Friedrich Huch
Enzio
Friedrich Huch

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Enzio stand jetzt im letzten Jahre seiner Schulzeit. Die Frage, ob er sich ganz der Musik widmen solle, wurde oft zwischen ihm und seiner Mutter besprochen. Manchmal schien es ihm, als bedürfe sie gar keiner Entscheidung. So war es, wenn er sich in einer schöpferisch-glücklichen Stimmung befand. Dann deuchte ihm das Leben eines Musikers das einzig beglückende. Manchmal aber, wenn ihn Kleinmut überkam, zweifelte er wieder an allem, und in solchen Momenten sagte er: Wenn ich denken sollte, daß es so das ganze Leben fortgeht – dann lieber gar nicht anfangen. 139 Mit solchen Reden machte er Caecilie tief unglücklich. Sie hatte sich im Lauf der Jahre daran gewöhnt, in ihm ein heimliches Genie zu sehen, das einmal das kleine Talent seines Vaters weit überflügeln würde, in ihm zu Ende zu träumen, was in ihrem Mann gescheitert war. Jener Vorsatz, den sie in früheren Jahren faßte: Nur dann zuzugeben, daß Enzio Musiker würde, wenn sie klar sah: es gab keinen andern Weg für ihn – hatte sich leise gewandelt in den glühenden Wunsch: Er soll Musiker werden. So suchte sie ihm über alles Schwanken hinwegzuhelfen mit der Versicherung: Auch der talentierteste Mensch hat Zweifel an seinem Talent, ja, grade das ist die Bürgschaft dafür, daß er etwas Rechtes wird, daß er nie die größten Anforderungen an sich selbst verliert! Mit solchen und ähnlichen Reden wußte sie ihm immer wieder aufzuhelfen und den Glauben an sich zu befestigen. Es war nun bestimmt, daß er auf einem auswärtigen Konservatorium studieren würde.

Die sichere Sprache seiner Mutter gab ihm sein Selbstgefühl zurück, und nun dachte er oft: Wenn es doch erst soweit wäre! Dann schwebten ihm unbestimmte schöne Bilder vor: Man würde ihn mit offenen Armen empfangen, ja, er würde vielleicht sogar als ein aufgehender Stern gefeiert werden. Dort würde er auch geniale, junge Menschen finden, die auf demselben Gebiete mit ihm strebten, die er 140 anerkannte und die ihn anerkennen würden. Hier zu Hause fühlte er sich einsam.

Am späten Nachmittag, nach seiner Arbeit, lief er jetzt immer stundenlang vor die Stadt, um frische Luft zu schöpfen, all seinen Zukunftsgedanken nachzuhängen und alle andern Zwitterstimmungen zu verbannen.

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