Friedrich Huch
Enzio
Friedrich Huch

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Nach einer Zeit des Arbeitens schien er wieder in seine frühere Untätigkeit zurückfallen zu wollen. Aber dieses Mal war es das Bienle, das ihn bewahrte. Ganz unmerklich, ohne daß es ihm recht ins Bewußtsein kam, hatte sie einen großen Einfluß auf ihn gewonnen: Das tust du nicht! Das darfst du nicht! sagte sie zuweilen mit einem sichern, selbstverständlichen Ton, und schließlich kam es so, daß ihm dieser Ton ihrer Stimme schon entscheidend wurde. Er war immer bereit, ihrethalben eine Arbeit abzubrechen, wenn sie zu ihm kam. Das duldete sie nie, und ging wieder. Einmal machte er ein kleines Experiment: Als sie an seine Tür klopfte, antwortete er nicht. Sie klopfte noch ein zweites Mal, er antwortete wieder nicht und dachte: Wird sie jetzt die Tür öffnen und hereinkommen? oder wenigstens versuchen sie zu öffnen? – Da hörte er, wie ihre Schritte sich entfernten. Er wartete noch einen Augenblick, dann stürzte er hinter ihr drein. Sie erfaßte sogleich die Situation, tat neckend, als höre sie nicht, wie er: Bienle, Bienle! 276 rief, es gab einen Wettlauf auf der Treppe, bis er sie endlich einholte, worauf sie sich umdrehte und sagte: Ach, Enzio, ich glaubte, du wärst nicht daheim?!

Hatte er abends eine andre Verabredung, so fragte sie ihn niemals: welche? Dieses gänzliche, unbefangene, selbstverständliche Vertrauen entwaffnete ihn beinah. Es gab zwischen ihnen keine Eifersucht, so wenig, daß er zuweilen dann doch nicht anders konnte, als irgendwelche Hintergründe erwecken, die sie beunruhigen sollten. Sie antwortete dann aber nichts, und dieses Schweigen war ihm so rührend, daß er gleich wieder sagte: Es ist ja alles gar nicht wahr!

Manchmal ließ er sie allein in seinem Zimmer, wenn ihn eine plötzliche Notwendigkeit in die Stadt abrief. Dann konnte es geschehn, daß er sie bei seiner Rückkehr auf dem Fußboden fand, halb kniend, halb liegend, an einem Brief schreibend. – Weshalb schreibst du ihn denn nicht an meinem Arbeitstisch? und nicht mit Tinte? – Hier unten ist es bequemer. – Er überflog den Schreibtisch: Da lagen offne Briefe herum, die er von zu Haus bekommen, und er ging nicht fehl in seiner Annahme, daß es ihr peinlich gewesen sei, sich so nah zu ihnen zu setzen, weil er sonst vielleicht hätte denken können, sie habe sie gelesen.

*


 << zurück weiter >>