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Wahr und gewiß lebte vor kurzem an einem Ort dieses Landes, den ich mit gutem Grunde nicht nennen kann - hoffe auch, daß, wenn ihn jemand kennt, er ihn wie ich verschweigt -, ein Herr Pfarrer, dessen Herzenslust es war, die Frauen seiner Gemeinde beichten zu lassen. Nicht eine ließ er sich dabei entgehen, besonders von den jüngsten; um die alten kümmerte er sich nicht. Als er lange Zeit dieses heilige Leben geführt und in dieser frommen Übung fortgefahren und sein Ruf sich über das ganze Land und die Umgebung verbreitet hatte, ward er durch eins seiner Gemeindekinder, dessen Frau er nun ausgerechnet nicht zu nahegetreten war, so gestraft, wie ihr hören werdet.
Er war eines Tages im Hause seines eben erwähnten Gemeindekindes zum Mittagessen geladen, und es ging dabei fröhlich her. Und als sie beim besten Tafeln waren und sich's von ganzem Herzen wohl sein ließen, seht, da kam ein Mann, Hodenschneider mit Namen, der sich damit abgab, an den Leuten kleine Operationen vorzunehmen, Zähne zu ziehen, und eine große Menge ähnlicher Dinge trieb; ich weiß nicht, was ihn zu dem Hausherrn führte.
Der Wirt heißt ihn vergnügt willkommen, läßt ihn niedersitzen, und er stopft sich, ohne sich lange bitten zu lassen, zusammen mit unserem Pfarrer und den andern voll. Und da es schon spät war, hatte er Mühe, sie, die sich schon vorher so kräftig gestärkt hatten, einzuholen. Der Herr Pfarrer, ein sehr lustiger Geselle und feiner Kopf, richtete das Wort an diesen Hodenschneider, fragte ihn nach seinem Geschäft und andern Dingen, und der antwortete ihm, so gut er konnte. Schließlich wandte sich der Herr Pfarrer an den Wirt und sagte ihm ins Ohr: »Wollen wir uns nicht über diesen Hodenschneider lustig machen?«
»O ja, gern«, erwiderte der Wirt, »doch wie könnten wir's machen?«
»Meiner Seel«, versetzte der Pfarrer, »wir könnten ihn uns recht gut vornehmen, wenn Ihr mir dabei helfen wollt.«
»Das möcht ich von ganzem Herzen«, erklärte der Wirt.
»Ich will Euch sagen, wie wir's machen wollen«, sagte der Pfarrer. »Ich werde so tun, als hätte ich schlimme Hoden, und ihn bitten, sie mir abzunehmen. Ich werde mich auf den Tisch legen und festbinden lassen, damit er sie mir wegschneiden kann. Wenn er dann kommt und sehen will, was er zu tun hat, richte ich mich auf und zeige ihm den Hintern.«
»Das ist ein guter Gedanke«, versetzte der Wirt, der dabei dachte, was jener tun wollte, täte er besser nicht. »Wir wollen mit den andern sprechen und werden Euch gern bei diesem Scherz helfen.«
»Schön«, sagte der Pfarrer. Danach sprach der Herr Pfarrer von dem und jenem zu unsrem Hodenschneider und sagte ihm endlich, er habe, weiß Gott, solch einen Menschen wie ihn nötig, denn einer seiner Hoden sei ganz brandig und zerfressen; da sich jener nun gut darauf verstehe, habe er also den Menschen, der sie ihm geschickt ausschneiden könne, gefunden. Und das sagte er so trocken, daß es der Hodenschneider wirklich für lautere Wahrheit hielt.
Er entgegnete ihm: »Herr Pfarrer, ich möchte keinem zu nahe treten und nicht viel Worte von meiner Kunst machen, doch das dürft Ihr mir glauben, kein Mensch in diesem Lande könnte Euch besser helfen als ich. Und aus Liebe zu unsrem Wirt werde ich, wenn Ihr Euch in meine Hände geben wollt, mir solche Mühe dabei geben, daß Ihr vollkommen zufrieden sein sollt.«
»Das nenne ich wirklich gut gesprochen«, meinte der Pfarrer.
