Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

643. Das schöne grüne Haus.

Es ging ein Matros an einen Brunn
Und schauet ins tiefe Tal;
Was sah er in der Ferne?
Eine wunderschöne Dam'.

»Guten Tag, guten Dag, schön Damelein.«
»Schön Dank, du junger Matros.«
Er bot dem Mädchen zu trinken,
Zu trinken aus seinem Glas.

Sie nahm das Gläschen in ihre Hand
Und brach's in der Mitte entzwei:
»Sieh hier, sieh da, du junger Matros,
Hier hast du meine Treu.«

»Was soll ich mit deiner Treue tun?
Was soll ich denn damit tun?
Du bist nur eine arme Dienstmagd
Und ich bin ein junger Matros.«

»Daß ich nur eine arme Dienstmagd bin,
Das wissen der Leute noch mehr:
Matrose, so du mich nicht haben willst,
Hat Gott mir ein andern bescheert.«

Und als sie auf halbem Wege kam,
Ihr Vater und Mutter waren tot:
Da war sie das reichste Mädchen
In sieben Dörfern groß.

Und als der Matrose das vernahm,
Ging er zum Bootsmann hin:
»Ach Bootsmann, ich muß reisen
Nach mein'm Feinsliebchen hin.«

Und als der Matrose im Dorfe kam
Vor ein schönes grünes Haus:
»Feinsliebchen, bist du darinnen,
So schaue doch einmal heraus.«

Feinsliebchen die schaute zum Fenster hinaus,
Und sah wohl in der Fern
Einen jungen Matrosen da stehen,
Sie liebte ihn gar zu gern.

»Was schilderst du hier, du Schilderknecht?
Was schilderst du in mein'm Land?
Als ich das letzte Mal bei dir war,
Verweigerst du mir die Hand.

Als ich dir meine Treue anbot,
Was sagtest du da zu mir?
Nun ich das reichste Mädchen bin.
Nun kenne ich auch nicht dich.«

»Feinsliebchen, so du mich nicht haben willst,
So geh ich gleich nach meinem Schiff,
Nach meinem weiten Hafen,
Wo ich allzeit so gerne bin.«

Sie nahm das silberne Becherlein,
Goß darein den roten kühlen Wein:
»Sieh hier, sieh da, du junger Matros,
Du sollst mein eigen sein.«

Aus Marne. Offenbar eine Umbildung des bekannten Liedes: »Ich stund auf hohen Bergen und sah ins tiefe Tal«, oder wie es hier bei uns gesungen wird: Ich stand auf hohen Bergen und sah die Seefahrt an etc. – Uhland I, 216.

*

 


 << zurück weiter >>