Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

383. Der Kuhtod.

Vgl. 375, 1. Auch Jb. f. Ldk. 10, 49 rät der Bauer in Havnslund dem Hel, lieber nach den größeren Orten Lott und Wilstrup zu ziehen. – Dreibeiniger Stier s. zu Nr. 41.

Der Kuhtod ist ein großer ungeheurer Stier mit langen Hörnern. Sein Brüllen ist viel dumpfer und hohler, als das andrer Stiere und so fürchterlich, daß jeder sich davor entsetzen muß. Er geht von Dorf zu Dorf und wo er sich sehen oder hören läßt, kommt ein Sterben unters Vieh und alles fällt.

Es ist nicht so ganz lange her, da zeigte er sich in der Gegend von Schleswig. In ganz Husby waren damals nur sieben Stück Vieh noch am Leben. Ein Mann aus dem Dorfe ging einmal mit einem Kalbe zu Felde und einer war bei ihm und trieb eine Kuh. Plötzlich sahen sie einen ungeheuren Stier vor sich; sie meinten, es wäre der Bulle von Schuby. Da sahen sie aber, wie das Tier die Kuh kaum anrührte, als sie auch gleich niederstürzte und starb. »Nun helf uns Gott«, sagte der Mann mit dem Kalbe, »der Kuhtod ist bei uns«, und schlug mit seinem Stock auf ihn los; da war er so hart wie Eichenholz und hatte auch nur drei Beine. »Wo willst du hin?« fragte ihn der Mann. » Na Husby«, antwortete das Ungetüm mit hohler Stimme. »Gah du na Reid' un na Sluxhard' un da herüm«, sagte der Mann und schlug so auf den Kuhtod los, daß er umkehrte und seit der Zeit in Husby nicht wieder gewesen ist.

Zu derselben Zeit oder früher ging einmal der Bauer Klaas Ramm auf einen Berg, den Kohlhof, als ihm der Kuhtod begegnete, der wie ein Riese aussah. »Wo willst du hin?« fragte der Bauer. »Ich will nach Fahrdorf zu einem Bauern und will ihm alle seine schönen blauen Kühe totschlagen«, antwortete der Riese. Da fiel der Bauer vor ihm nieder und bat, er möge ihn doch verschonen; denn er sei es selbst, der die schönen blauen Kühe habe. »Aber was versprichst du mir?« fragte der Riese. Der Bauer versprach alles zu tun, was er nur haben wolle. Da verlangte der Riese, daß er geloben solle, niemals am Sonnabend wieder Mist zu fahren; denn das tauge nichts und störe die Leute, die Sonnabends zur Beichte gingen. Klaas Ramm gelobte das und nun sollte er auch noch versprechen, daß auch die andern im Dorfe das Düngerfahren unterließen. Auch das sagte er zu, und er wollte alles tun, was er nur könnte. Darauf verlangte der Kuhtod seinen Handschlag. Als Klaas Ramm sich dessen weigerte, wollte der Kuhtod an ihm vorbei nach Fahrdorf. Da hub Klaas Ramm seine Axt auf und hieb sie ihm tief in seinen Kopf; und so fest saß sie da, daß er mit aller Macht sie nicht herausreißen konnte. Klaas Ramm lief nun nach Fahrdorf und rief die Bauern zusammen; sie beschlossen einmütig, am Sonnabend keinen Mist zu fahren, nicht aus Furcht sondern weil das ohnehin Unrecht sei. Als Klaas Ramm nun wieder hinging, um nach seiner Axt zu sehen, fand er sie fest eingekeilt in einem Holzapfelbaum. Klaas Ramms Erben leben noch in Fahrdorf und zeigen auf ihrer Koppel noch den Baum. Der Kuhtod ist nie nach Fahrdorf gekommen und die Fahrdorfer fahren am Sonnabend auch keinen Mist. Nur einige jüngere und solche, die sich da eingeheiratet haben, fangen jetzt an die alte Sitte zu übertreten.

Als der Kuhtod bei Esprehm sein Brüllen hören ließ, machte das ganze Dorf sich auf, um ihn zu töten. Aber auch das schärfste Eisen verwundete ihn nicht, und alle Kugeln prallten ab. Die Obrigkeit bot endlich die Mannschaft aus den drei Dörfern Fahrdorf, Stexwig und Esprehm auf. Nachdem das Tier den ganzen Tag hin und her gejagt war, stutzte es und fragte: »An welchem Tage wollt ihr versprechen, künftig keinen Dünger zu fahren?« »Am Sonnabend«, riefen alle und von einer Kugel getroffen, sank das Untier augenblicklich um und starb. An der Stelle, wo es gestorben, fand man eine große Menge Teer, darin sich die drei Dörfer teilten.

Man hat trotz aller Nachforschung es nicht herausgebracht, wo das Ungeheuer eigentlich hergekommen sei; aber die haben wohl recht, welche meinen, daß es aus dem Wasser, aus der Schlei, ans Land gekommen sei.

Durch Herrn cand. phil. Arndt aus Ratzeburg und Herrn Koch. – Die Sage vom Bauern in Fahrdorf wird auch so erzählt, daß nur von einem Niesen und nicht vom Kuhtod die Rede ist; und dies ist wohl eine ältere Form derselben.

*

 


 << zurück weiter >>