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Jüngst weilte ich mit einer großen Menge schmucker Gesellen aus Saint Omer wie aus Boulogne und andern Städten in Saint Omer, und wir gingen nach dem Ballspiel in das Haus eines Gastwirts, eines ehrbaren und recht lustigen Gesellen, um dort zu Abend zu speisen; er hat eine sehr schöne und stattliche Frau und von ihr einen hübschen Jungen, ungefähr sechs bis sieben Jahre alt.
Als wir allesamt bei Tische saßen, der Wirt, seine Frau und ihr Sohn und wir andern, begannen die einen sich zu unterhalten, die andern zu singen, und wir trieben alle mögliche Kurzweil. Und unser Wirt stimmte uns zuliebe in unsere Heiterkeit ein.
Nun waren an diesem Tag seine Frau und sein kleiner Sohn mit ihr in der Badstube gewesen, und unserm Wirt kam der Einfall, zur Belustigung der Gesellschaft seinen Sohn nach dem Aussehen und der Aufführung derer, die mit seiner Mutter in der Badstube gewesen waren, zu fragen. Daher sagte er zu ihm: »Komm her, mein Junge, sag mir mal aufrichtig, wer von all den Frauen, die mit deiner Mutter in der Badstube waren, hatte das schönste und größte Vorderteil?«
Als das Kind sich vor seiner Mutter, die es, wie Kinder gewöhnlich, fürchtete, fragen hörte, blickte es auf sie und sagte kein Wort.
Und der Vater, der nicht gewöhnt war, ihn so stumm zu sehen, fragte ihn von neuem: »Nun sag mir, lieber Junge, wer hatte das größte Vorderteil? Sag's nur ruhig?«
»Ich weiß nicht, lieber Vater«, erwiderte das Kind, immer die Augen auf seine Mutter gerichtet.
»Bei Gott, du lügst«, versetzte sein Vater, »sage es mir jetzt, ich will es wissen.«
»Ich kann's nicht wegen meiner Mutter«, antwortete das Kind, »sie würde mich schlagen.«
»Sie wird es nicht tun«, erklärte der Vater, »du brauchst keine Angst zu haben, kannst ganz unbesorgt sein.«
Und unsere Wirtin, seine Mutter, die nicht dachte, der Sohn würde sagen, was er doch sagte, rief ihm zu: »Sag nur ruhig, wonach dich dein Vater fragt.«
»Ihr würdet mich schlagen«, versetzte er.
»Nein, ich werde es nicht tun.«
Und der Vater, der dachte, sein Sohn hätte die Frage schon vergessen, fragte ihn nochmal: »Also, mein Junge, hast du dir ordentlich all die Vorderseiten der Frauen, die in der Badestube waren, angesehen?«
»Bei Sankt Johann, ja, mein Vater.«
»Und es gab doch eine ganze Menge, nicht wahr? Sag die Wahrheit.«
»Ich habe so viel von ihnen gesehen, daß man einen ganzen Wald damit füllen kann.«
»Nun sage mir also jetzt, wer hatte das schönste und größte.«
Da meinte das Kind: »Das hatte sicherlich meine Mutter, das schönste und größte, aber es hatte eine so große Nase.«
»Eine so große Nase!« rief der Vater, »geh, geh, du bist ein guter Junge.«
Wir begannen allesamt zu lachen und tranken kräftig und sprachen von diesem Jungen, der so gut schwatzen konnte. Doch seine Mutter wußte nicht ihre Fassung zu wahren, so sehr schämte sie sich, daß ihr Sohn von der Nase gesprochen hatte, und ich glaube, er ist später dafür tüchtig geprügelt worden, daß er aus der Schule geplaudert hatte. Unser Wirt tat, als habe es ihn nicht angefochten, doch bereute er später oft genug, diese Frage, deren Antwort ihm die Röte ins Gesicht getrieben, gestellt zu haben. Und damit soll's für heute genug sein.