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Als Mark das Speisezimmer in Dukanes Palast betrat, fand er den Prinzen vor. Nur mit Mühe vermochte er seine Enttäuschung zu verbergen.
»Der Prinz kam ganz zufällig«, teilte ihm Estelle mit, die seine enttäuschte Miene bemerkt hatte. »Ärgern Sie sich nicht.«
»Nein, wenn er gleich wieder geht, ärgere ich mich nicht«, sagte Mark. »Ich habe mit Ihnen etwas zu besprechen.«
»Ich werde tun, was ich kann«, versprach sie.
Nach dem Lunch setzten sich die Gäste zusammen. Dukane war höflicher, als man es sonst bei ihm gewohnt war:
»Ein gescheiter Mensch, wie Sie sind, sollte unbedingt finanziell sein Glück versuchen. Sie haben doch schon verschiedene derartige Genies in Ihrer Familie gehabt. Vater, Großvater und so weiter.«
»Wenn Sie mich zum Teilhaber nehmen würden, könnte ich mir die Sache durch den Kopf gehen lassen«, erwiderte Mark.
Estelle und auch ihr Vater lachten.
»Ich will es mir überlegen«, sagte Dukane. »Das heißt, unter gewissen Bedingungen.«
»Eine Betätigung in Finanzgeschäften«, näselte der Prinz, »erfordert in der heutigen Zeit mehr als je zuvor Gehirn und einen guten Kopf für Zahlen.«
»Woraus ich schließe, daß Sie sich niemals finanziell betätigen«, warf Mark anzüglich ein.
»Ich bin der Herrscher eines Landes«, antwortete steif der Prinz. »Gegenwärtig vertritt mich ein Reichsverweser, aber man wird mich bald persönlich in mein Land zurückrufen.«
»Der Prinz wird nach Drome zurückkehren, wenn er den geeigneten Augenblick für seine Thronbesteigung für gekommen hält«, erklärte Dukane. »Sein Volk hat die republikanische Staatsform satt.« Er richtete seine Worte an den Prinzen: »Ich habe heute morgen die Berichte über die Ölbohrungen auf der Westseite des Kratlin-Waldes erhalten. Es dürfte Sie interessieren, zu hören, daß die Funde abbauwürdig sind.«
»Mein Land besitzt Öl zur Genüge«, erwiderte Prinz Andropulos, »um es zu einer dauernden Einnahmequelle zu gestalten. Wir brauchen nur zwei Dinge, um vorwärts zu kommen: Geld und Intelligenzen!«
»Vergessen Sie nicht zu erwähnen, daß auch eine gleichmäßige Regierung zu den Erfordernissen eines modernen Staates gehört, Prinz. Eine Regierung, zu der das Volk Vertrauen haben kann«, sagte der Finanzier.
»Das ist selbstverständlich«, stimmte der künftige König Dromes zu.
»Glauben Sie, daß man sich in jenen östlichen Ländern wirklich ohne Besorgnisse aufhalten könnte?« erkundigte sich Estelle.
»Was soll diese Frage?« wollte der Prinz wissen.
