Friedrich Huch
Enzio
Friedrich Huch

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Er stieg die teppichbelegte Treppe hinan. Ein gespenstisches Gefühl überlief ihn, wie er die Tür öffnete und in den Raum hineinsah. Der lag wie immer, als habe sich nichts geändert in der ganzen Zeit. Er schloß die Tür und stand bewegungslos, dann stürzte die Erinnerung in ihn zurück mit allem Schmerz, ein tränenloses Schluchzen durchbebte seinen Körper: Wenigstens atme ich noch einmal die Luft von ihrem Zimmer, ich sehe noch einmal den Raum, in dem sie wohnt, in den sie zurückkehren wird und den ich nun nie wiedersehn werde!

Aber er durfte nicht lange bleiben. Das Buch, dachte er, wo finde ich das Buch? Er wußte die Stelle auf Irenes Bücherbrett, wo sie es verwahrte, und er fand es. Nun mußte er es vernichten, so wie alles andere.

Er schlug noch einmal die letzte Seite auf. Da standen all die Noten, die er einst im Fieber schrieb, jene Musik, die ihm im Traum so unermeßlich schön erschien. Was war das? Unter der Seite standen mit Bleistift, von Irenes Hand, die Worte: 506 Geschrieben von meinem Enzio, letzten Monat, als er bei mir im Fieber lag.

Er bedeckte diese Zeilen mit seinen Küssen. Sollte er das Buch mit fortnehmen, es für sich behalten?

Wofür? Wozu? Für welche Zukunft? Er nahm es zwischen beide Hände und zerrte; die Seide war stark, mit einem scharfen Laute rissen die Fäden endlich auseinander. Dann kniete er nieder, am Kamin, entzündete die Blätter, sah zu, wie sie sich krümmten und verzehrten, und stieß die verglimmenden Reste durcheinander, bis die Form des Buches unkenntlich zerstört war.

Jetzt wollte er noch einmal zum Garten gehn, zum Kastanienbaum, zum Fluß hinab, nach jener Stelle hinübersehn, wo er als Kind unter den Sträuchern lag. Und dann – – – was dann noch kommen sollte, wußte er nicht.

*


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