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4. Von Offas Gemahlin und ihrem Schicksal.

Zur Fälschung des Briefes vgl. Wisser, Plattd. Volksmärchen (1914) S. 92. Heim. 21, 245 (aus Ostholstein). In der Anm. lies Beowulf v. 1930 f.

Eines Tages ging der junge König aus, um zu jagen; da aber das Wetter stürmisch ward und der Tag sich verfinsterte, verirrte er sich von seinen Genossen und kam tief in den Wald hinein, Da hörte er eine klagende Stimme, und als er dem Tone nachging, fand er mitten im Dickicht weinend ein wunderschönes Mädchen. Mitleidig fragte er nach der Ursache ihres Kummers; da erzählte sie ihm, daß sie die Tochter eines reichen Königs sei, Ihr Vater aber sei, durch ihre Schönheit gereizt, von unzüchtiger Liebe zu ihr entbrannt und habe sie mit Bitten, Geschenken und Drohungen zu seinem Willen bringen wollen. Weil sie aber seinem Begehren widerstanden habe und alle seine Drohungen nicht fruchteten, habe er seinen Dienern befohlen, sie in den Wald hinaus zu führen und zu töten. Diese aber hätten, aus Mitleid mit ihrer Jugend, zwar keine Hand an sie gelegt, aber sie so hilflos zurückgelassen. Seit der Zeit habe sie sich von Wurzeln und Kräutern genährt und die wilden Tiere hätten ihr kein Leid getan.

Der König sah ihre Schönheit und ihre prächtigen Kleider, und glaubte wohl ihren Worten; er ward sogleich von Liebe zu ihr ergriffen. Er nahm sie bei der Hand, und beide fanden bald die Höhle eines alten Mannes, der da im Walde wohnte, und der am andern Morgen sie aus den rechten Weg wies. Auf seiner Burg angekommen, wählte Offa das Mädchen zu seiner Gemahlin; seine Fürsten und das Land waren wohl zufrieden damit und die Königin wurde von allen geliebt, weil sie nicht nur schön, sondern auch wohlwollend und freigebig war. Offa verlebte mehrere glückliche Jahre mit ihr und sie gebar ihm eine Reihe Söhne und Töchter.

Da geschah es, daß ein befreundeter König mit Krieg überzogen ward und viel zu leiden hatte. Er schickte darum eine Gesandtschaft an Offa und bat ihn, ihm mit einem Heere zu Hilfe zu kommen. Offa scheute nicht den weiten Zug und bald erschien er, schlug die Feinde, und damit nicht zufrieden, verfolgte er sie noch bis in ihr Land. Vorher aber sandte er einen Boten mit einem Briefe, darin sich geheime Aufträge befanden, in sein Land an die Fürsten, denen er für seine Abwesenheit die Verwaltung anvertraut hatte. Da mußte es sich nun treffen, daß der Bote eines Abends, ohne es zu wissen, wo er einkehrte, auf der Burg des Vaters der Gemahlin Offas Herberge suchte. Der König, nachdem er sich schlau erkundigt hatte, beschloß sogleich, die unerwartete Gelegenheit zur Rache zu benutzen: er nahm den Boten freundlich auf, bewirtete ihn aufs Beste, und als dieser endlich vor Trunkenheit in einen schweren Schlaf fiel, erbrach er den Brief, änderte ihn nach seinem Sinne und ließ damit den Boten am andern Morgen weiter reisen.

