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(Wien, J. P. Sollinger, 1844.)
Diese Sammlung heimatlicher Klänge, welche ich hiermit der Lesewelt, in gänzlich veränderter Anordnung und Schreibart, vervollständigt und, wie ich hoffe, verbessert, mithin als völlig neues Werk, übergebe, verdankt ihr Entstehen einigen kleinen, anspruchslosen Improvisationen aus meinem Liebeleben (1825), zu welchen ich durch unsere lieblichen nationalen Vierzeilen, worin ich von jeher den Volkscharakter am wahrsten abgespiegelt fand, und mit deren Inhalt ich, in meiner damaligen Gemütsstimmung, ganz besonders sympathisierte, zunächst mich angeregt fühlte. In einem Wiener Taschen-Kalenderchen füllten jene Stegreifler, mit einem Pseudonym bezeichnet, ihr bescheidenes Plätzchen aus. Dessenungeachtet wurden sie von einigen meiner Freunde, welche den Vogel am Gesang erkannten, entdeckt, für gelungen, d. h. volkstümlich, erklärt und als Beweis geltend gemacht, daß ich es ungescheut wagen dürfte, auf diesem Felde in die Fußstapfen meines lieben Freundes und Vorgängers, J. F. Castelli, zu treten. Fest überzeugt, daß die kurze, mit so bequemer, oft mutwilliger Lockerheit gefügte, lyrische Strophe dem nationalen Sinn am meisten entspreche, weil selbst er sie zu seiner Form gewählt hat, und beseelt von dem Wunsche, dereinst mit einem »lebfrischen«Älpler oder mit einem »runden« Gemsjäger den stillen Ruhm teilen zu können, daß meine »G'setz'ln« an Kirch- oder Ehrentagen, vereint mit den seinigen zur Zither gesungen werden, kultivierte ich anfänglich ebenfalls nur die Vierzeile, für welche mir meine damalige, zwischen Hoffnung und Sorge, Lust und Leid, innerem Reichtum und äußerer Armut geteilte Existenz unerschöpflichen Stoff darzubieten schien. So entstand eine Strophendekade um die andere, bis das Hundert voll war, und, indem, eh' ich mir's versah, ein Ausfüllsel von einigen längeren Gedichten und einem heiteren Geschichtchen zuwuchs, mit einem Male eine Anzahl von Bogen vor mir lag, welche eben hinreichen mochten, um ein mäßiges Druckheft zu bilden. Der Verleger war bald gefunden. Man drang in mich, das Heft als erstes zu bezeichnen, um mich zu einer Fortsetzung zu verpflichten. Allein wie sollte ich das Kindlein taufen, damit sein Name dem größeren Publikum ohr- und mundgerecht klänge? Ein Freund half mir aus der Verlegenheit. – Nennt das Zeug »Flinserln!« warf er halb im Scherze hin. – »Flinserln?« – Warum nicht? – Was versteht der Österreicher unter dem Ausdrucke: »Flinserln?« – Zweierlei: fürs erste jene Gattung leichten Metallschmuckes, welche der Hochdeutsche »Flitterchen« zu nennen pflegt und deren Verfertigung (unter verschiedenen Benennungen, als: Kraus- und Schüssel-Flinserln, Französerln, Bündeln, Birn-, Wangen- und Hüterl-Perlen, Pollionen usw.) eine eigene Klasse von Handwerkern, die sogenannten »Flinserl-Schlager«, beschäftiget: – fürs zweite – eine Grasart, auch unserer Lieb-Frauen Haar (briza media Linn.) genannt. So poetisch die zweite Bedeutung ist, so hielt ich mich doch in meinen Gedanken an die erstere, als die gangbarere. Wie wertlos auch derlei Zierat an sich sein mag, so läßt er doch nicht unsauber