Edward Phillips Oppenheim
Spekulanten
Edward Phillips Oppenheim

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32

Am folgenden Morgen betrat Mark gegen einhalb nach zehn Uhr die Milan Court und wartete, den Portier an seiner Seite, auf den Fahrstuhl. Als dieser endlich unten aufsetzte, zog der Mann einen Schlüssel hervor und öffnete die Sammelbüchse, die ein Verein für die Rettung von Straßenkindern im Fahrstuhl angebracht hatte.

»Das gehört Ihnen, Sir«, sagte der Pförtner und reichte Mark ein kleines Päckchen.

»Ja, das gehört mir. Hier, diese Zehnpfundnote stecken Sie in die Sammelbüchse, und diese fünf gehören Ihnen.«

»Herzlichen Dank, Sir«, erwiderte der angenehm Überraschte. »Ich zerbreche mir den Kopf, wie Ihr Päckchen in diesen Kasten geraten sein kann.«

»Ich habe es absichtlich hineingeworfen«, entgegnete Mark lächelnd. »Ich war mit einigen Leuten zusammen, die es gern haben wollten, und ich hielt diese Büchse für den sichersten Aufbewahrungsort.«

»Das haben Sie fein gemacht, Sir«, erklärte der Portier kichernd.

Mark fuhr nach dem Cruton-Palast und ließ sich melden. Felix Dukane empfing ihn in seinem Arbeitszimmer.

»Nun?« empfing er seinen Besucher.

»Ich habe Glück gehabt«, meldete Mark. »Anderseits aber auch Pech.«

»Machen Sie keine langen Faxen«, forderte ihn der Finanzier auf. »Haben Sie den Schlüssel?«

»Ich habe ihn. Kein anderer!«

Dukane lehnte sich mit einem erleichterten Seufzer zurück:

»Warum machen Sie so viele Umschweife?« fragte er.

»Ich habe mein Wort gegeben, die Papiere nicht an Sie auszuhändigen. Sie werden in meinem Besitz bleiben.«

»Das schadet nichts, vorausgesetzt, der Franzose bekommt sie nicht. Haben Sie die Dokumente gelesen?«

»Nein, noch nicht.«

»Wieviel mußten Sie denn dafür bezahlen?«

»Dreihunderttausend Pfund!«

»Wollen Sie einen Scheck?«

»Darüber sprechen wir noch. Vorläufig habe ich noch keinen Anspruch auf Ihr Geld, denn ich weiß ja noch nicht, ob ich Ihnen die Papiere überhaupt geben werde. Vielleicht werden unsere künftigen Beziehungen eine Bezahlung meiner Auslagen überhaupt unnötig machen«, fügte er anzüglich hinzu.

Dukane lächelte:

»Sie sind ja ein ganz energischer Mensch, Mr. van Stratton. Nun, das ist kein Fehler. Essen Sie mit uns?«

»Mit Vergnügen. Darf ich, da wir uns allein gegenübersitzen, endlich um die Hand Ihrer Tochter Estelle anhalten?«

»Glauben Sie, daß sie mit dieser Werbung einverstanden ist?«

»Das weiß ich zwar nicht, hoffe es aber aus verschiedenen Gründen. Es wird nicht lange dauern, bis sie freudig zustimmen wird.«

»Wissen Sie, daß meine Tochter eine Milliardenerbin sein wird?«

»Das interessiert mich wenig«, gab Mark zurück. »Was wir benötigen, habe ich selbst.«

»Immerhin bringt der Besitz eines großen Vermögens Verpflichtungen mit sich, Mr. van Stratton. Ich hatte mir fest vorgenommen, meine Tochter mit dem Prinzen Andropulos von Drome zu verheiraten!«

»Ein ganz entsetzlicher Kerl, dieser Prinz«, urteilte Mark. »Ihre Tochter läßt sich vielleicht im Anfang von dem Gedanken, Prinzessin oder gar Königin zu werden, blenden, aber bestimmt würde sie es bald überbekommen.«

»Sie scheinen nicht wenig von sich eingenommen zu sein.«

»Habe ich keine Ursache dazu?« fragte der Bewerber in spe.

