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In einer Nacht erwachte eine alte Frau in Kiel und meinte, es sei Zeit zur Frühpredigt zu gehen; es schien ihr, als wenn die Glocken und die Orgel gingen. Sie stand auf und nahm Mantel und Laterne, es war Winter, und ging zur Nikolaikirche. Aber da konnte sie sich gar nicht mit den Gesängen zurecht finden, alle Zuhörer sangen ganz anders als in ihrem Gesangbuche stand, und die Leute kamen ihr auch so unbekannt vor, ja neben ihr erblickte sie eine Frau, gerade wie ihre längst verstorbene Nachbarin. Da näherte sich ihr eine andre Frau, auch längst verstorben, es war ihre selige Gevatterin; die sagte zu ihr, sie sollte hinausgehen, denn die Kirche wäre jetzt nicht für sie; sie möchte sich aber nicht umsehen, sonst könnte es ihr schlimm ergehen. Die Frau ging fort so schnell sie konnte, und da die Kirchtür rasch hinter ihr zuschlug, blieb ihr Mantel hängen. Da schlug die Uhr eben zwölf. Sie häkelte den Mantel von den Schultern los und dachte ihn am andern Morgen wieder abzuholen. Aber am andern Morgen, als sie wieder kam, war er in lauter kleine Fetzen zerrissen: die Toten waren darüber hin getrippelt.
Durch Herrn Stud. Volbehr. – Auch vom Schleswiger Dom nach Kand. Arndt etwas abweichend. – Annalista Saxo ad. ann. 929. Peter Goldschmidt. Höll. Morpheus S. 358. Grimm, Deutsche Sagen Nr. 175. Kinder- und Hausmärchen II, S. 520 (5. Aufl.). Mones Anzeiger VII, 53. Bechstein, Fränk. Sagen S. 124. Bechstein, Thüring. Sagen III, 134. Wolf, Niederl. Sagen Nr. 581. Das Lied bei Uhland II, Nr. 357.
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