an, und tut, als simple Stickerei, seine leidliche Wirkung. Die Anwendung dieses Ausdruckes auf eine Sammlung anspruchsloser Kleinigkeiten ergibt sich von selbst. Um aber den Käufern genauer anzudeuten, was ihnen »der Flinserl-Schlager« bringe, fügte ich die nähere Bestimmung: »Öst'reichárischi G'setz'ln (G'stánz'ln), G'sáng'ln und G'schicht'ln« bei. – G'setz'ln, G'stánz'ln, Schnadáhüpf'ln: sämtlich Bezeichnungen für lyrische Impromptus, scherzhafte Stegreifler, neckende Stachelreime, ungekünstelte Naturlaute der Liebe, der Lebenslust, des Übermutes, der selbstbewußten Ungeschwächtheit, wie hinwieder des Unmutes, der Ironie, des Ärgers usw. welche, epigrammatische Kürze mit singbarer Weichheit verbindend, meist nur aus einem Quatrain von zweifüßigen, amphibrachischen Versen bestehen, wovon die geraden reimen oder assonieren, während die Reimlosigkeit der ungeraden das Verschmelzen und Hinüberschleifen (enjambement) befördert und dem Gedanken seine volle Freiheit läßt, so wie das amphibrachische Maß selbst etwas Hebendes, Lebendiges, Ungezwungenes hat, was solchen augenblicklichen Fulgurationen eines poetischen Gemütes trefflich zustatten kommt. Oft sind die einzelnen Strophenhälften alles logischen Zusammenhanges bar, ein bloßes Reimspiel. Ich machte von dieser, der Stegreifdichtung nicht übel lassenden Lizenz keinen Gebrauch und beobachtete auch in der Reihenfolge der Strophen selbst, wo es paßte, einen Ideengang, welchen die Phantasie des Lesers ohne Mühe herausfinden und verfolgen dürfte. Die Bezeichnung »G'setz'l« ist vorzüglich in Österreich gäng und gäbe; G'stanz'ln kommt seltener vor. In Steiermark hört man häufig die Ausdrücke: »Básseln« und »Schnadáhüpf'ln'« eigentlich: Schnitterhüpfeln, d. i. hüpfende, lustige Liedchen, welche die Schnitter beim Erntefest improvisieren, wie der andalusische MajoLandmann. seine Coplas de repenteLiedchen aus dem Stegreife. singt. – Mit »G'sáng'ln« bezeichnete ich die längeren poetischen Versuche im Hefte, weil der Österreicher das Wort: »Gedicht« nicht kennt; ebenso wählte ich für den prosaischen Aufsatz, statt des unpopulären Ausdruckes: »Erzählung«, die Bezeichnung: »G'schicht'l«, und nannte diese Zugaben scherzweise »Zuawag'« (Zuwage).
In solcher Gestalt trat (1828) das erste Heftlein ans Licht. Ich vermeinte eine Pflicht des Dankes zu erfüllen, indem ich dasselbe meinen beiden (seither längst in Gott ruhenden) Freunden, David Asn und Moriz Köpp von Felsenthal, deren letzterem ich den Titel »Flinserln« schuldete, während ich in der Stube des ersteren, meinem Absteigequartiere, mehr als ein Halbhundert Flinserln schlug, »als á kloan's Andenk'n« zuschrieb mit den Strophen:
Ös habt's voll Geig'n mein'n Himmel g'seg'n, Mih Trübsal blas'n g'hört; Habt's mit mir g'lacht und g'seufz't und pfnot't, Und eng doh nie nit b'schwert. Ih hab' so meini Grill'n, mein'n Schuß, – Ös habt's schon lang (dös g'freut mih eb'nst) |