»Auch ich genieße den Vorzug, Energie zu besitzen, mein Herr«, erklärte der Finanzier. »Wenn ich mir einmal etwas vorgenommen habe, führe ich es auch aus. Ich beabsichtige, wie ich Ihnen schon mitteilte, meine Tochter mit jenem Prinzen zu verheiraten.«

»Ja, das verstehe ich, glaube aber, daß Sie von diesem Gedanken abkommen werden. Nicht Sie, sondern Ihre Tochter soll ihn ja heiraten. Und ich zweifle nicht einen Augenblick daran, daß sie sich diesem Plan widersetzen wird.«

»So? Nun, warten wir ab. Essen dürfen Sie trotzdem mit uns. Ich schulde Ihnen Dank! Sie haben für mich dreihunderttausend Pfund ausgelegt. Später dürfen Sie uns dafür, wenn wir in Drome wohnen, hin und wieder besuchen.«

»Ich beabsichtige nicht, mit Estelle meinen Wohnsitz dort aufzuschlagen«, entgegnete kühl der junge Mann. »Wir wollten uns in Beaulieu, Paris oder vielleicht in London niederlassen. Estelle wird sicher eine passionierte Jägerin werden. Sie dürfen uns aber jederzeit besuchen, Mr. Dukane.«

»Wenn sie jagen will, dann hat sie genug Gelegenheit in Drome«, erwiderte Dukane trocken. »Die Suite, die meine Tochter im königlichen Schloß bewohnen wird, gefällt mir sehr gut. Ich habe sie schon besichtigt.«

»Sie werden Ihre Ansichten ändern, Mr. Dukane«, bemerkte Mark lächelnd.

*

Hugerson saß, als Mark die Botschaft betrat, in seinem Arbeitszimmer. Von nebenan klang das Klappern der Schreibmaschine.

»Liegt etwas vor, Mr. Hugerson?« erkundigte sich Mark.

»Nichts. Wir sind bald fertig. Mrs. Widdowes hat schon ein paarmal gefragt, wann Sie wieder für sie tätig sein werden.«

»Ist noch etwas aus Ihren Berichten durchgesickert?« wollte Mark wissen.

Hugerson schüttelte verneinend den Kopf:

»Bisher habe ich nichts weiter bemerkt. Setzen Sie sich, Mark, und brennen Sie sich eine Zigarre an.«

»Ich möchte mich erst einmal nach den Wünschen Mrs. Widdowes' erkundigen.«

Auf seinem Weg zur Gattin des Botschafters traf er Myra:

»Seht ihn, wie er abgespannt von seiner Fron kommt«, rief sie ihm angeregt entgegen. »Es ist zwar noch früh, aber wir können uns doch einige Cocktails genehmigen. Warum so bleich, geliebter Mark? Ist es wirklich wahr, daß Estelle Dukane den Prinzen heiratet?«

»Ich bezweifle es«, entgegnete er. »Sie wird mich ihm sicher vorziehen.«

»Es ist wirklich so, wie man von uns Amerikanern behauptet«, lachte Myra. »Uns fehlt die Frechheit nicht. Estelle soll Königin werden; Mr. Dukane so eine Art Operettenminister! Ich bin heute morgen mit Ihrem Freund Lord Dorchester im Hyde Park geritten. Die Nachricht von Miß Dukanes baldiger Verlobung scheint ihn hart getroffen zu haben.«

»Einer von uns beiden wird sich von Ihnen trösten lassen müssen, Myra«, scherzte Mark, »wenn wir uns unseren Korb bei Estelle abgeholt haben.«

»Ja, ich weiß wirklich noch nicht, welchen ich nehmen werde. Kommen Sie zum Essen?«

»Nein, heute nicht.«

»Schade«, seufzte sie. »Lord Henry kommt, und ich hätte euch gern zu Vergleichszwecken nebeneinander gesetzt. Man kann auf diese Weise eher zu einem Entschluß gelangen.«

»Ich speise heute bei meinem künftigen Schwiegervater, Myra.«

»Ahnt er etwas von dem bevorstehenden Verwandtschaftsverhältnis?«

»Ja, mitgeteilt habe ich es ihm, er scheint aber noch etwas skeptisch zu sein.«

Mr. Widdowes trat ein. Er hielt einige Papiere in der Hand.

»Was gibt's Neues, Vater?« wollte Myra wissen.

»Unser italienischer Heißsporn soll wieder einmal einige Drohreden geschwungen haben und damit bei seinem König angeeckt sein. In Whitehall, dem hiesigen Außenministerium, rennen sie durcheinander wie erschreckte Hühner. Einer der Balkanstaaten hat eine Völkerbundversammlung beantragt.«

»Er scheint sich zu einer Art Kinderschreck zu entwickeln, unser italienischer Gernegroß, wie?« meinte Mark.

Der Botschafter nickte nachdenklich:

»Das liegt daran, daß sein Persönlichkeitsdrang größer ist als seine Fähigkeiten. Europa hat schon mehrmals das Pech gehabt, derartige Charaktere hervorzubringen. Bleiben Sie zum Lunch, Mark?«

»Nein, leider nicht. Ich habe eine kleine persönliche Feier vor.«

 


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