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512. Das Glück der Grafen Ranzau.

Vgl. zu Nr. 473. 462. Kl. Groth Ges. Werke 2, 187 ff. Jb. f. Ldk. 4, 159.

1.

In dem uralten und aus einem herzoglich schleichen Stamme entsprossenen Hause von Ranzau hat sich's zugetragen, daß dero Großfraumutter einsmals in der Nacht an der Seite ihres Eheherrn durch ein kleines Männlein, so eine Laterne getragen, aufgeweckt worden, welche sodann von ersagtem Männlein, das sie zu folgen ermahnt, aus ihrem Schlosse, dessen Tür und Tore sich geöffnet, in einen hohlen Berg zu einem in Kindesnöten liegenden Weiblein gebracht worden. Nachdem hochermelte Frau von Ranzau diesem Weiblein auf dessen heftiges Begehren die Hand aufs Haupt gelegt, ist sie alsobald genesen. Hierauf hat die in großen Furchten stehende Dame alsobald wieder zurück geeilet und ist von ermeltem ihrem kleinen Reisegefährten auch von Stund an wieder nach den Ihrigen begleitet worden. Beim Abscheiden aber hat sie von diesem Männlein ein ansehnlich Stück Goldes zum Rekompens empfangen, woraus sie auf dessen Angeben fünfzig Rechenpfenninge, einen Hering und zwo Spindeln vor ihre Töchter hat verfertigen lassen. Sie hat auch diese Vermahnung dabei erhalten, daß ihre Nachkömmlinge solche Stücke wohl verwahren müßten, dafern sie aus wohlhabenden nicht mit der Zeit dürftige Leute werden wollten. Hergegen so lange sie nichts davon verlieren würden, sollten sie an Ehre und gutem Namen täglich zunehmen. Mich bedünket von dem, der mir diese seltsame Geschichte erzählet, zugleich auch vernommen zu haben, daß entweder der Hering oder einer, wo nicht mehr, von den güldenen Rechenpfenningen von diesen Schätzen abgekommen sind.

Happel Relat. curios. I, 236. Hamburg 1683. 4, etwas unvollständiger, sonst übereinstimmend mit Seyfried in Medulla p. 481, in Grimms Deutsch. Sag. Nr. 41, wo richtiger die Kleinode unter zwei Söhne und eine Tochter verteilt werden. Westphalen IV, praef. 219. – Nach einer mündlichen Überlieferung bei Thiele, Danm. Folkes. I, 133 fährt das Männlein die Gräfin in den Keller des Schlosses Breitenburg; sie erhält eine goldene Spindel für ihre Tochter und einen goldenen Säbel für ihren Sohn. Nach einer Anführung ebendas. aus Miscell. Rostgaard. Mss. bestehen die Gaben aus einem Tischtuch, einer Spule und Gold, woraus eine Kette und Münzen verfertigt werden. Frau Sophia Ranzau auf Seeholm habe dies von ihres Großvaters Heinrich Ranzaus Frau erzählt. – Die Sage von der Frau von Hahn, die nach Grimm, Deutsche Sagen Nr. 69 von einem Wassernix geholt wird, stimmt, wie sie mir einst auf Neuhaus am Selenter See erzählt ward, mit der ranzauischen. Die Gräfin wird in den Keller des Hauses geholt, erhält Hobelspäne zum Geschenk, die sich in Gold verwandeln; ein großer Becher wird auf Neuhaus noch gezeigt, die andern daraus verfertigten Sachen sind abhanden gekommen. Das Geschlecht ist bekanntlich ein mecklenburgisches.

2.

Die neuvermählte Gräfin, welche aus einem dänischen Geschlecht abstammte, ruhte an ihres Gemahles Seite, als ein Rauschen geschah: die Bettvorhänge wurden aufgezogen und sie sah ein wunderbar schönes Fräuchen, nur ellenbogengroß mit einem brennenden Licht vor ihr stehen. Dieses Fräuchen hub an zu reden: »Fürchte dich nicht, ich tue dir kein Leid an, sondern bringe dir Glück, wenn du mir Hilfe leistest, die mir nottut. Steh auf und folge mir, wohin ich dich leiten werde, hüte dich etwas zu essen von dem, was dir geboten wird, nimm auch kein ander Geschenk an außer das, was ich dir reichen will, und das kannst du sicher behalten.«

Hierauf ging die Gräfin mit und der Weg führte unter die Erde. Sie kamen in ein Gemach, das flimmerte von Gold und Edelsteinen und war erfüllt mit lauter kleinen Männern und Weibern. Nicht lange, so erschien ihr König und führte die Gräfin an ein Bett, wo die Königin in Geburtsschmerzen lag, mit dem Ersuchen, ihr beizustehn. Die Gräfin benahm sich aufs beste und die Königin wurde glücklich eines Söhnleins entbunden. Da entstand große Freude unter den Gästen, sie führten die Gräfin zu einem Tisch voll der köstlichsten Speisen und drangen in sie zu essen. Allein sie rührte nichts an, ebensowenig nahm sie von den Edelsteinen, die in goldenen Schalen standen. Endlich wurde sie von der ersten Führerin wieder fortgeführt und in ihr Bett zurückgebracht.

