Anonym (Frankreich)
Die hundert neuen Novellen
Anonym (Frankreich)

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84. Novelle
Das Teufelsweib

Bis einer eine hübsche lange Geschichte erzählen wird, will ich jetzt eine kleine, aber wahre und erst jüngst geschehene, die auch nicht lange aufhalten wird, erzählen. Ich hatte einen Marschall, der mir lange Zeit und gut gedient hatte. Da kam ihn die Lust an, sich zu verheiraten, und zwar mit der schlimmsten Frau im ganzen Land, wie man mir sagt. Und als er erkannte, daß er sie weder mit Bitten noch mit Drohen bessern konnte, verließ er sie und blieb nicht länger mehr bei ihr, sondern floh sie wie ein Unwetter. Wenn er sie an einem Ort gewußt hätte, wäre er niemals dorthin gegangen, sondern hätte stets das gerade Gegenteil getan. Als sie sah, daß er sie so floh und sie nicht mehr mit ihm sich zanken und ihre böse Laune an ihm auslassen konnte, machte sie sich auf die Suche nach ihm, fand ihn, folgte ihm überall nach und gab ihm Gott weiß was zu hören. Und der andere tat nicht den Mund auf und zog seines Weges. Und nun setzte sie sich noch viel mehr auf das hohe Pferd und schalt und schmähte ihren armen Mann, so wie kein Teufel es mit einer verdammten Seele hätte schlimmer machen können.

Eines Tages, da sie sah, daß ihr Mann auf all ihre Worte keine Silbe erwiderte, schrie sie ihm aus Leibeskräften, während sie ihm durch die Straßen folgte, vor allen Leuten zu: »Komm her, du Schelm, sprich mit mir, ich bin dein, ich bin dein!«

Und mein Marschall, der vorausging, erwiderte, sooft sie das sagte: »Ich schenke meinen Teil dem Teufel, ich schenke meinen Teil dem Teufel.«

Und so ging es durch die ganze Stadt Lille, und sie schrie fortwährend: »Ich bin dein«, und der andere entgegnete: »Ich schenke meinen Teil dem Teufel!«

Bald danach starb nach Gottes Willen diese gute Frau, und man fragte meinen Marschall, ob er über den Tod seiner Frau sehr betrübt sei, und er erklärte, ihm sei noch nie ein solch großes Glück wie jetzt beschieden gewesen, und wenn Gott ihm einen Wunsch gewährt hätte, so hätte er ihn gebeten, seine Frau sterben zu lassen. »Denn«, sagte er, »Sie war so schlecht und böswillig, daß ich, wenn ich sie im Paradiese wüßte, niemals dahin möchte, solange sie dort wäre, denn sie könnte nirgendwo Frieden halten. Ich weiß aber bestimmt, daß sie in der Hölle ist, denn alles, was sie tat, ihr könnt mir's glauben, war so, daß es Teufel auch nicht schlimmer hätten tun können.« Und darauf sagte man ihm: »Nun müßt Ihr Euch wiederverheiraten und eine gute, friedliche, keusche Frau nehmen.«

»Heiraten!« rief er, »lieber wollte ich am Galgen hängen als mich jemals wieder der Gefahr aussetzen, die Hölle zu finden, aus der ich jetzt Gott sei Dank entronnen bin.«

So war er ledig und ist es noch, und ich weiß nicht, was er machen wird.

 


 


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