Edward Phillips Oppenheim
Spekulanten
Edward Phillips Oppenheim

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21

Als Mark am selben Abend sein Arbeitszimmer betrat, erwartete ihn dort ein kleiner, elegant gekleideter Herr, der vollkommen in den Rahmen seiner Umgebung paßte. Nur die dicke Binde, die sich um seinen Kopf schlang, ließ Mark erkennen, daß er seinen Invaliden vor sich hatte.

»Ich stelle mich Ihnen als Genesender vor«, begrüßte ihn Brennan. »Der Arzt erlaubte mir, das Bett zu verlassen.«

»Heiliger Bim-Bam«, rief Mark aus. »Ich hatte Sie ganz und gar vergessen.«

Der Gast schien ein wenig beleidigt.

»Ganz abgesehen davon, daß es erst kurze Zeit her ist, daß Sie mich als Leiche behandelten, kommt es mir doch einigermaßen merkwürdig vor, daß Ihr Gedächtnis so kurz sein soll.«

»Ich bekenne mich schuldig. Sie werden mich verstehen, wenn ich Ihnen sage, daß ich in letzter Zeit allerlei erlebte.«

»Seit ich hier im Haus weile«, erklärte Brennan halb versöhnt, »fühle ich mich sicher. Auch daß ich Ihnen meinen Schlüssel aushändigte, trug viel dazu bei.«

»Es wird alles wieder«, stimmte ihm Mark zu. »Den Schlüssel habe ich bei meiner Bank hinterlegt und er kann von dort nur gegen meine Unterschrift entnommen werden.«

»Das war sehr vernünftig von Ihnen gehandelt«, lobte ihn der Gast. »Die Zeit kommt immer näher, wo ich das, was ich weiß, verwenden werde. Könnten Sie mir sagen, ob die Tageszeitungen etwas von einem Bündnis zwischen Italien und Griechenland gebracht haben?«

»Ich denke gar nicht daran, Ihnen etwas von Politik zu erzählen«, lehnte Mark ab. »Ich habe die Nase von diesen Dingen sowieso schon voll genug. Sobald Sie können, werden Sie mir den Gefallen tun, Ihren Schlüssel und Ihre Geheimnisse zu nehmen und sich zu verduften. Diese verfluchte Verschwörerei ekelt mich schon an.«

Er riß beinahe die Klingel ab, während sein Gast die Achseln zuckte.

»Chacun à son goût«, murmelte er. »Über den Geschmack soll man nicht streiten. Ich schwärme von Verschwörungen; sie bilden die Freude meines Daseins. Sie meinen, ich hätte beinahe mit meinem Leben dafür bezahlt? Ja, das ist möglich, aber das gehört zu meinem Beruf. Es ist ja auch weiter nichts übrig geblieben als ein wenig Kopfschmerzen. Ich habe neun Leben wie eine Katze. Wenn Europa in den nächsten Wochen ein wenig durcheinandergerät, kommen Sie zu mir, ich kann Ihnen über die Gründe Auskunft geben.«

»Nun, dann beeilen Sie sich nur, denn nach den Zeitungen zu urteilen, scheinen die europäischen Staaten nichts Wichtigeres zu tun zu haben, als einander so schnell wie möglich den Hals zu brechen.«

»Innerhalb einer bis zwei Wochen wird meine Bombe platzen«, versprach ihm Brennan. »Entweder wird der Teufel losgehen oder mein Bankkonto wird eine reiche Auffrischung erhalten. Endlich werde ich erfolgreich sein. Das Geschäft, das ich jetzt machen werde, wird die Krönung meiner Tätigkeit sein! Ich würde ja gern das, was ich weiß, in die Zeitungen bringen, aber – ich bin ein armer Mann und muß sehen, wo ich etwas verdienen kann.«

»Bisher hat Ihnen aber der Besitz Ihres Geheimnisses nichts anderes als einen kaputten Kopf eingebracht, nicht wahr?«

»Damit will ich mich gern abfinden; ich habe doch dabei Ihre Bekanntschaft machen dürfen. Die ist mir mehr wert. Zum Wohl!«

Er setzte das Glas leer wieder hin und starrte nachdenklich ins Feuer.