Die Aufnahme, welche mein schüchterner Versuch fand, war so unverhofft günstig, daß ich in der Vorrede zum zweiten, schon fünf Monate danach dem Drucke übergebenen Hefte mit inniger Freude gestehen konnte, meine Erwartungen weit übertroffen gesehen zu haben. Nicht nur die Stimme der Kritik sprach sich über mein Produkt äußerst vorteilhaft aus, sondern auch, was mir noch mehr galt, die allgemeine Stimme aller Liebhaber volkstümlichen Ideen-Ausdruckes. Leute, die aus der Ferne kamen, begrüßten mich mit meinen G'stánz'ln, und kleine Kinder selbst empfingen mich, wenn die Eltern mich ihnen unter meinem Namen vorführten, mit einem »Flinserl«. Sollte mich das nicht freuen? Oder sollte ich's der Welt nicht sagen, daß mich's freute, zumal da ich zu anspruchslos war, um es nur zu hoffen? Mußte mich das nicht zur Fortsetzung eines Werkchens aufmuntern, das mir zu so vielen, vorher mir fremden Herzen den Weg bahnte, und ihn mit der Zeit auch meinen übrigen Liedern dadurch zu bahnen versprach? Übrigens, wie alles, was allgemeiner anspricht, auch seine Absprecher findet, hörte ich hinwieder mit meinen eigenen Ohren Stimmen, die das Ding ganz anders nahmen. – »O österreichische Literatur! Harfenisten-Lieder sind deine Lyrik!« – »Es ist traurig, lieber Freund, daß Sie sich zu solchen Kleinigkeiten hergeben müssen!« – »Vergessen Sie auf das Würdige nicht!« – »Sie werden sich Ihren deutschen Stil ganz verderben!« – »Was ist es auch? Solche Dinger macht man nach der Elle!« – »Das hätte der Eipeldauer auch gekonnt, wenn ihm die verzwickte Schreibart nicht zu absurd geschienen hätte!« usw. und hundert ähnliche Äußerungen hatte ich mit anzuhören und mit in Erwägung zu bringen, da sie, wenn auch nicht von kompetenten Richtern, doch mitunter von komptanten Bezahlern meines Heftes herrührten, an deren Erhaltung meinem Verleger, und also mittelbar auch mir gelegen sein mußte. Allein, unter allen diesen Anfechtungen blickte ich getrost zu meinem guten, alten, kurze Zeit vorher verklärten J. P. HebelJohann Peter Hebel, der beliebte Volksschriftsteller und Dichter in alemannischer Mundart, geb. 1760, gest. 1826. Unter seinen Prosa-Schriften erfreuten sich »Der rheinländische Hausfreund« (1808–11) und »Das Schatzkästlein des rheinländischen Hausfreundes« (1811 und öfter) nachhaltiger Beliebtheit. Seidl spielt jedoch hier auf seine »Alemannischen Gedichte« an (1803 und öfter), die zu den bedeutendsten Erscheinungen der Dialektdichtung zählen. auf, unter dessen glückliche Nachahmer auch vom Auslande je gezählt zu werden ich damals mir zu schmeicheln nicht gewagt hätte. Das zweite Heft, welches ich am Schlusse der Vorrede allen jenen Herzen, denen das erste lieb geworden war, herzlich empfahl, trug an der Stirne folgende Zeilen:
Sö! – da habt's ás! – Oder soll ih Leicht was schwábeln lang und brád, Wie má's les't in g'lehrti Büchá, Recht váwurstelt und vádráht? Nán! Bewahr' mih God! Ih moan' halt, |
Sie galten meinen beiden, von meinem damaligen Tun und Treiben, meinen Aussichten und Befürchtungen ziemlich genau unterrichteten Freunden F. X. ToldFranz Xaver Told v. Toldenburg, seinerzeit beliebter Erzähler und Herausgeber des Taschenbuchs »Fortuna«, geb. 1792, gest. 1844 zu Wien. und Jos. Adalb. Gschladt, deren ersterer durch manches, in die Couplets seiner gern gesehenen Bühnenspiele verwebte »Flinserl« meinen Worten einen neuen Weg zum Ohr und Herzen der Menge zu bahnen suchte.