Wie erstaunt waren die treuen Diener Offas, als sie das Schreiben lasen! Doch wagten sie es nicht, sich dem Befehle des Königs zu widersetzen, und die Königin wurde mit ihren Kindern in den tiefsten Wald hinausgebracht, um an Händen und Füßen verstümmelt ihrem Schicksal überlassen zu werden. Aber die rohen Knechte selbst, die damit beauftragt waren, empfanden Mitleid mit ihrer Schönheit und ließen sie am Leben. Doch die Kinder zerstückelten sie und streuten ihre Glieder umher. Als die Königin nun jammernd und klagend da saß, trat wieder der alte Mann zu ihr und tröstete sie mit freundlichen Worten, und da er die umhergestreuten Glieder sah, ging er hin und sammelte jedes sorgsam, fügte alle aneinander und mit geheimen Sprüchen und Gebeten belebte er die Leichen wieder, als wenn keinem der Kinder etwas geschehen wäre. Darauf führte er sie alle in seine Höhle und erquickte und pflegte sie, wie er nur konnte. So lebten sie da lange Zeit.

Unterdes kam Offa von seinem Zuge zurück und wunderte sich nicht wenig, als seine Fürsten ihm mit traurigen Mienen entgegen kamen und die Königin sich nicht blicken ließ. Als er aber alles erfuhr, und nicht anders meinen konnte, als daß sein Weib und seine Kinder ermordet seien, wollte er vor übergroßem Leide fast vergehen. Viele Tage lang brachte er mit Klagen hin und überließ sich endlich einer finstern Schwermut. Um ihn aufzuheitern und zu zerstreuen, beschlossen seine Gefährten, ihn wieder an die ihm einst so liebe Jagd zu gewöhnen. Aber bald verlor er sich aus ihrem Haufen und kam zu der Höhle des alten Mannes. Da setzte er sich davor nieder auf einen Stein, und heiße Tränen vergießend, dachte er an sein früheres Glück und sein jetziges Unglück und klagte es laut. Da trat der Einsiedel zu ihm und fragte nach der Ursache seines Weinens. Der König erzählte ihm sein Unglück und offenbarte ihm die ganze Sache. Als nun der Einsiedel seine Unschuld sah, da rief er voller Freude die Königin herbei, und bald waren alle wieder vereint, die nie geglaubt, daß sie sich noch wiedersehen sollten.

Andere erzählen aber von Offas Gemahlin, die den Namen Hygd hatte, etwas ganz andres.

Hygd war mit einem Könige Hygelac vermählt, aber bei seinem Volke wegen ihres Übermuts und ihrer Kargheit verhaßt. Als daher Hygelac starb, setzte man die Königin in ein steuerloses Schiff. So trug die Flut sie an Offas Land, und als er auf der Jagd sie im Walde traf, vermählte er sich mit ihr, von ihrer Schönheit hingerissen und geblendet. Sogleich begann die Königin wieder ihre Freveltaten und stiftete Streit und Unfrieden unter den Mannen des Königs, daß manch edler Held, der dem andern ein Freund und Geselle sein sollte, an diesem zum Mörder ward. Man hieß sie darum auch Königin Hexe ( Cven Dhrydh). Karg und geizig war sie mit Geschenken, und Freude und Frohsinn wich aus Offas Halle, so lange Hygd lebte; der König vermochte sie nicht zu hindern. Als sie aber endlich seinen liebsten Dienstmann und Schwiegersohn hatte umbringen lassen und der König über seinen Tod so trauerte, daß er drei Tage lang Speise und Trank von sich wies, fürchtete sie seinen Zorn, und um einer schmählichen Strafe zu entgehen, stürzte sie sich in einen Brunnen.

Vita Offae I & II bei Watts Matth. Parisiens. Lond. 1640 Fol. Vgl. Beowulf v. 970 ff. – Das Stück erinnert an Genoveva und ähnliche Sagen. Ein mir aus Plön mitgeteiltes Märchen scheint nur ein in mündlicher Überlieferung arg verkümmerter Auszug des Volksbuchs zu sein; nur ist der Schluß eigentümlich, daß nämlich die Königin (die Namen Genoveva, Siegfried, Schmerzensreich sind vergessen) während einer zweiten Abwesenheit ihres Gemahls im Garten wandelnd auf einen scharfen Flintstein fällt und stirbt; darüber wird ihr alter Vater so bekümmert, daß er sich alle seine weißen Haare ausrauft und stirbt.

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