»Nun wird für mich die Ernte beginnen«, murmelte er vor sich hin. »Die Wahl heißt: Berühmtheit oder Vermögen. Ich werde wohl das letztere wählen und es in Südamerika so angenehm wie möglich verzehren.«

»Sie scheinen sich das Leben überall so angenehm wie möglich zu machen«, sagte Mark.

»Wie jeder Soldat, der sein Los auf Fortuna gesetzt hat.«

»Werden Sie – hm – oben in Ihrem Zimmer speisen?«

»Ich würde mich freuen, Ihnen Gesellschaft leisten zu dürfen«, entgegnete der andere kaltblütig.

»Das wird nicht gut angehen«, lehnte Mark die Ehre ab. »Ich muß noch in die Botschaft und werde wahrscheinlich auswärts essen. Halten Sie mich, bitte, nicht für ungastlich, Mr. Brennan. Sie können hier im Haus bleiben, bis Sie völlig wieder auf dem Posten sind, aber Ihren Schlüssel möchte ich Ihnen so bald wie möglich zurückgeben.«

Der Gast hüstelte:

»Ich möchte Ihnen mitteilen, daß ich Ihr Haus bereits morgen vormittag verlassen werde. Deshalb tut es mir leid, daß ich heute abend nicht das Vergnügen haben werde, in Ihrer Gesellschaft zu speisen. Ich hätte Ihnen gern verschiedenes aus meinem Leben erzählt. Vielleicht würde das dazu beigetragen haben, Ihnen meinen Beruf schmackhafter zu machen.«

»Das bezweifle ich«, erklärte Mark offenherzig. »Ich will meinem Mann Bescheid sagen, daß er Ihnen ein Abendbrot richtet! Gute Nacht, Mr. Brennan.«

Auf dem Weg zum Hotel sprach Mark in der Botschaft vor, um sich nach Mr. Hugersons Befehlen zu erkundigen. Er traf den alten Herrn nicht an. Als er dessen Büro betrat, fand er dort Miß Moreland mit Schreiben beschäftigt.

»Was wollen Sie denn hier, Mr. van Stratton?« fragte sie ihn. »Sie sagten doch, Sie wollten heute nicht mehr vorbeikommen.«

»Ich hatte ein paar Minuten Zeit«, entgegnete er, »und wollte mich im Vorübergehen erkundigen, ob Mr. Hugerson Wünsche hätte. Haben Sie viel zu tun?«

Sie warf einen Blick auf einen Stoß Schreibpapier, der sich neben ihr aufhäufte.

»Gerade genug«, gab sie zu. »Mr. Hugerson arbeitet in einem Tag mehr, als ein anderer in zweien.«

Er betrachtete sie prüfend. Sie war sorgfältiger gekleidet als sonst und auch ihr Gesicht sah gesünder aus. In ihren Augen jedoch entdeckte er einen Ausdruck, der ihn betroffen machte. Die Ruhe, die das Mädchen vor einigen Wochen noch zur Schau getragen hatte, war verflogen.

»Sie schwirren wohl immer noch in Ihren Berichten durch halb Europa?« fragte er scherzend.

Sie nickte.

»Ja; Mr. Hugerson ist ein Wunder. Noch nie habe ich einen Mann kennen gelernt, der so viel in so kurzer Zeit erkundete wie mein Chef.«

»Sind Sie für heute fertig?«

»Ja. Ich wollte nur noch mein Zeug wegschließen.«

Mark betrachtete sich die Papiere mit einem nachdenklichen Blick. Dann zuckte er die Achseln und wandte sich ab.

»Gute Nacht, Miß Moreland. Ich komme morgen her.«

»Gute Nacht, Mr. van Stratton«, erwiderte sie.

Auf dem Korridor traf er Myra, die Tochter des Botschafters:

»Kommen Sie, Mark, essen Sie bei uns«, bat sie ihn.

»Und wenn der König selbst mich bäte, bei ihm im Palast zu speisen, dann müßte ich heute ablehnen.«

»Natürlich wieder das Meißner Porzellanpüppchen«, rief sie aus und drehte ihm den Rücken zu.

 


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