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Frances saß, als Mark zur Galerie zurückkehrte, wieder am Tisch.
»Nun«, fragte Mark, als er sich setzte, »wie ging die Sache?«
»Nicht besonders«, bekannte sie. »Er tanzt lange nicht so gut wie Sie. Und neugierig war er, kaum zu glauben! Was geht es ihn an, weshalb und mit wem ich hierher komme?«
»Ist er vielleicht eifersüchtig?«
»Ich weiß es nicht.« Sie zuckte die Achseln. »Er ist wie alle Männer. Bietet sich ihm etwas, dann schlägt er es aus, weil es ihm nicht wertvoll genug vorkommt. Droht ein anderer Mann, das, was sich ihm bot, wegzunehmen, schon möchte er es wieder haben. Als er erfuhr, daß Sie der ›große‹ Mr. van Stratton – der berühmte Polo-Champion und Millionär – sind, war er tief beeindruckt. Er schien sich zu fragen, ob das Mädchen, das der Aufmerksamkeit eines van Stratton würdig ist, nicht auch für ihn in Frage käme. Er wacht zu der Erkenntnis auf, als habe er etwas versäumt.«
»Diese Charakterisierung ist zwar wenig schmeichelhaft für denjenigen Mann, doch sie scheint berechtigt zu sein«, stellte Mark fest.
»Ich kenne ihn doch so gut«, seufzte Frances. »Er hat seine guten Seiten, und ich habe ihn gern, aber – ändern wird er seinen Charakter niemals. Keiner kann ihn bessern, niemand ihm seinen Egoismus vergessen machen. Würde ich ihn wirklich einmal heiraten, dann können Sie sich darauf verlassen, daß er zum mindesten dreimal in jeder Woche ausgehen und auswärts essen wird, ohne auch nur im Traum daran zu denken, mich mitzunehmen. Sonnabend und Sonntag wird er auf Sportplätzen zubringen oder Billard spielen wollen. Wenn wir Kinder hätten, würde er sie als Last empfinden und sich öfter als sonst von zu Hause fernhalten. Hätte er Geld genug, würde er sich hin und wieder auch betrinken. Wenn er mir manchmal einen Kuß gäbe, so würde ihm das die Erfüllung seiner Ehepflichten bedeuten. Wie viele Ehemänner glauben mit einem Kuß die Sünden abgebüßt zu haben, deren sie sich außerhalb des Hauses schuldig machten.«
»Das ist kein beglückendes Bild häuslicher Zukunft«, stellte Mark fest. »Wenn Sie ihn wirklich so sehen, und wenn er mit dieser Schilderung übereinstimmt, dann würde ich mir es an Ihrer Stelle überlegen, seine Frau zu werden.«
»Immerhin ist das alles noch der schrecklichen Einsamkeit des Alters vorzuziehen«, erklärte Miß Moreland. »Böte sich mir eine andere Gelegenheit, ihr zu entgehen, so würde ich sie sicher begrüßen. So aber, mit den eisigen Fingern absoluter Verlassenheit nahe meinem Herzen, ziehe ich vor, Sidney zu nehmen wie er ist. Ich würde alles tun, um dem Schicksal der alten Jungfer zu entgehen.«
»Einsamkeit ist ein relativer Begriff«, seufzte Mark. »Sie können alles haben, was Ihr Herz sich wünscht und sich trotzdem einsam fühlen. Wie kann man sein ganzes Glück an einen Menschen hängen? Auch wenn man mitten im Leben steht, kann man das Gefühl der Vereinsamung kennen lernen, Miß Moreland.«
Das Lokal leerte sich, und auch Mark bereitete sich vor, aufzubrechen:
»Ihr Anbeter blickt recht oft hier herauf«, stellte er mit einem Blick nach unten fest.
»Ich weiß«, nickte sie. »Er tut, als hätte er mir etwas Wichtiges mitzuteilen. Er sucht nach einer Gelegenheit, mich nach Hause zu begleiten.«
»Ich borge Ihnen gern meinen Wagen«, erbot sich Mark. »Ich kann mir ein Taxi nehmen.«
Sie ließ sich zum erstenmal, seit sie ihn kennengelernt hatte, zu einer kleinen Familiarität hinreißen; sie legte ihm ihre Hand auf den Arm:
»So etwas kommt gar nicht in Frage«, erklärte sie energisch. »Sie haben mir einen Abend geschenkt, der mein ganzes Leben ausfüllen wird. Brächte mich ein anderer nach Hause, dann würde er mit einer Enttäuschung für mich enden. Ich habe übrigens Mr. Howlett bereits darauf vorbereitet, daß Sie mich nach meiner Wohnung begleiten. Will er mit mir zusammen sein, dann kann er mich morgen abend ausführen.«
Sie verließen das Lokal und nahmen in Marks Auto Platz. Ein leichter Regen rieselte herab, und die Straßen waren so gut wie menschenleer.