Im Jahre 1829 übersiedelte ich als Gatte des »schwarzaugát'n Derndál's mi'm nußbrauná Har« (I. 5.), dem ich meine ersten »Flinserln« verdankte, mit Sack und Pack, voll wehmütiger Erinnerung und froher Hoffnung, nach dem freundlichen Cilli in Untersteier, um die rüstige Wirksamkeit in einem zusagenden Berufe mit der Erholung durch Poesie und Häuslichkeit abwechselnd zu verbinden. Allein auch dorthin, wo das freundliche Entgegenkommen der Menschen und die süße Aufdringlichkeit der ländlichsten Umgebung kein eigentliches Heimweh in mir aufkommen ließen, folgten mir die wohlbekannten heimischen Laute und Klänge, und schon im Wintermonde dieses Jahres sendete ich die Handschrift des dritten Heftes nach Wien. – »Ich bin nicht mehr, wo ich war; – gestand ich in der Vorrede dazu, – was seither in den beiden Hemisphären meiner kleinen Welt, der häuslichen und poetischen, vorging, dürfte den lieben Leser eben nicht sehr kümmern.« – »Nach eueren Früchten wird man euch beurteilen,« heißt es bei uns Poeten; unter was für Einflüssen diese reiften, danach fragt der Leser nicht. Daß ich aber auf dieses Heftchen mehr Fleiß, als auf die früheren verwendet, daß ich es mit größerer Lust gefüllt habe, wird mir jeder aufs Wort glauben, der weiß, wie gerne man die Töne seiner Heimat in der Fremde anschlägt. – – »Und somit, schloß ich, liebes Büchlein, grüße mir alle jene, die dich verstehen; grüße mir den Boden, dem du entsprossen bist; grüße mir mein liebes Wien und vor allem meinen lieben Stephansturm recht herzlich, und siehe zu, daß es dir gelinge, mir alte Freunde zu erhalten!« – In Erinnerung an einen lieben Freund, früher den teilnehmenden Vertrauten meiner Liebe, Anton Alexander Grafen von Auersperg (damals noch nicht Anastasius Grün), dessen Sommersitze zu Thurn am Hart in Krain ich nun um mehr als vierzig Meilen näher lebte, überschrieb ich das Heft mit den Versen:
Mein liebá Graf – (áh, was denn Graf? Der g'hört iezt da nit her) Mein liebá Auersperg, da hast – Ih wöllt' – es wár' noh mehr. Nur mahná soll's dih mannigsmahl, Nur mahná soll's dih, – wáßt? an dös, – |
Acht Jahre vergingen darauf, vielleicht die acht schönsten meines Lebens, nur selten getrübt von der dunklen Mahnung, als ob mein Aufenthaltsort am Ende doch nichts als ein freundliches Exil wäre, und die Großstadt meinem Geiste zuträglichere Nahrung darböte. In solchen Momenten flüchtete ich mich in Gedanken nach der Heimat und schlug »Flinserln«, obwohl das unabweisliche Dazwischenklingen volkstümlicher Töne aus meinem zweiten Vaterland: Steiermark, mich zu erinnern schien, daß es Zeit wäre, von dem Kreise, welchem ich auf dem Felde der österreichischen Volkspoesie entgegentrat, Abschied zu nehmen. Das tat ich denn auch in einem vierten Hefte, mit welchem ich, dem Wunsche meines Verlegers zufolge, eine zweite Auflage der drei früheren Hefte begleitete. Von der Überzeugung durchdrungen, daß man mitten unter einem Volke leben müsse, wenn man ihm die Gedanken und Gefühle aus Kopf und Herzen, die Worte von der Zunge nehmen will, da die lebhafteste Erinnerung nur mit Wasserfarben male, und daß man in der Poesie nichts erzwingen solle, gab ich mein Dessert: »Fur meini lieb'n Östreichá alli mitánandá als á kloan's Andenk'n«, und bot es ihnen, nicht ahnend, daß ich ihnen, nach kaum vier Jahren, selbst wieder angehören sollte, mit den Strophen:
Landsleut', Brüder – ih bin ferti, Was ih má dáwirtschaft't hab', Was má mein lieb's Östreich trag'n hat, Ausgeb'n is's, – 's is d' letzti Gab'. Mein God! was ih eng all's sag'n möcht', – Wann ih ánmahl wiedá z'ruckkumm', – |
Ungeachtet ich mich aber mit dem Gedanken, meine Sammlung niederösterreichischer Dialektlieder als abgeschlossen zu betrachten, abgefunden hatte, so konnte ich doch einigen Veranlassungen zu neuen Produktionen nicht widerstehen, und so entstanden denn, teils noch während meines Aufenthaltes in Cilli, teils schon seit meiner Rückkehr nach Wien, mehrere Stücke, welche der gegenwärtigen, auf allseitiges Verlangen veranstalteten, die Stelle einer dritten Auflage vertretenden Sammlung zur Vermehrung dienen. Indem ich diese meinen Landsleuten vertrauensvoll übergebe, spreche ich zum zweiten Male öffentlich den Entschluß aus, – jetzt ernstlich abzuschließen, indem ich das »Aufhören zur rechten Zeit« für eine Pflicht jedes Schriftstellers, namentlich aber des Lyrikers, halte.
