unnahbarer, als es, wie man sagte, ihr zukam.
Während nun die Dinge, wie erzählt, standen, bemerkte eine andere Dame, die Nachbarin und Freundin der erwähnten, die Bewerbung des Ritters, ward von leidenschaftlicher Liebe zu ihm ergriffen und wußte es auf geschickte Weise, die hier mitzuteilen zu weit führen würde, den guten Ritter merken zu lassen; doch er schenkte ihr keine weitere Aufmerksamkeit, so sehr fesselte ihn seine spröde und strenge Herrin. Er hielt sich klug von der in ihn verliebten Dame zurück, damit die andere nicht die Gunstbezeigung gewahr würde und einen Grund hätte, ihrem Liebhaber einen Vorwurf zu machen. Nun hört, wie dieser Liebeshandel weiterging und endete.
Der gute verliebte Ritter, der wegen der Entfernung nicht so oft, wie es sein treues und liebeglühendes Herz begehrte, bei seiner Dame weilen konnte, kam eines Tags auf den Einfall, seine guten Freunde, die aber von seiner Verliebtheit nichts wußten, zu bitten, zu ihrer Belustigung auf die Hasenjagd in den Teil des Landes, in dem seine Dame wohnte, zu gehen. Er hatte nämlich durch seine Späher erkundet, daß ihr Mann nicht daheim, sondern an den Hof gezogen war, wo er oft weilte, ebenso wie der Held dieser Geschichte.
Wie dieser verliebte Ritter und seine Genossen es sich vorgenommen hatten, verließen sie am nächsten Tage ganz früh die gute Stadt, in der der Hof sich aufhielt, und vertrieben sich, ohne zu essen und zu trinken, mit der Hasenjagd die Zeit bis zur dritten Stunde des Nachmittags. Dann ritten sie in großer Eile in ein kleines Dorf, um etwas zu essen, und nach dem kurzen und kargen Mahl stiegen sie wieder zu Pferde und jagten von neuem auf Hasen. Der gute Ritter, dem nur eins im Sinne lag, führte die Gesellschaft, so gut er konnte, immer weiter weg von der guten Stadt, in die seine Gefährten gern zurückzukehren wünschten; sie sagten ihm oft: »Die Vesper naht, und es ist Zeit, in die Stadt zurückzukehren; wenn wir so weitermachen, werden wir ausgeschlossen und müssen in irgendeinem elenden Dorf, in dem wir nichts zu essen bekommen, Unterkunft suchen.«
»Ihr braucht euch nicht zu ängstigen«, erklärte unser Verliebter, »es ist noch Zeit genug. Und schließlich weiß ich auch einen Ort in dieser Gegend, wo man uns sehr freundlich aufnehmen wird. Ich will euch sagen, daß es nur auf euch ankommt, wenn uns Damen festlich bewirten sollen.«
Da Hofleute sich gern mit Damen zusammenfinden, waren sie es zufrieden, sich nach dem Wunsch dessen, der sie auf den Weg gebracht hatte, zu richten, und vertrieben sich den ganzen Tag noch die Zeit mit der Jagd auf Hasen und Rebhühner.
Als nun die Stunde, da sie ins Quartier ziehen wollten, gekommen war, sagte der Ritter zu seinen Genossen: »Wohlan, folgt mir, ich werde euch führen.« Ungefähr ein oder zwei Stunden vor der Nacht kamen sie an den Ort, wo die obenerwähnte Dame wohnte, in die der Führer der Gesellschaft so heftig verliebt war, daß er deshalb manche Nacht keinen Schlaf finden konnte. Man klopfte an das Tor des Schlosses, und alsbald kamen Diener heraus, die nach ihrem Begehren fragten. Und derjenige, der alles ins Werk gesetzt hatte, nahm das Wort und fragte sie: »Sind der gnädige Herr und Madame daheim, ihr Herren?«
»Der gnädige Herr«, antwortete einer für alle, »ist nicht daheim, wohl aber Madame.«
»So sagt ihr, bitte, daß die und die Ritter und Edelleute vom Hofe und ich in dieser Gegend zu unserer Belustigung auf der Hasenjagd waren, daß wir uns verirrt haben und nun zu dieser späten Stunde nicht mehr in die Stadt kommen können. Daher bitten wir sie, uns heute als Gäste aufnehmen zu wollen.«
»Ich will es gern ausrichten«, erklärte er. Er brachte diese Nachricht seiner Herrin, die, ohne zu ihnen zu kommen, folgendes ausrichten ließ: »Gnädiger Herr«, erklärte der Diener, »Madame läßt Euch sagen, ihr gnädiger Herr Gemahl ist nicht daheim, was ihr sehr leid tut, denn wäre er zu Haus, so würde er Euch gern aufnehmen. In seiner Abwesenheit könne sie aber niemanden empfangen, und sie läßt Euch deshalb um Entschuldigung bitten.«
Ihr könnt euch denken, daß der Ritter, der die Gesellschaft führte, sehr erstaunt und beschämt über diese Antwort war, da er gedacht hatte, nach Herzenswunsch seine Geliebte sehen und ihr sein volles Herz ausschütten zu können, worin er sich nun arg getäuscht sah; und noch viel mehr wurmte es ihn, seine Genossen an einen Platz geführt zu haben, wo er sich eines freudigen Willkomms gerühmt hatte.