»Nun, ich habe den Eindruck, als seien jene Völkerschaften seit dem Krieg überhaupt noch nicht wieder zur Ruhe gekommen. Heute haben sie einen König, am nächsten Tag stürzt man ihn, um einen Präsidenten zu wählen, und so geht das immerfort.« Estelle blickte den Prinzen fragend an: »Sind Sie nicht auch verbannt?«
»Ich würde meine Abwesenheit von Drome nicht so bezeichnen«, erwiderte er. »Der Ministerpräsident meines Landes bat mich, mich so lange auf Reisen zu begeben, bis er Gelegenheit gefunden haben würde, die sozialistischen Machenschaften zu ersticken. Hätte ich vor einigen Monaten genügend Geldmittel auftreiben können, um ein Heer aufzustellen und die beiden mir angebotenen türkischen Kanonenboote zu kaufen, dann wäre ich jetzt schon König von Drome. So erniedrigend auch die Feststellung klingen mag, es läßt sich doch nicht abstreiten, daß das künftige Wohl meines Landes zum großen Teil vom Geld abhängt. Wir haben unangetastete Wälder, natürliche Wasserwege, um das kostbare Holz zu transportieren, wir haben Salzbergwerke, die nicht ausgebaut werden können, weil kein Kapital da ist. Kupfer-, Eisen- und Ölminen warten nur auf das ›Sesam, öffne dich‹, um uns ihre Schätze in den Schoß zu schütten! Leider haben wir kein Verfügungsrecht über unsere Eisenbahnen; man hat sie uns unter Zwang entzogen. Alles Gold Europas befindet sich jenseits des Ozeans; Amerika hat uns ausgesogen wie einen Schwamm. Es sendet uns seine Kaufleute, um uns auch den Rest unserer Schätze zu entführen. Nein, Mr. Dukane, ich werde warten – die Zeit wird für mich arbeiten!«
»Sie wissen doch, daß ich Amerikaner bin?« warf Mark ein.
»Ja, das weiß ich.«
Mark beugte sich vor, schwieg aber, als er Estelles bittende Gesten bemerkte.
»Ja, die Zeit wird kommen«, meinte auch Dukane und blickte nachdenklich vor sich hin. »Europa macht jetzt seine Staupe durch, wird sich aber wieder aufraffen. Der Locarno-Vertrag war ein großer Schritt vorwärts zu dieser Wiedergenesung. Alles übrige findet sich, sobald wir das Gold wieder haben, das uns die Vereinigten Staaten beinahe restlos entführt haben.«
Nach dem Lunch unterhielten sich Dukane und der Prinz über Handelsfragen des Landes Drome. Estelle erhob sich. Sie reichte Mark den Arm.
»Kommen Sie. Ich mag nichts mehr über Drome hören. Wir werden unseren Kaffee draußen trinken.«
Andropulos blickte den beiden finster nach. In einem kleinen Salon, der im victorianischen Stil möbliert war, ließ sich Estelle nieder und lud Mark ein, an ihrer Seite Platz zu nehmen.
»Nun«, fragte sie, »sind Sie mir nicht dankbar? Werden Sie nun endlich Ihre schlechte Laune fallen lassen?«
»Reizend sind Sie«, antwortete Mark. »Nun fehlt mir nur eine Sache zu meinem Glück: Ihr Versprechen, mich zu heiraten.«
»Vielleicht wird auch das eines Tages noch werden«, vertraute sie ihm an. »Doch, offen gestanden, der Titel ›Königin‹ reizt mich doch ein wenig!«
»Und als König den Andropulos?« lachte er verächtlich. »Der Gedanke ist lachhaft!«
»Immerhin sind die Kronjuwelen wunderbar schön!« gab sie zu bedenken.
»Die kann ich für Sie kaufen. Der Prinz macht mir den Eindruck, als ob er alles, was er besitzt, verkaufen würde.«
»Vor den Juwelen wird er aber doch wohl haltmachen müssen«, lachte sie. »Sie dürfen nicht aus dem Palast heraus. Wahrscheinlich traut man ihm zu, daß er sie sonst versetzen würde. Nun, was haben Sie bei Brennan erreicht? Vater scheint mit Ihnen recht zufrieden gewesen zu sein.«
»Ich konnte die Summe aufbringen, die Brennan haben wollte. De Fontenay mußte das Rennen aufgeben.«
»Armer Oberst! Nun hat er schon zweimal eine Niete gezogen. Machen Sie sich darüber keine Sorgen, Mark. Frankreich wird deshalb nicht zugrunde gehen. Wann wollen Sie denn die Kassette von der Bank holen?«
»Übermorgen!«
»Wird jemand dabei sein, wenn Sie sie öffnen?«
»Nur Brennan. Er bestand darauf.«
»Darf ich auch kommen, Mark?« flüsterte sie.
Er schüttelte zweifelnd den Kopf:
»Brennan würde wütend sein«, gab er zu bedenken.