Um es kurz zu machen: sie verständigten sich darüber, bald danach wurde der Tisch abgeräumt, und der Meister Hodenschneider begann seine Vorbereitungen für seine Arbeit zu treffen, und der gute Pfarrer rüstete sich anderseits für diesen Schwank, der für ihn nicht gut ablaufen sollte, und sprach zu dem Wirt und den andern, wie es ausgehen sollte.
Und während von beiden Seiten die Vorkehrungen getroffen wurden, kam der Wirt zum Hodenschneider und sagte ihm: »Merk wohl auf! Was der Pfarrer, wenn du ihn hältst, um seinen Hoden zu schneiden, auch sagen möge, schneide sie ihm alle beide glatt weg, und tue es ordentlich, wenn dir dein Leben lieb ist.«
»Heiliger Martin, ich will's tun«, erklärte der Hodenschneider, »da es Euch so beliebt. Ich habe ein so sicheres und scharfes Instrument, daß ich Euch, ehe er Zeit hat, nur ein Wörtchen zu sagen, seine Testikeln wegschneide.«
»Ich werde ja sehen, was du kannst«, meinte der Wirt. Alles war bereit und der Tisch herbeigetragen. Der Herr Pfarrer war im Wams, tat sehr schmerzerfüllt und versprach dem Hodenschneider guten Lohn. Der Wirt sowie der Diener des Hauses, die den guten Pfarrer halten und darauf achtgeben sollten, daß er ihnen nicht entwische, gingen ans Werk. Und sie banden ihn, um ihn noch sicherer zu haben, sehr fest und erklärten ihm, sie täten es nur, um den Scherz noch weiter zu treiben, und würden ihn, wenn er es wünsche, sofort loslassen. Und er in seiner Einfalt glaubte es ihnen auch.
Nun kam der tüchtige Hodenschneider, sein kleines scharfes Messer in der Hand verborgen, und wollte an die Hoden des Herrn Pfarrers.
»Macht Eure Sache gut, zum Teufel«, sagte der Herr Pfarrer, »faßt sie, so sacht Ihr könnt, dann will ich Euch schon sagen, welche Ihr mir wegschneiden sollt.«
»Schön«, versetzte der Hodenschneider, und nun hob er ganz sachte das Hemd, nahm die großen eckigen Hoden und schnitt sie ihm auf einmal, ohne noch weiter zu fragen, plötzlich beide weg. Der gute Pfarrer schrie und tobte, wie nur je ein Mensch tat.
»Holla, holla«, rief der Wirt, »seid doch ruhig, seid doch still, was geschehen ist, ist geschehen, laßt Euch nun verbinden.«
Darauf tat der Hodenschneider alles, was er in einem solchen Fall tun konnte, nahm Abschied und ging in der Erwartung des Lohns, den ihm der Wirt geben würde, schnell von dannen.
Ob der Herr Pfarrer, als er sich so verstümmelt sah, sehr betrübt war, braucht man nicht zu fragen. Er schob alle Schuld an seinem Unglück auf den Wirt, doch Gott weiß, wie gut der sich rechtfertigte; er sagte ihm auch, hätte sich der Hodenschneider nicht so schnell davongemacht, so würde er ihn jämmerlich zugerichtet haben. »Glaubt Ihr«, rief er, »mir ginge Euer Unglück nicht nah, und um so mehr, weil es in meinem Haus geschah?«
Diese Neuigkeit lief schnell durch die ganze Stadt, und man braucht nicht zu sagen, daß einige Demoisellen sehr betrübt darüber waren, daß sie das Werkzeug des Herrn Pfarrers eingebüßt hatten; andererseits waren aber auch die kummervollen Gatten so froh, daß man euch nicht den zehnten Teil ihrer Freude hier aufzeichnen könnte. So, wie ihr gehört habt, ward der Herr Pfarrer, der so viele andere getäuscht und betrogen hatte, gestraft. Und seitdem wagte er niemals mehr, sich unter den Leuten sehen zu lassen, sondern endete einsam und voller Schwermut bald danach seine schmerzensreichen Tage.