Ich habe mit meinen Dialektliedern erreicht, was ich zu erreichen beabsichtiget, wenngleich nicht gehofft hatte: sie befriedigten den Gebildeten, – und gingen ins Volk über. Sie werden, begleitet von den Tönen eines H. Proch, J. B. Raudhartinger, Jos. Fischhof, Franz v. Suppé, V. A. WagnerHeinrich Proch (geb. 1809). gest. 1878). beliebter Liederkomponist, bis 1870 Hofopernkapellmeister. – J. B. Randhartinger (geb. 1802 lebte 1892 noch) war Vizehofkapellmeister und Leiter der Hofkonzerte in Wien. – Josef Fischhof (geb. 1804 gest. 1857). Klaviervirtuose und Liederkomponist. – Franz von Suppé (geb. 1820 gest. 1895), der Komponist der »Flotten Bursche«, der »Schönen Galate« und vieler anderer Opern und Operetten, war Kapellmeister am Theater an der Wien, am Carl-Theater und anderen Wiener Theatern. – Vinz. Aug. Wagner (geb. 1790, gest. 1833) war von Beruf Rechtsgelehrter und Professor Juris an der Wiener Universität, nebenbei aber ein trefflicher Musiker., u. a., in Salons gehört; – und von herumziehenden Alpensängern und Harfnern in Gaststuben gesungen; manche davon wurden von der Masse des Volkes im Theater beklatscht und lärmend zur Wiederholung verlangt, während andere unerkannt in Liedersammlungen, als originale, unmittelbar dem Munde des nieder- und oberösterreichischen Landmannes abgelauschte »Schnadáhüpf'ln« kursieren; einzelne fanden, gehoben durch den drastischen Vortrag eines W. ScholzWenzel Scholz (recte von Pluemecke), der beliebte Wiener Komiker. geb. 1786 gest. 1857., vor der Elite eines Konzertpublikums eben so lebhaften Beifall, als sie, in häuslichen Kreisen, von anspruchslosen Dilettanten vorgetragen, zu erhalten pflegen. Selbst das spröde Ausland beachtete sie; sowohl das Brockhaussche, als das Reichenbachsche Konversationslexikon erwähnt ihrer mit Auszeichnung. Bei M. W. Götzinger, Thom. Scherr, Firmenich, A. Lewald u. m. A. repräsentieren sie teils allein, teils im Vereine mit J. F. Castellis Dialektliedern, die niederösterreichische Mundart. Und, abgesehen von diesem allen, – sie erlebten eine dritte Auflage, Beweis genug, daß sie Anklang gefunden haben.
Mir erübrigt daher nichts, als meinen innigsten Dank für so viele Teilnahme auszusprechen, nebst der Bitte, daß auch diese Sammlung durch raschen Absatz als wirkliches Bedürfnis sich erweisen möge, sowie schließlich noch einige Bemerkungen über die in derselben beobachtete Anordnung und Schreibart beizufügen.
