Edward Phillips Oppenheim
Spekulanten
Edward Phillips Oppenheim

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38

»Mark wird wohl kaum kommen«, meinte Dorchester, als der Kellner ihm und de Fontenay im Foyer des Ritz die Cocktails serviert hatte.

»Das befürchte ich auch!« entgegnete Raoul. »Ich habe alles versucht, ihn zu erreichen; seit drei Wochen ist er verschwunden.«

»Weißt du, was ihn damals so plötzlich nach Paris geführt hat?« fragte der Lord.

Der Oberst lächelte:

»Ich kann es mir denken«, erwiderte er. »Aber das ist seine Sache. Aber siehe da: Dort kommt er!«

Mark kam den Gang herunter, beide Hände seinen Freunden entgegengestreckt. Er sah wohl aus, war jedoch schmaler geworden.

»Herzlichen Glückwunsch, Henry«, wandte er sich an den Lord. »Ich habe eben einen Blick in die ›Times‹ geworfen. Du hast die richtige Wahl getroffen: Myra ist ein süßes Dingelchen.«

»Der Meinung bin ich auch«, bestätigte der neugebackene Bräutigam. »Besten Dank, Mark; ich weiß, sie und du waren alte Freunde. Leider –«

»Das habe ich auch gelesen«, unterbrach ihn Mark. »Estelle Dukane hat sich mit Prinz Andropulos verlobt. Nun, ich habe ja nichts anderes verdient. Überall, wo Dukane etwas unternahm, mußte ich als sein Gegner auftreten. Das läßt sich nicht ändern.«

»Willst du mir nicht auch gratulieren?« fragte de Fontenay. »Der Frank ist auf über hundert gestiegen, und der Senat hat unser Budget gegen jede Opposition angenommen.«

»Meinen Glückwunsch, Raoul«, rief Mark aus. »Frankreich konnte nicht untergehen. Prost! Was gibt es sonst Neues?«

»Wir haben genug Stoff, um uns während des Mittagessens zu beschäftigen«, bemerkte Dorchester. »Du weißt doch, Mark, daß dein verflossener Schwiegervater bei jener Frankenspekulation über zwanzig Millionen verloren haben soll, nicht wahr?«

»Geschieht ihm recht; warum hat er sich mit jenem Deselle eingelassen«, erklärte Mark. »So eine gemeine Intrige!«

Sie nahmen an ihrem gewohnten Tisch im Speisesaal Platz. Dorchester war der einzige von den dreien, den die Ereignisse der letzten Zeit unberührt gelassen hatten. De Fontenays Haar war grauer geworden, und um die Lippen des Franzosen zogen sich tiefere Falten. Mark sah man es an, welche inneren Kämpfe er hatte durchmachen müssen; er sah gereifter und ernster aus.

»Darf man erfahren, Mark«, erkundigte sich Dorchester, »was dich vor einigen Wochen so plötzlich nach Paris geführt hat? Es muß doch zeitlich mit dem Selbstmord Deselles zusammengefallen sein. Seitdem haben wir von dir nichts gesehen und gehört.«

»Warum sollte ich aus meinen Handlungen ein Geheimnis gemacht haben?« fragte van Stratton. »Vorläufig befinde ich mich ja noch nicht auf der Rangstufe diplomatischer Verwendung außerhalb der Botschaft. Ich langweilte mich in London und fuhr los. Hugerson telegraphierte mir dann, daß ihn die Regierung als Gesandten in Drome zu sehen wünsche. Er hatte aber abgelehnt und mich mit der Einholung der Berichte betraut, die Washington haben wollte. Ich verbrachte eine ganz angenehme Woche im Königreich unseres Freundes Andropulos, mußte aber, wie immer, gegen Dukane auftreten. Er hatte ja eigentlich schon sämtliche Konzessionen in Händen, aber Washington und Wall Street scheinen ihm die Daumenschrauben angelegt zu haben. Jedenfalls glaube ich nicht, daß er mit seinen Dromer Plänen sehr erfolgreich war.«

»Das wird ihm kein Kopfzerbrechen machen«, meinte Lord Dorchester. »Ich hörte eben gestern erst von einem Finanzministerialbeamten, daß Dukane einem europäischen Staat sechzehn Millionen geliehen hätte. Der Mensch ist unverwüstlich, ein finanzieller Riese. Seine Besitzungen in Südamerika bringen ihm Millionen ein.«

»Was planst du denn für die Zukunft, Mark?« erkundigte sich der Oberst.

