Anonym (Frankreich)
Die hundert neuen Novellen
Anonym (Frankreich)

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60. Novelle
Die neuen Minoritenbrüder

Vor kurzem lebten in der Stadt Mecheln drei Demoisellen, Frauen von drei reichen, angesehenen Bürgern, lustigen Gesellen; und sie waren in drei Minoritenbrüder verliebt; um jedoch ihrem Liebeshandel sicherer und geheimer nachgehen zu können, erhoben sie sich, scheinbar fromm, jeden Tag ein oder zwei Stunden vor dem Morgen, und wenn ihnen die Stunde, wo sie ihre Liebhaber sehen konnten, gekommen schien, erklärten sie ihren Männern, sie gingen zum Frühgebet und zur ersten Messe. Und da sie an dem Handel große Freude hatten und die Mönche ebenfalls, geschah es oft, daß der helle Tag sie überraschte und sie nicht wußten, wie sie aus dem Haus kommen könnten, ohne daß die andern Mönche sie gewahr würden.

Da sie fürchteten, sie könnten große Gefahr laufen und es würden sich diesem Liebeshandel Schwierigkeiten in den Weg legen, kamen sie allesamt zu dem Entschluß, sich Mönchskutten zu beschaffen und große Tonsuren auf ihren Köpfen rasieren zu lassen, als gehörten sie zum Kloster. Eines Tags, während ihre Männer an nichts Arges dachten, fanden sie sich in den Zellen ihrer Freunde ein, und man schickte nach einem verschwiegenen Barbier, das heißt einem Klosterbruder, der jeder Demoiselle auf dem Kopf eine Tonsur rasierte. Und als es ans Scheiden ging, zogen sie ihre Gewänder, die man ihnen gefertigt hatte, an, kehrten in diesem Aufzuge nach Hause zurück, zogen sich um und legten ihre geistlichen Kleider bei einigen ins Vertrauen gezogenen alten Frauen nieder und gingen dann zu ihren Gatten. Und das trieben sie lange Zeit, ohne daß es jemand bemerkte. Und da es schade gewesen wäre, wenn solch eine fromme Übung und Arbeit unbekannt geblieben wäre, fügte es das Schicksal, daß eines Tages, als eine dieser Bürgerinnen sich auf den Weg zu dem gewohnten Stelldichein gemacht hatte, der Trug aufgedeckt und sie in ihrer Wohnung durch ihren Gatten, der ihr gefolgt war, ertappt wurde; und er sagte zu ihr: »Lieber Bruder, seid herzlich gegrüßt, ich bitte Euch, geht nach Hause zurück, ich möchte Euch wohl um einen Rat bitten.« Und damit führte er sie heim, worüber sie nicht sehr erfreut war.

Als sie zu Haus waren, sagte der Mann spöttisch: »Teuerste Gefährtin, sagt mir bitte, doch wahr und wahrhaftig, ob die tiefe Frömmigkeit, die Ihr diesen ganzen Winter bekundet habt, Euch dazu trieb, das Kleid des heiligen Franziskus anzulegen und eine Tonsur wie die guten Brüder zu tragen? Sagt mir bitte, wer Euch dazu gebracht hat, oder beim heiligen Franziskus, Ihr werdet es büßen.« Und er tat, als zöge er seinen Degen.

Nun warf sich die Arme ihm zu Füßen und rief laut: »Ich flehe Euch um Gnade an, habt Mitleid mit mir, denn ich bin durch schlechte Gesellschaft verführt worden. Ich weiß wohl, daß ich sterben muß, wenn Ihr es so wollt, und daß ich nicht nach Pflicht und Recht gehandelt habe. Doch bin nicht ich allein so betrogen worden, und wenn Ihr mir versprechen wollt, mir nichts zu tun, will ich Euch alles sagen.«