Als kluger und wohlgebildeter Ritter zeigte er indes nicht, was sein armes Herz bedrückte, sondern sagte vielmehr unbekümmert zu seinen Genossen: »Verzeiht mir, ihr edlen Herren, daß ich euch den Weg habe machen lassen; ich hielt die Damen dieses Landes nicht für so wenig höflich, den irrenden Rittern Quartier abzuschlagen. Geduldet euch, ich verspreche, euch wahr und wahrhaftig an einen andern Ort ein wenig weiter im Land zu führen, wo man uns ganz anders empfangen wird.«
»Voran denn«, riefen die andern, »laßt uns ordentlich die Pferde spornen, und Gott schenke uns gutes Glück.«
Sie machten sich auf den Weg; ihr Führer wollte sie zu dem Haus der Dame geleiten, die ihn hochhielt und um die er sich viel weniger, als er billig hätte tun müssen, kümmerte. In dieser Stunde beschloß er, sich gänzlich aller Liebe zu der, die seine Gesellschaft so schnöde abgewiesen und ihm so wenig seine treuen Dienste vergolten hatte, zu entschlagen, und er nahm sich vor, diejenige, die ihm in so hohem Maße ihr Wohlwollen gezeigt hatte und bei der er sich nach Gottes Willen bald zu finden hoffte, von ganzem Herzen zu lieben, ihr zu dienen und zu gehorchen.
Um es kurz zu machen: die Gesellschaft, der mehr als gute anderthalb Stunden lang ein kräftiger Regen den Rücken geschlagen hatte, kam an das Haus der Dame, von der ich eben sprach. Man klopfte kräftig an das Tor, denn es war schon sehr spät, in der neunten oder zehnten Nachtstunde ungefähr, und sie fürchteten sehr, daß die Leute im Schloß sich schon zur Ruhe gelegt hätten. Diener und Mägde, die sich eben schlafen legen wollten, kamen hervor und fragten, was es gebe. Und man gab ihnen Auskunft. Sie meldeten es ihrer Herrin, die schon im Unterrock war und ihre Nachtmütze aufgesetzt hatte, und sagten ihr: »Madame, vor dem Tor steht der gnädige Herr von Soundso und bittet um Eintritt, und mit ihm einige andere Ritter und Edelleute vom Hof, drei an der Zahl.«
»Sie sollen herzlich willkommen sein«, erklärte sie, »voran, voran, ihr Leute, laßt Kapaunen und Hühner schlachten, und was wir sonst Gutes haben, und laßt es schnell herrichten!« Kurz, sie traf schnell alle nötigen Anordnungen, wie ihr bald hören werdet, denn sie war und ist noch eine wackere, wohlgewandte Frau. Sie warf schnell ihr Nachtgewand über, schmückte sich, so gut sie konnte, und ging, zwei Fackeln vor sich, nur von einer einzigen Kammerfrau, einem sehr schönen Mädchen, begleitet, zu den Herren, während die andern die Zimmer herrichteten. Sie traf auf ihre Gäste an der Schloßbrücke, und der edle Ritter, der so hoch in ihrer Gunst stand, trat als Führer der andern vor und küßte sie, indem er sich zu erkennen gab, und danach küßten alle die andern sie in gleicher Weise.
Als eine wohlgebildete Frau sagte sie zu den obenerwähnten Herren: »Ihr seid, edle Herren, herzlich willkommen, euren Führer kenne ich schon lange, und ich bitte ihn, mich mit euch bekannt zu machen.«
Um es kurz zu machen, nach erfolgter Vorstellung ward alsbald das Nachtmahl aufgetragen, und jeder von ihnen in einem schönen, guten, mit Teppichen und allen anderen Sachen wohlausgestatteten Zimmer untergebracht.
