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In einer schmucken, kleinen Stadt hier in der Nähe, die ich nicht nennen will, hat sich vor kurzem eine Geschichte zugetragen, die ich euch in einer kleinen Novelle erzählen werde. Dort lebte ein guter, einfältiger, tölpelhafter Bauer, der mit einer gefälligen und recht hübschen Frau, die über der Liebe das Trinken und Essen vergaß, verheiratet war.
Der gute Mann blieb nach seiner Gewohnheit recht oft auf dem Lande, wo er ein Haus hatte, manchmal drei, manchmal vier Tage, mal mehr, mal weniger, wie es ihm beliebte, und ließ seine Frau in der guten Stadt nach Herzenslust sich vergnügen; sie hatte stets, um sich in der Einsamkeit nicht zu fürchten, einen Mann bei sich, der die Stelle des guten Gatten einnahm und auf ihrem Herde fleißig arbeitete, damit sich dort nicht etwa Rost ansetze. Diese gute Bürgerin hatte es sich zur Regel gemacht, stets so lange zu warten, bis sie ihren Mann nicht mehr sah und ganz sicher sein konnte, daß er nicht zurückkehren würde. Erst dann, wenn sie keine Furcht mehr zu haben brauchte, entdeckt zu werden, ließ sie den Stellvertreter kommen.
Aber sie wußte sich nicht so gut an ihre gewöhnliche Regel zu halten, daß sie nicht schließlich doch dagegen verstoßen hätte. Einmal nämlich, als ihr Mann zwei bis drei Tage auf dem Lande gewesen und am vierten so lange ausgeblieben war, daß er möglicherweise nicht vor dem Schließen der Stadttore mehr hätte kommen können, schloß sie im Glauben, er werde an diesem Tage nicht mehr heimkommen, die Tür und die Fenster wie sonst, ließ ihren Liebhaber ins Haus, und sie begannen herzhaft zu trinken und sich's bei der Mahlzeit wohl sein zu lassen.
Sie hatten noch nicht lange bei Tisch gesessen, da kam unser Gatte und klopfte an die Tür, ganz verwundert darüber, daß er sie geschlossen fand. Als die gute Dame ihn hörte, ließ sie ihren Liebhaber so schnell wie möglich sich unter dem Bett verstecken und fragte, wer geklopft habe. »Öffnet, öffnet!« rief der Mann.
»Ach, lieber Mann, Ihr seid da?« sagte sie. »Ich wollte Euch morgen ganz früh durch einen Boten wissen lassen, daß Ihr nicht heimkommen sollt.«
»Wie, was gibt es denn?« rief der gute Mann.
»Was es gibt? O du lieber Gott im Paradies«, sagte sie, »die Gerichtsbeamten sind hier im Haus mehr als zweieinhalb Stunden gewesen, um Euch ins Gefängnis zu führen.«
»Ins Gefängnis?« versetzte er, »wie, ins Gefängnis? Was habe ich denn verbrochen, wem bin ich etwas schuldig, wer beklagt sich denn über mich?«
»Ich weiß nicht, worum es sich handelt, aber sie hatten den besten Willen, mit Euch unsanft umzugehen. Mir schien's, sie würden vor nichts zurückschrecken.«
»Aber haben sie Euch denn nicht gesagt, was sie von mir wollten?« fragte unser Hahnrei.
»Nicht ein Wörtchen«, erwiderte sie, »nur, wenn sie Euch hätten, solltet Ihr lange im Gefängnis festsitzen.«
»Noch haben sie mich ja nicht, Gott sei Dank, lebt wohl, ich kehre wieder um.«
»Wohin wollt Ihr denn gehen?« fragte sie, die nichts anderes begehrte, als daß er ginge.
»Woher ich kam«, antwortete er.
»Dann will ich mit Euch gehen«, sagte sie.