»Ich habe wenig Erfahrung im praktischen Leben«, sagte das Mädchen, als das Auto sanft ihrer Wohnung zurollte. »Einmal versuchte ein Mann in Paris meine Hand festzuhalten, und ich wurde sehr zornig. Sie aber, Mr. van Stratton, möchte ich bitten, meine Hand festzuhalten.«
Er umfaßte ihre schlanken Finger, und sie lehnte sich mit einem wohligen Seufzer tief in den Sitz zurück:
»Es ist wie im Traum«, flüsterte sie. »Warum haben Sie mich eigentlich eingeladen? Aus Mitleid?«
»Unsinn«, wies er sie zurecht. »Reiner Egoismus war es. Ich hatte den Abend frei und wußte, daß Sie eine glänzende Gesellschafterin sein würden. Wir treffen uns wieder?«
»So oft Sie wollen.«
Sie näherten sich ihrem Hause, und sie schmiegte sich enger an ihn:
»Nun bedrückt mich wieder dieses entsetzliche Gefühl der Einsamkeit«, gestand sie. »Kein Mensch ist zu sehen, und die Häuser blicken so finster und ernst. Wie oft schritt ich, ohne einen Menschen zu begegnen über diese Brücke.«
»Auch Ihre Einsamkeit wird ein Ende nehmen«, tröstete er die Verzagte. »Ich glaube, prophezeien zu können, daß Mr. Howlett Sie bald einmal in ernster Angelegenheit besuchen wird.«
»Möglich«, entgegnete sie, ohne besondere Freudigkeit zu verraten. »Nach dem heutigen Abend weiß ich noch gar nicht so gewiß, ob mir an diesem Besuch viel liegt.«
Der Wagen hielt vor ihrem Haus, und sie verließ ihn, ohne sich von ihrem Begleiter zu verabschieden. Er folgte ihr zögernd, als sie das Haus betrat:
»Wollen Sie nicht ›Gute Nacht‹ sagen?« fragte er.
»Bitte, begleiten Sie mich bis an meine Tür«, bat sie. »Ich möchte mit dem beruhigenden Gefühl meine Wohnung betreten, daß mich zum erstenmal in meinem Leben jemand sicher nach Hause gebracht hat. Wollen Sie?«
»Selbstverständlich.«
Sie hängte ihren Arm in den seinen. Als sie im fünften Stock angekommen waren, deutete sie auf die Visitenkarte, die ihre Wohnung anzeigte:
»Hier wohne ich. Bitte, schließen Sie für mich auf.«
Er gehorchte und stand in einem kleinen Zimmer, das ein Muster von Sauberkeit, aber auch eines von Unbehagen war. Ein kleines, halb erstorbenes Feuerchen schwelte im Kamin:
»Sehen Sie, hier lebe ich. Horchen Sie!«
Nicht ein Laut ließ sich vernehmen. Plötzlich faßte sie seine Hand:
»Am Tag des 11. November, der ersten Feier des Waffenstillstandes, küßten mich zwei Männer; beide waren betrunken. Später versuchte es ein dritter, den ich zornig zurückwies. Seitdem hat mich nur ein Mann ein einziges Mal geküßt: Sidney Howlett, als er mir unten vor der Tür ›Gute Nacht‹ sagte. Kein sehr reichhaltiger Bestand, nicht wahr?«
Er lächelte ihr, mit seiner Rechten fest ihre Hände umklammernd, zu:
»Ich wünschte, Sie hätten mir das vor drei Tagen sagen können«, flüsterte er. »Mein Herz war noch frei, und ich wäre glücklich geworden. Seitdem hat sich alles in mir verändert. Sie wissen, was ich meine. Ich möchte Ihnen mein Herz, das einer andern gehört, nicht anbieten, denn es wäre eine Beleidigung für Sie.«
Sie hatte ihre Ruhe wiedergefunden. Mit einer energischen Bewegung führte sie ihren Gast an die Tür:
»Sie sind ein Engel«, stellte sie mit erstickter Stimme fest. »Ich freue mich auf den nächsten Abend, den wir zusammen verbringen. Morgen will ich Ihnen helfen, soweit es in meiner Macht steht. Bitte, schalten Sie das Licht aus, wenn Sie unten ankommen.«
Sie blieb in der geöffneten Tür stehen, bis sie seine Schritte in den unteren Stockwerken verhallen hörte. Dann winkte sie noch einmal nach unten und trat mit einem Seufzer in ihr Zimmer zurück.
Als Mark das Steuer seines Wagens ergriff, fühlte er sich seltsam bedrückt.