Nun muß ich euch sagen, daß, während das Nachtmahl zubereitet ward, die Dame und der gute Ritter sich eifrig und lange miteinander unterhielten und schließlich übereinkamen, in der Nacht das Bett zu teilen, denn zum guten Glück war der Mann nicht daheim, sondern mehr als vierzig Meilen weit. Während das Mahl zubereitet wird, diese Gespräche geführt werden und man in größter Fröhlichkeit am Tisch sitzt, wollen wir uns zu der Dame wenden, welche die obenerwähnte Gesellschaft von ihrem Haus gewiesen und auch den, der sie, wie sie wohl wußte, mehr als alles andere auf der Welt liebte, und die sich so unhöflich, wie man es schlimmer hätte gar nicht sein können, ihnen gegenüber gezeigt hatte. Sie fragte, als ihre Leute ihre Botschaft ausgerichtet hatten und zu ihr zurückgekommen waren, was der Ritter geantwortet habe. Und einer erklärte ihr: »Madame, er machte es sehr kurz und sagte, er werde seine Leute zu einem Ort weiter im Land führen, wo man sie aufnehmen und ihnen einen besseren Empfang bereiten würde.«
Sie dachte sofort, das könne nur ein bestimmter Ort sein, und sagte zu sich: »Aha, er hat das Haus jener aufgesucht, die, wie ich wohl weiß, ihn sehr gern sieht.« Und während dieser Gedanke sie erfaßte und beherrschte, wandelte sich plötzlich ihr starrer Sinn, den sie so lange ihrem Liebhaber gezeigt hatte, in eine herzliche und warme Neigung, und sie hätte in dieser Stunde allen Wünschen ihres Liebhabers sanftmütig und liebevoll nachgegeben, so geht's im Leben. Aus Ärger darüber, daß die Dame, bei der die Gesellschaft weilte, sich dessen, den sie so lange schlecht behandelt hatte, erfreuen sollte, schrieb sie eigenhändig ihrem Liebhaber einen Brief, dessen größter Teil mit ihrem kostbaren Blut geschrieben und dessen Inhalt war, er solle, sobald er diesen Brief gesehen, sich um nichts anderes mehr kümmern, sondern mit dem Boten ganz allein zu ihr kommen, und er werde so freundlich aufgenommen werden, daß kein anderer Liebhaber zufriedener als er mit seiner Dame sein könnte.
Der Bote, ein zuverlässiger Mann, nahm den Brief und fand an dem obenerwähnten Ort den Ritter neben seiner Wirtin und die ganze Gesellschaft beim Abendessen. Bald nach dem Dankgebet zog er ihn beiseite, gab ihm den Brief und sagte, er solle sich nichts anmerken lassen, sondern nur nach dem Inhalt handeln. Als der gute Ritter den Brief gesehen hatte, war er sehr erstaunt und noch mehr erfreut; denn obwohl er überlegt und beschlossen hatte, sich der Neigung und Liebe zu der, die ihm schrieb, zu entschlagen, war er doch nicht so völlig umgewandelt, daß er nicht andern Sinns geworden wäre, als er in diesem Brief las, sein Wunsch solle ihm gewährt werden. Er nahm seine Wirtin beiseite und sagte ihr, sein Herr lasse ihn eilig zu sich rufen, er müsse sofort aufbrechen, und tat darüber sehr mißvergnügt. Sie, die vorher die Heiterkeit selbst in der Erwartung dessen, was sie so sehr begehrte, gewesen war, wurde jetzt traurig, bekümmert und verdrießlich. Er stieg zu Pferde, ließ seine Genossen zurück und kam mit dem Boten bald nach Mitternacht zum Schloß seiner Dame, deren Mann kurz zuvor vom Hof heimgekehrt war und sich anschickte, zur Ruhe zu gehen, worüber, weiß Gott, diejenige, welche ihren Liebhaber durch ihre Botschaft hatte holen lassen, nicht im geringsten erfreut war. Der gute Ritter, der den ganzen Tag einmal wegen der Hasenjagd, dann wegen der Quartiersuche im Sattel gesessen hatte, erfuhr am Tor, der Gemahl seiner Dame sei heimgekommen, worüber, wie ihr euch denken könnt, sein Herz ebenfalls jauchzte. Nun fragte er seinen Führer, was zu tun sei. Sie beratschlagten miteinander und kamen auf den Gedanken, er solle so tun, als wäre er von seinen Genossen abgekommen und hätte zu seinem Glück diesen Führer gefunden, der ihn zu diesem Schloß gewiesen hätte. Gesagt, getan! Zu seinem Unglück fand er den gnädigen Herrn und Madame und führte sich, so gut er konnte, mit seinem Vorwand ein. Nachdem er einen Trunk getan hatte, der ihn wenig freute, führte man ihn zur Ruhe in sein Zimmer, wo er die ganze Nacht wach lag und am nächsten Tage morgens mit seinem Wirt an den Hof zurückkehrte, ohne in irgendeinem Punkt nach dem Inhalt des obenerwähnten Briefes gehandelt zu haben. Ich will euch nur sagen, daß er auch zur andern später nicht mehr zurückkehrte, denn der Hof verließ das Land und alles war, wie es oft kommt, vorüber und vergessen.