»Wenn mich Widdowes weiter behalten will, werde ich hier bleiben, wenn nicht, kehre ich nach New York zurück. Einer meiner Teilhaber ist vor wenigen Tagen gestorben, und ich glaube, das Geschäft braucht mich, um die europäischen Angelegenheiten zu bearbeiten. Arbeiten will ich auf alle Fälle.«

»Mr. Widdowes wollte hierherkommen«, verkündete Dorchester. »Meine alte Dame hat Geburtstag und die Familie eingeladen. Hier kommen sie schon.«

Mark stand auf:

»Ich möchte Myra begrüßen«, sagte er.

»Sie würde es dir übelnehmen, wenn du es versäumtest«, meinte Dorchester. »Ich begleite dich.«

»Ich bedaure Ihre Wahl, Myra«, scherzte Mark. »Warum haben Sie denn nicht noch etwas länger gewartet. Wer weiß, ob wir nicht ein Paar geworden wären. Na, Henry ist auch nicht der Schlimmste, Myra. Jedenfalls, alles erdenkliche Gute!«

Sie lächelte ihn gerührt an:

»Sie brauchen nur ein Wort zu sprechen und ich löse meine Verlobung wieder, Mark«, sagte sie schelmisch. »Na, ich werde wohl meinem Erwählten treu bleiben müssen. Sie kommen doch zu unserer Hochzeit, nicht wahr?«

»Aber gewiß doch«, erwiderte Mark. Entschuldigen Sie, ich muß zu Ihrem Vater.«

Der Botschafter empfing ihn gutgelaunt.

»Ich weiß, ich hätte mich auf der Botschaft melden sollen, Sir«, entschuldigte sich Mark. »Ich bin aber heute mittag erst zurückgekommen. Eben hörte ich von der Verlobung. Herzlichsten Glückwunsch, Sir.«

»Danke, kommen Sie gegen vier mal mit vor.«

Die beiden Freunde begaben sich zu dem Obersten zurück. Kurz darauf brachen sie auf und während sich Dorchester entfernte, um sich umzukleiden, schritten Mark und de Fontenay die Berkeley Street hinunter.

»Mein ganzes Leben lang werde ich jene Ereignisse bedauern. Du weißt, was ich meine. Aber, konnte ich sie vermeiden?« sagte Raoul.

»Nein, und es ist gut so. Ich hätte mich schämen müssen, wenn ich anders gehandelt hätte. Nur um Dukanes willen warnte ich Deselle.«

»Daran tatest du recht. Wir hätten ja nichts unternehmen können, ehe er nicht seinen perfiden Antrag im Senat gestellt hatte. Großes Unheil ist vermieden worden. Ich sehnte mich direkt danach, Dukane zu fassen, denn es war sein Gold, das den vielversprechendsten Staatsmann Frankreichs ruinierte.«

»Ich zweifle daran«, erklärte Mark, den Kopf schüttelnd. »Ich habe die Papiere eingehendst durchgelesen; Deselle war es, der zuerst jenen Plan gefaßt und ihn Dukane unterbreitet hatte. Wie immer, war auch in diesem Fall ein Weib die Schuldige. Deine Landsmänninnen, Raoul, haben ein besonderes Geschick, das Herz und den Verstand eines jeden Mannes zu vergiften.«

»Ich zweifle nicht daran,« meinte Raoul nachdenklich, »daß Deselle seine Mätresse ermordete, ehe er Selbstmord beging.«

»Eines Tages werde ich dir die Geschichte meiner Unterredung mit ihm erzählen. Ich bin sicher, daß es sich so verhält, wie du eben sagtest. Hast du etwas von Brennan gehört?«

»Er befindet sich auf dem Wege nach Südamerika. Er besaß die Unverschämtheit, mir vor seiner Abreise ein Glückwunschtelegramm zu senden.«

Mark lachte. Sie waren vor seinem Haus angekommen und de Fontenay hatte sich bereits verabschiedet.

»Jedenfalls war Brennan ein großer Schlauberger«, meinte Mark.

 


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