»Nicht, wenn er mich sähe. Nur Vater wirkt auf ihn wie das rote Tuch auf einen Stier. Ach, wie gern möchte ich bei dieser Sache dabei sein: Es wird ein geschichtlicher Moment werden, wenn Sie die Papiere, die die Welt in Flammen setzen könnten, aus ihrem Behälter entnehmen. Mark, Sie müssen mich mitnehmen!«
Er riß sie an sich und küßte sie, als wenn sein Seelenheil davon abhinge. Einen Augenblick ruhte sie widerstandslos in seinen Armen, dann befreite sie sich sanft, aber fest.
»Estelle, sprechen Sie das eine Wort, das mich glücklich machen kann.«
»Seien Sie nicht so ungeduldig«, flüsterte sie. »Eines will ich Ihnen zu Ihrer Beruhigung sagen: Sie sind der erste Mann, der mich jemals außer meinem Vater küssen durfte. Niemals brachte ich einem anderen das Gefühl entgegen, das ich für Sie empfinde.«
»Auch Andropulos nicht?« fragte Mark freudig erregt.
Sie antwortete nicht, denn eben traten Dukane und der Prinz ein. Ein Diener servierte Kaffee und Liköre und verschwand dann lautlos.
Mark hörte, wie der Prinz sagte:
»Wenn ich jetzt in der Lage wäre, die Anleihezinsen zurückzuzahlen, so würde man mich mit Blumen und Girlanden in mein Land zurückholen. Wieviel ich zu dieser Rückzahlung als Aufwertung benötige? Kaum drei Millionen.«
»Darüber ließe sich noch sprechen«, entgegnete Felix Dukane. »Ich hatte mein Geld zwar schon in allerlei Unternehmungen, aber ein Königreich habe ich bisher noch nicht kontrolliert. Ich werde mir die Sache durch den Kopf gehen lassen. In einer Woche erhalten Sie Bescheid, Prinz.«
Andropulos ließ sich an Estelles Seite nieder. Er wurde von Mark wie eine Maus von der Katze beobachtet.
»Lassen Sie die Finger von Drome«, riet van Stratton seinem Gastgeber.
»Im Gegenteil«, erwiderte Dukane. »Das Land interessiert mich außerordentlich. Sie können ruhig Ihre Hoffnungen ein wenig tiefer schrauben, Mr. van Stratton.«
»Wenn ich mir etwas vornehme, dann lasse ich mich durch keinen Widerstand abhalten, es auszuführen«, erklärte Mark.
»Mein lieber junger Mann«, sagte nun der Finanzier, »es ist eine Tatsache, daß ihr Amerikaner euch zu viel einbildet. Ihr müßt hin und wieder einmal eine kalte Dusche bekommen. Ihr glaubt, daß alles in der Welt euch gehört! Durch eure vorsichtige Politik habt ihr in den letzten Jahrzehnten ein ungeheures Vermögen erworben und werft euch nun zum Schiedsrichter der ganzen Welt auf. Um allem die Krone aufzusetzen, kommen Sie, ein junger Mann, hierher, um mir kühl und höflich mitzuteilen, daß Sie meine Tochter heiraten werden, sie, die das reichste Mädchen der Welt ist. Im allgemeinen habe ich für Leute Ihres Schlages nicht viel übrig, Mr. van Stratton, obgleich Sie persönlich mir einigermaßen sympathisch sein mögen, aber –« er erhob seine Stimme »– der Teufel soll mich holen, wenn ich euch Amerikanern dadurch in die Hände spielen werde, daß ich Ihnen meine Tochter gebe. Nie wird das geschehen, hören Sie! Nie!! Verlassen Sie mich nun, ich habe zu arbeiten.«
Obwohl ihn dieser moralische Hinauswurf hätte bedrücken sollen, verabschiedete sich Mark doch leichten Herzens von Estelle, denn sie hatte ihm ein ermutigendes Lächeln mit auf den Weg gegeben.