Was die neue Anordnung betrifft, so habe ich vorerst, um dem Ganzen eine anständigere Gestalt zu geben, aus vier Büchlein ein völlig neues Buch gemacht, welches in zwei Abteilungen zerfällt. Die erste Abteilung umfaßt vier Centurien »Flinserln« in ununterbrochener Reihenfolge; die zweite besteht aus der sogenannten »Zuawag'«, welche in fünf kleinere Abschnitte eingeteilt ist. Der erste dieser Abschnitte enthält 24 Gedichte ernsteren, gemütlichen Inhaltes, wovon die fünf letzten freie Nachbildungen bekannter Stücke aus griechischen und römischen Klassikern sind, und zwar aus Anakreon: »Wie ma's kennt!« (53. Ode) und: »Heunt' und muring« (15. Ode); aus Horaz: »G'scheidt is schön« (I. Buch, 11. Ode), »Dá Bekehrti« (I. Buch, 34. Ode) und »Gleichmut« (II. Buch, 3. Ode). Der Gedanke, das, was große Sänger der Vorwelt sangen, mit seiner ewigbleibenden Wahrheit und Trefflichkeit, dem Volksmunde der Jetztzeit geläufig zu machen, ergriff mich, obwohl mir selbst nicht ganz klar, einmal so heftig, daß ich mit diesen wenigen Oden den Versuch machte. Wenn er auch nicht zu dem führen kann, was ich damit beabsichtigte, so dürfte er wenigstens, als ein kleiner Beweis für die Allgültigkeit echt populärer Sänger, wie die genannten, zu allen Zeiten, in psychologischer und philologischer Hinsicht nicht uninteressant sein. Der zweite Abschnitt der zweiten Abteilung bringt ein patriotisches Idyll: »Wie's dá Bauá mi'm Koasá moant!« ein Seitenstück zu J. F. Castellis bekanntem Gelegenheitsgedichte: »Da Baua, bai'n Koasa seina Grångad«, auf welches im Text auch angespielt ist. Es war ursprünglich für ein vaterländisches Denkbuch zur Feier der vierzigjährigen Regierung des höchstseligen Kaisers bestimmt. Als Abdruck einer Volksstimmung, welche sich zu Österreichs Glück ebenso forterbt, wie seine Krone, glaubte ich es auch in dieser Gesamtausgabe nicht unterdrücken zu dürfen, zumal, da es zugleich einen Beleg für die metrische Schmiegsamkeit des österreichischen Dialekts liefert. – Der dritte Abschnitt bietet Freunden der Deklamation und des heiteren Gesanges vierzehn Piecen dar, welchen ein paar Rätselchen beigefügt sind. Nr. 7 und Nr. 11 davon haben, im Munde des beliebten W. Scholz, bei mehrfachen Gelegenheiten ihre komische Kraft bewährt. Die beiden letzten Lieder dieses Abschnittes, welche nebst dem unmittelbar vorausgehenden den eigentlichen Wiener-Dialekt repräsentieren können, erregten in einem auf dem k. k. Josefstädter-Theater in Wien zur Aufführung gebrachten Kompagniestücke, ersteres vom Herrn Feichtinger, letzteres vom Herrn WeißAlois Feichtinger, Komponist von Singspielen, Melodramen und Balletten, geb. 1794. – Eduard Weiß, Komiker, geb. ?, gest. zu Wien 1869. vorgetragen, enthusiastischen Applaus, woran die melodiöse Musik vom Kapellmeister Franz v. Suppé gewiß nicht geringen Anteil hatte. – Im vierten Abschnitte finden die Leser drei dramatische Szenen, wovon die beiden letzten bisher ungedruckt waren. Die Szene: »Dá nárrischi Bauá« bildete ein Zehntel eines von zehn Schriftstellern gemeinschaftlich verfaßten und zum Vorteile des verarmten (seither verstorbenen) Roman- und Bühnendichters J. A. GleichJohann Aloys Gleich, fruchtbarer Romanschriftsteller und Dichter von