Ihr Mann war damit einverstanden, und nun erzählte sie ihm, wie sie oftmals mit zwei Gefährtinnen, in die zwei Mönche verliebt waren, in das Kloster gegangen war und sie manchmal zum Frühstück in ihre Zellen begleitet hatte und ein Dritter zu ihr in Liebe entbrannte und sie freundlich und demütig um ihre Gunst anging, daß sie ihm sie abzuschlagen nicht das Herz gehabt hatte, und besonders noch aus dem Grunde, weil ihre Gefährtinnen sie dazu drängten und trieben und erklärten, sie würden vergnügt leben und kein Mensch würde davon das geringste erfahren. Nun fragte der Mann, wer ihre Gefährtinnen seien, und sie nannte sie. Jetzt wußte er, wer ihre Männer waren, und die Geschichte erzählt, daß sie oft miteinander beim Trunk saßen. Dann fragte er, wer der Barbier sei, und sie antwortete ihm und nannte auch die drei Mönche.

Als der gute Mann zur schmerzlichen Verwunderung und zum tiefsten Bedauern seines Weibchens alle diese Dinge erkundet hatte, sagte er: »Nun nimm dich in acht und sag keinem Menschen, daß ich von dieser Sache etwas weiß, und ich verspreche dir auch, nichts Böses zu tun.«

Die gute Demoiselle versprach ihm, ganz nach seinem Wunsch zu handeln. Und sofort verläßt er das Haus und lädt für den nächsten Tag zum Essen die beiden Männer, die beiden Demoisellen, die drei Franziskaner und den Barbier ein, und sie versprechen, zu ihm zu kommen. Sie erschienen, setzten sich zu Tisch und waren guter Dinge, ohne an etwas Arges, das ihnen zustoßen könnte, zu denken. Und nachdem das Mahl beendigt war, unterhielten sie sich fröhlich darüber, wer die Zeche zahlen und tragen sollte. Da sie sich aber nicht einigen und zu keinem Entschluß zu kommen wußten, sagte endlich der Wirt: »Da wir keine Mittel und Wege finden können, unsere Zeche hier zu zahlen, will ich euch sagen, was wir machen wollen. Der von der Gesellschaft, der die größte Tonsur hat, abgesehen von diesen guten Mönchen, die heut dazu nichts beitragen sollen, soll die Zeche zahlen.«

Dem stimmten alle zu, und sie waren damit einverstanden, und der Barbier sollte den Richter machen. Und als alle Männer ihre Tonsuren gezeigt hatten, erklärte der Wirt, nun müßte man sehen, ob ihre Frauen keine hätten. Man braucht nicht zu fragen, ob es in der Gesellschaft Leute gab, deren Herzen zitterten. Und ohne Zögern nahm der Wirt seine Frau beim Kopf und deckte ihn auf. Und als er die Tonsur sah, zeigte er sich sehr verwundert, tat, als wüßte er von nichts, und rief: »Nun wollen wir die andern aber auch sehen, ob sie ebenso tonsuriert sind.« Nun hießen ihre Gatten sie ihre Hauben abnehmen, und man fand sie ebenso wie die erste tonsuriert, worüber sie nicht allzusehr erfreut waren, obwohl sie aus vollem Halse lachten und erklärten, die Zeche sei gewonnen und ihre Frauen müßten sie zahlen. Doch sie wollten wissen, wieso sie sich diese Tonsuren hätten schneiden lassen, und der Mann, der sich über ihr Abenteuer und das Geheimnis recht freute, erzählte ihnen, wie die ganze Sache sich zugetragen hatte; doch forderte er ihnen das Versprechen ab, ihren Frauen diesmal zu verzeihen, falls die guten Mönche in ihrer Gegenwart für sie Buße tun wollten. Und sofort ließ der Wirt vier oder fünf kräftige Burschen, die schon wußten, was sie zu tun hatten, herbeirufen, und sie nahmen die Mönche und gaben ihnen so viel des Guten auf ihre Rücken, als sie tragen konnten, und warfen sie dann aus dem Haus. Und die andern blieben dort noch eine Weile zusammen und haben gewiß noch viel, was zu erzählen zu weit führen würde, miteinander gesprochen, weshalb ich es kurzerhand übergehe.

 


 


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