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Pimpernell machte trübe Erfahrungen. Wie bist du denn jetzt immer? fragte sie. – Ich bin überhaupt nicht! sagte Enzio von oben herab, und als sie das nicht verstand, setzte er hinzu: Frag nur meine Mutter. – Das tat sie wirklich. – Enzio, sagte Caecilie, ich habe dir gesagt, du sollst nett sein gegen Pimpernell. Sie hat dich auf morgen eingeladen, geh nur hin, es kann ja meinetwegen das letztemal sein, oder das vorletzte. – Enzio warf sich auf das Sofa und seufzte tief. – Nun? sagte sie, was ist? – Die schönen, schimmernden Räume in Irenens Haus schwebten ihm vor der Seele, und 88 die ganze herzbeklemmende Atmosphäre in der Wohnung Pimpernells erschien ihm doppelt schrecklich. – Nein! rief er, ich gehe da nie wieder hin! – Weshalb denn nicht? – Es stinkt da so! – Wonach denn? – Ich weiß es nicht, aber es ist nicht zu ertragen! In jedem Zimmer anders! Er sah mit nervös gepeinigtem Gesicht zur Decke, indem er sich ein Haar ausriß und es zwischen den Fingern drehte. – Sie wandte sich nach ihm um und fragte: Was machst du denn da für einen Aufwand an Verzweiflung? Wenn es wirklich da so stinkt, kann kein Mensch verlangen, daß du hingehst. – Und im Grunde war sie ganz zufrieden, daß der Verkehr nun wirklich aufhören werde. Aber Pimpernell war zäh. Sie kam immer wieder, und Caecilie traute ihren Ohren kaum, als sie einmal durch die halb geschlossene Tür die geflüsterten Worte hörte: Süßes, süßes, süßes Pimpernellchen! Er stand nebenan, hielt und küßte sie, und wie ihm Caecilie später Vorwürfe machte über seine Unwahrhaftigkeit, wurde er heftig und sagte: Ich bin nicht unwahrhaft! Ich mochte sie auf einmal furchtbar gerne; ich hatte ihr nur vorher erzählt, daß ich eine neue Freundin habe. – Das ist es ja grade, sagte Caecilie, daß du die Menschen auf einmal gern hast und daß sie dir dann wieder ganz gleichgültig sind! Wo steckt denn da die Wahrheit! – Enzio ging hinaus, und später fand sie ihn 89 auf dem Sofa, sich die Nase putzend, mit geröteten Augen. – Hast du geweint, Enzio? – Ja, weil du sagst, ich wäre unwahrhaft! Ich will ja anders sein, aber ich meine es doch immer ganz genau so wie ich es sage! Und ich mag sie wirklich fast so gerne wie Irene! – Das nächste Mal, als er Pimpernells Stimme auf dem Vorplatz hörte, streckte er, ehe er auf ihr Klopfen herein rief, schnell und lautlos die Zunge gegen die Tür aus.
Caecilie rief ihn ins Nebenzimmer. Dieses geht nicht länger so! sagte sie; ich wünsche, daß du dem Verkehr ein Ende machst. Du bist abscheulich gegen das arme Ding. Sag ihr, du habest eine große Arbeit für deinen Vater vor, widersprich nicht, ich verlange es. Und zwar sagst du ihr das gleich heute, das kann scheinbar ganz nebenbei geschehn.
Enzio versprach es, aber die Sache kam anders. Er wußte nicht recht, wie und wo er diese Mitteilung anbringen solle und war schweigsam, so daß Pimpernell, die nach einem Unterhaltungsstoff suchte, die Frage tat: Wie ist es denn mit deinem Aufsatz damals geworden, über das Bild im Museum? – Habe ich gar nicht gemacht! Den hat meine Mutter gemacht! Ich habe ihn nur abgeschrieben. – Pimpernell sah erschrocken auf, wagte aber keinen von beiden zu tadeln und fragte nur: Warum hast du ihn denn nicht gemacht? – Ach, wenn ich dir das sagte!! Ich hatte keine Lust! 90 – In Wahrheit quälte er sich damals mühselig mit diesem Aufsatz, der in die Zeit seiner allerersten Bekanntschaft mit Irene fiel, und als er immer wieder die Feder hinwarf und rief: ich bringe es nicht fertig, die Gedanken laufen mir davon – tat er Caecilie leid und sie meinte: So sag mir wenigstens, was alles auf dem Bilde ist, dann werde ich die Arbeit für dich machen. Das tat er, glücklich und erleichtert, und als er seinen Aufsatz mit einer sehr guten Note zurückerhielt, sagte Caecilie: So, nun muß ich mir das Bild im Museum doch auch einmal ansehn! kam zurück und meinte, sie hätte es sich ganz anders vorgestellt. –
Weshalb hattest du denn keine Lust? fragte Pimpernell beharrlich. – Da sagte es ihr Enzio. – Ich möchte doch wirklich wissen, entgegnete sie spitz, ob diese Irene anders ist als ich zum Beispiel. Oho! rief Enzio recht von oben herab. Er besaß eine Kreidezeichnung von Irene, die ihr Vater einmal gemacht hatte, und die sie ihm auf sein flehentliches Bitten schenkte; er verwahrte sie in einer geheimen Lade. Jetzt war die Versuchung zu groß, er holte sie und zeigte sie dem Pimpernell. Hier, sagte er, hier ist sie, jetzt bitte, sag das doch noch einmal, was du gesagt hast! Er legte das Blatt auf den Tisch und sah sie hochmütig an. Pimpernell blickte auf die Zeichnung, nahm sie blitzschnell und riß sie mitten durch.
91 Enzio stand einen Augenblick sprachlos, dann wollte er sich auf sie stürzen, aber stumm und mit großer Geschwindigkeit huschte Pimpernell durchs Zimmer, packte draußen mit einem Griff Mützchen, Mäntelchen und Schirm, sprang zur Vorplatztür hinaus und war schon auf dem untersten Treppenabsatz, als ihr Enzio mit geballter Faust von oben nachrief: Wenn du dich nur ein einziges Mal unterstehst, wieder herzukommen! Sie duckte sich, als vermute sie, es flöge ihr noch etwas an den Kopf, und dann war sie verschwunden. Dies war das erstemal, daß sie aus Enzios Leben zurücktrat. Traf sie ihn später einmal auf der Straße, so ging sie schnell auf die andere Seite und zog dort etwas die Nase kraus, begegnete sie aber seiner Mutter, so grüßte sie mit sorgenvoller und heimlicher Mißbilligung und dachte: daß sie ihm den Aufsatz gemacht hat, war doch ein Fehltritt in ihrem Leben!
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