Edward Phillips Oppenheim
Spekulanten
Edward Phillips Oppenheim

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36

Mit schwerem Herzen fand Mark sich zum Dinner bei Felix Dukane ein. Das strahlende Lächeln Estelles folterte ihn, der kurze Händedruck rief ihm das hagere Gesicht Raouls ins Gedächtnis zurück, die freudigen Willkommensworte Estelles ließen ihn seine Absicht nur um so verräterischer erscheinen. Sogar Felix Dukane begrüßte ihn strahlend, wenn er sich auch einer leichten Grimasse bei seinem Anblick nicht erwehren konnte. Der Prinz fehlte unter den Gästen, und Mark erkundigte sich nach der Ursache.

»Sollte ich ihn an Ihrer Statt einladen«, fragte Estelle. »Ich brachte es offen gesagt nicht übers Herz, und Vater war damit einverstanden.«

»Sie zogen mich vor?«

»Es hat den Anschein«, erwiderte sie und wandte sich einem eintretenden Gast zu.

Die Tischdame Marks, Miß Sybil Loftus, bemühte sich lange Zeit vergebens, dem Stummen, den man ihr als Tischherrn zugeteilt hatte, zum Sprechen zu bewegen.

»Sie sind bei der amerikanischen Botschaft?« erkundigte sie sich.

»In sehr untergeordneter Stellung«, gab er zurück.

»Ich traf vor einigen Tagen Mr. Hugerson. Vater meinte, er wäre einer Ihrer interessantesten Landsleute.«

»Ich kenne zwar Ihren Herrn Vater nicht«, erklärte Mark, »aber sein Urteil beweist mir, daß er ein sehr vernünftiger Mann sein muß. Wir könnten drüben noch ein paar Leute vom Schlag Hugersons brauchen.«

»Sie waren sein Sekretär, nicht wahr?«

Mark schüttelte den Kopf:

»Ich half ihm ein wenig bei seiner Arbeit; das war alles.«

Die junge Dame seufzte:

»Schade, und ich hatte gerade gehofft, Sie würden mir etwas von seinen Eindrücken erzählen können. Mein Bruder interessiert sich sehr für internationale Politik, und ich wollte ihm ein wenig helfen.«

»Ich verstehe davon gar nichts«, beichtete der junge Mann.

»Aber Sie sind doch Diplomat, nicht wahr?«

»Ja, aber ein so minderwertiger, wie ich es bin, darf nicht aus der Schule plaudern, Miß Loftus«, machte er sie aufmerksam.

Sie lachte:

»Gut, sprechen wir vom Polo. Ich habe mir ein Ponygespann gekauft, das herrlich ist. Für Sie natürlich zu leicht.«

So angenehm auch die Mahlzeit verlief – Mark erschien sie wie ein Alpdruck. Nach Aufhebung der Tafel nahm er allen Mut zusammen und sprach Dukane an:

»Könnte ich, ehe ich fortgehe, mit Ihnen ein paar Worte unter vier Augen sprechen?«

»Wahrscheinlich die alte Sache, wie?« gab der Finanzier zurück. Doch er lächelte freundlich. »Estelle kann mitkommen.«

Hier machte sich Estelles Einfluß geltend; Mark hatte eine Schlacht gewonnen, um sie gleich darauf wieder zu verlieren.

»Gern, wenn es sie interessiert. Was ich Ihnen mitzuteilen habe, betrifft sie ja auch!«

Sie begaben sich in die Bibliothek und Estelle nahm in einem bequemen Stuhl Platz. Mark suchte eine passende Einleitung zu seiner Mitteilung.

»Ich befürchte, Sir«, wandte er sich an den Hausherrn, »daß das, was ich Ihnen zu sagen habe, Sie sehr erzürnen wird.«

»Das ist sowieso schon der Fall«, entgegnete der andere, konnte sich aber einer leichten Überraschung nicht erwehren. »Machen Sie keine so langen Vorreden, sondern sagen Sie uns, was Sie zu sagen haben.«

Mark raffte allen Mut zusammen, doch er hielt seine Blicke nur auf Dukane gerichtet. Er wagte es nicht, das Mädchen anzusehen.