»Das sollt Ihr nicht tun, hütet vielmehr gut und ordentlich das Haus, und sagt nicht, daß ich hiergewesen bin.«
»Wenn Ihr wieder aufs Land zurückgehen wollt, so beeilt Euch, sonst schließt man das Tor«, entgegnete sie, »es ist schon spät.«
»Wenn es geschlossen ist, wird mir der Pförtner schon den Gefallen tun und es wieder öffnen.« Damit ging er davon, kam ans Tor, fand es geschlossen, und der Pförtner wollte es ihm trotz allen Bitten nicht öffnen. Der Mann war sehr unzufrieden, daß er nun wieder nach Hause zurückkehren mußte, denn er fürchtete die Gerichtsdiener; es blieb ihm aber nichts anderes übrig, wenn er nicht auf der Straße schlafen wollte. Er kam zurück, klopfte an seine Tür, und die Dame, die sich wieder mit ihrem Liebhaber zusammengespannt hatte, erschrak noch mehr als vorher. Sie sprang auf, lief zur Tür und sagte kopflos: »Mein Mann ist noch nicht heimgekehrt, Ihr seid umsonst gekommen.«
»Öffnet, öffnet, liebe Freundin!« rief der Biedermann. »Ich bin's ja.«
»O weh, so habt Ihr also nicht mehr das Tor offen gefunden, ich fürchtete es gleich«, meinte sie. »Ich weiß wahrhaftig nicht, wie wir Eure Festnahme verhindern können, denn die Gerichtsdiener erklärten mir, jetzt fällt mir's ein, sie würden in der Nacht wiederkommen.«
»Nun, dann wollen wir nicht lange reden, sondern überlegen, was zu tun ist.«
»Ihr müßt Euch irgendwo hier im Haus verstecken«, erwiderte sie, »aber ich weiß keinen Ort und Schlupfwinkel, wo Ihr wirklich sicher sein könntet.«
»Ginge es nicht«, fragte der andere, »in unserm Taubenschlag? Wer würde mich dort suchen?«
Sie war über diesen Einfall und Ausweg sehr erfreut, wußte ihre Freude jedoch zu verbergen und erklärte: »Dieser Platz ist nicht angenehm, es stinkt dort allzusehr.«
»Das kümmert mich nicht«, meinte er. »Ich will mich lieber dort ein oder zwei Stunden verstecken und gerettet sein, als an irgendeinem angenehmen Platz mich verbergen und gefunden werden.«
»Schön«, sagte sie, »da es Euch recht und gut erscheint, bin ich auch dafür, daß Ihr Euch dort versteckt.«
Der tüchtige Mann stieg zum Taubenschlag empor, der von außen verschlossen werden konnte, ließ sich dort einschließen und bat seine Frau, sie möchte ihn, wenn die Gerichtsdiener nicht bald kämen, wieder herauslassen.
Unsere gute Bürgerin schied von ihrem Mann und ließ ihn die ganze Nacht mit den Tauben gurren, was ihm ganz und gar nicht gefiel, doch rief er nicht und ließ auch kein Wörtchen fallen, denn er hatte beständig vor den Gerichtsdienern Angst. Morgens früh, zur Stunde, wo der Liebhaber das Quartier räumte, kam die gute Frau, rief ihren Mann und öffnete die Tür. Er fragte sie, weshalb sie ihn so lange bei den Tauben gelassen habe. Schlau wie sie war, erklärte sie ihm, die Gerichtsdiener hätten die ganze Nacht in der Nähe des Hauses auf der Lauer gelegen und sie habe mehrere Male mit ihnen gesprochen; sie seien zwar weggegangen, hätten aber gesagt, sie würden wiederkommen, um ihn abzufassen.
Der Biedermann, der sich sehr wunderte, was die Gerichtsdiener wohl von ihm wollten, brach unverzüglich auf und kehrte mit dem Versprechen, lange Zeit nicht wiederkommen zu wollen, aufs Land zurück. Gott weiß, wie angenehm das dem Weibchen war, wenn es auch darüber bekümmert tat. Und so machte es sich noch viel vergnügtere Stunden als vorher mit seinem Liebhaber, denn es brauchte sich nicht um die Rückkehr seines Gatten zu sorgen.