Da sprach das Bergfräuchen: »Du hast unserm Reich einen großen Dienst erwiesen, der soll dir gelohnt werden. Hier hast du drei hölzerne Stäbe, die leg unter dein Kopfkissen und morgen früh werden sie in Gold verwandelt sein. Daraus laß machen: aus dem ersten einen Hering, aus dem zweiten Rechenpfenninge, aus dem dritten eine Spindel und offenbare die ganze Geschichte niemandem auf der Welt, außer deinem Gemahl. Ihr werdet zusammen drei Kinder zeugen, die die drei Zweige eines Hauses sein werden. Wer den Hering bekommt, wird viel Kriegsglück haben, er und seine Nachkommen; wer die Pfenninge, wird mit seinen Kindern hohe Staatsämter bekleiden; wer die Kunkel, wird mit zahlreicher Nachkommenschast gesegnet sein.«

Nach diesen Worten entfernte sich die Bergfrau, die Gräfin schlief ein und als sie aufwachte, erzählte sie ihrem Gemahl die Begebenheit wie einen Traum. Der Graf spottete sie aus, allein als sie unter das Kopfkissen griff, lagen da drei Goldstangen; beide erstaunten und verfuhren genau damit wie ihnen geheißen war.

Die Weissagung traf völlig ein und die verschiedenen Zweige des Hauses verwahrten sorgfältig die Schätze. Einige, die sie verloren, sind verloschen. Die vom Zweig der Pfennige erzählen: einmal habe der König von Dänemark einem unter ihnen einen solchen Pfennig abgefordert und in dem Augenblicke, wie ihn der König empfangen, habe der, so ihn vorher getragen, in seinen Eingeweiden heftigen Schmerz gespürt.

In Grimm, Deutsche Sagen I S. 52 aus dem Amant oisif Bruxelles 1711 S. 405 bis 411, wo die Gräfin la comtesse de Falinsperk genannt wird. – Eine versifizierte Bearbeitung der Sage im Itzehoer Wochenblatt 1830, Nr. 7, stimmt insofern mit dieser Version, daß auch hier ein Bergweiblein die Vermittlerin zwischen Unter- und Oberwelt ist. Die Gräfin Anna (Walstorp), Johann Ranzaus Frau, hat sie beschützt, als sie, in eine Kröte verwandelt, einmal im Garten die Gräfin erschreckte und ein Diener sie töten wollte. Vgl. Nr. 462. – Die Gemahlin Johann Ranzaus, des Gründers der Herrschaft Breitenburg, nennt auch Rhode in Antiq. Remarq. S. 68. etc. etc.

3.

Eine mildtätige Gräfin auf Breitenburg, die oft den Kranken selbst die Hausmittel hintrug, ward eines Abends während eines wilden Wetters zu einer alten kranken Frau gebeten, die am andern Ende des Dorfes wohnte. Sie war auch bereit, aber ihr Gemahl verbot es. Als sie nun allein in der Dämmerung saß, hörte sie ein Geräusch und vor ihr stand der Hauskobold mit Kräutern und Tränken; die hieß er sie nehmen und der Kranken hintragen, und der Stimme ihres eigenen Herzens mehr folgen, als dem Gebote ihres Eheherrn. Die Gräfin folgte dem Geheiß des Kobolds, und durch ihre Pflege und die Tränke erholte sich die Kranke sichtlich. Als nun am andern Abend die Gräfin wieder in der Dämmerung allein saß, sah sie den Kobold am Kamin stehen und Kohlen schüren. Als das Feuer hell aufloderte, warf er eine Schürze voll Hobelspäne hinein und sprach zu der Gräfin: »Wenn das Feuer ausgebrannt, so suche in der Asche; was du darin findest, das hebe sorgsam auf. So lange die Dinge in deinem Geschlecht find, wird das Glück den Grafen Ranzau treu sein.« Als die Glut verlosch, sah die Gräfin nach und fand eine goldne Spindel, einen goldenen Becher und noch ein Drittes. Das letzte ist an einen jüngern Zweig gekommen, der es verloren hat und jetzt güterlos ist. Die Spindel aber ist noch auf Breitenburg, der Becher auf Rastorf.

Nach mündlicher Erzählung eines Gliedes des Ranzauischen Familie. – Majors Collect. Ms. Fol. 17 b: Auf Breitenburg werden 50 güldene Pfenninge verwahrlich gehalten, in einem silbernen Schachtelchen, worauf Joh. Ranzau und Frau Anna Walstorfen Wappen. Die Schrift auf diesen Pfennigen ist gestochen und mit schwarz ausgemacht. – Es soll auch ein Graf Ranzau in Eutin alle Teile jetzt in Besitz haben, bis auf einen goldenen Pfennig, der sich in einem Kabinett in Frankreich befindet. – Eine poetische Bearbeitung Provinzialberichte 1820, 71: Frau Hedwig hat einen Knaben geboren. Eine Kröte kommt auf ihr Zimmer drei Abende nacheinander, und sie futtert sie. Darauf kommt ein Zwerg etc. – Vgl. noch Kobbes Humorist. Blätter 1843, im Herbst.

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