»Ich wollte Ihnen mitteilen, daß ich mich entschlossen habe, mein Versprechen nicht zu halten. Ich werde Brennans Kassette noch heute abend öffnen.«

Dukane und Estelle schwiegen; sie waren offensichtlich überrascht. Estelle richtete sich auf:

»Eine nette Überraschung«, rief sie aus. »Ich dachte, Sie hätten Vater meinetwegen um eine Unterredung gebeten.«

»Was wollen Sie denn eigentlich?« brach nun der Finanzier los. »Hatten Sie nicht versprochen, Sie wollten alles solange in der Schwebe lassen, bis ich mein Einverständnis gäbe, zu handeln?«

»Das war meine Absicht«, erklärte Mark. »Es hat sich jedoch etwas ereignet, was mich mein Vorhaben aufgeben ließ. Vor einigen Stunden hat man mir überzeugende Beweise unterbreitet, daß die Frankenbaisse, die so viel Unglück über Frankreich gebracht hat, nicht die Folge internationaler Beziehungen, sondern das Resultat niedriger und gemeiner Spekulationen ist.«

Ein bedrücktes Schweigen herrschte in dem luxuriös ausgestatteten Zimmer. Die Eröffnungen Marks hatten wie Blitzstrahlen gewirkt. Ein kurzer Blick Marks auf Estelle prophezeite ihm sein Schicksal.

»Von wem haben Sie denn diese Weisheit erfahren?« fragte Dukane höhnisch.

»Vom Oberst de Fontenay.«

»Ein Franzose, nicht wahr?«

»Sie scheinen jeden Franzosen für einen Hysteriker zu halten, Sir«, gab Mark zurück. »Raoul ist einer meiner besten Freunde und ein Mann, auf dessen Wort ich mich felsenfest verlasse. Glauben Sie, ein Land verdient es, durch die Machenschaften gewissenloser Spekulanten zur Ehrlosigkeit herabgewürdigt zu werden?«

»Kein Mensch beabsichtigt das«, stellte Dukane fest.

Mark feuchtete seine trockenen Lippen an. Er richtete seine Worte an Dukane, doch hatte er sich ein wenig gedreht, so daß sie ebenso Estelle galten:

»Ich bitte Sie, Sir, sich vor Augen zu halten, in welchem Dilemma ich mich befinde! Ich habe Brennans Geheimnis für Sie kaufen wollen, das stimmt. Aber ich ahnte von dem wirklichen Inhalt nichts.«

»Auf meine Anregung hin handelten Sie«, erinnerte ihn barsch der Finanzier. »Sie waren weiter nichts als ein Werkzeug meines Willens.«

»Anfangs vielleicht«, gab Mark zu. »Jedenfalls läßt sich die Tatsache nicht aus der Welt schaffen, daß ich in meinen Bemühungen erfolgreich blieb. Ich bedaure, aber ich muß meine Mitteilung wiederholen: Ich beabsichtige, mein Wort, das ich Ihnen gab, nicht zu halten.«

Dukane atmete hörbar:

»Sie wollen es wagen, den größten Plan zunichte zu machen, den ich je im Leben durchzuführen versuchte?« brach er los.

»Es tut mir leid«, wiederholte Mark, »aber es gibt Dinge, die man nur mit sich selbst abmachen kann.«

»Zum Teufel mit Ihnen und Ihrer Ehre!« schrie der andere. »Hinaus! Haben Sie mich verstanden? Und hoffentlich auch du, Estelle?«

»Ja«, sagte Estelle.

Sie warf die Zigarette, die sich bisher unbeachtet zwischen ihren Fingern aufgezehrt hatte, in den Aschebecher.

»Mein sehr verehrter Mr. van Stratton«, sagte sie, »Sie werden in meiner Erinnerung mit demselben Urteil eingehen, das sich andere Männer vor Ihnen ebenfalls zu verdienen wußten: Daß ihr alle Idioten seid. Ich habe Ihren Chauffeur benachrichtigt, daß Sie das Haus zu verlassen wünschen.«

 


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