Spektakelstücken und Zauberpossen, wobei er sich auch der Pseudonyme Dellarosa und H. Walden bediente. Er wurde 1772 geboren, wurde österreichischer Staatsbeamter und starb 1841 in tiefster Armut., auf dem k. k. Josefstädter-Theater dargestellten Musikstückes, und fand, namentlich wegen des »Perlliedes«, welches durch die elegische Komposition von Heinrich Proch und durch den ausdrucksvollen Vortrag des Herr Baptist, wie ich las, rasch zündete, stürmischen Beifall. In dem dramatischen Idyll: »'s letzti Fensterln«, welches sein Schicksal auf der Bühne erst zu gewärtigen hat, wagte ich den Versuch, mitten im Dialoge, wo die Situation, ja, ich möchte sagen, wo Herz und Lippe fast unwillkürlich es fordern, unmittelbar das echte, originale Volkslied mit Ton und Wort anklingen zu lassen. – Der fünfte Abschnitt reiht die vier prosaischen »G'schicht'ln« aneinander, welche die Schlußsteine der früheren Hefte bildeten und hier sorgfältig durchgesehen und abgerundet erscheinen. Das angehängte, aus den früheren vier Wörterverzeichnissen zusammengeschmolzene Idiotikon leistet mehr als diese, indem es über tausend, der österreichischen Mundart eigentümliche oder in ihr fremdartig klingende Wörter nicht nur ihrer Bedeutung nach, sondern auch etymologisch zu erklären versucht. Die Werke, welche ich zu dieser kurzen, aber, wie ich hoffe, genügenden Interpretation zu Rate zog und benützte, sind:
M. Höfer. Etymolog. Wörterbuch der in Ober-Deutschland, vorzüglich aber in Österreich üblichen Mundart. Linz 1815. 3 The.
– – Die Volkssprache in Österreich, vorzüglich ob der Enns usw. Wien 1800.
A. v. Klein. Deutsches Provinzial-Wörterbuch. Frankfurt und Leipzig 1792.
Mundart der Österreicher, oder Kern aller ächt österreichischen Phrasen und Redensarten. Wien 1800. (Nur A u. B.)
K. Fischer. Von dem Purismus der österreichischen Mundart. (In Fr. Schlegel's deutschem Museum. 1813. Dezember.)
– – Von den poetischen Elementen der österreichischen Volkssprache. (In den Friedensblättern 1814, Nr. 71 und folg.)
Franz Žiška und J. M. Schottky. Österreichische Volkslieder mit ihren Singweisen. Pesth, 1819 (besonders im Anhange S. 245–282).
J. F. Castelli. Gedichte in niederösterr. Mundart. Wien 1828. (S. XVI–XXX und 239–248.)
Philipp Hafner. Gesammelte Schriften. Wien 1812. 4 Bde. (Besonders die Anmerkungen dazu.)
J. Andreas Schmeller. Baierisches Wörterbuch. Stuttgart und Tübingen. 1827. 4 Bde.
Friedr. Schmitthenner. Kurzes deutsches Wörterbuch. Darmstadt 1834, nebst mehreren Glossarien zum »Nibelungenlied« (von Aug. Zeune. Berlin 1815), zu »Hans Sachs« (von J. H. Häßlein. Nürnberg 1781), und von J. Ad. Göz, ebend. 1830 u. m. a.; Voigt's Aufsatz über das Stillleben des Hochmeisters des deutschen Ordens und seinen Fürstenhof (in Raumer's histor. Taschenbuche f. 1830), dem Nachlasse der Gebrüder Pez in Melk (in Codice F. 129 item in Cod. P. 55. &c. K. 21); Sig. Popowitsch's handschriftlichen Notaten (in der k. k. Hofbibliothek in Wien); v. d. Hagen's, Jos. Bergmann's u. a. sprachwissenschaftlichen Mittheilungen in den Wiener Jahrbüchern der Literatur u. m. a.
So viel über die Anordnung.
Die wichtigste und mühsamste Veränderung in dieser neuen Sammlung betraf die Schreibart. Abweichend von meinen Vorgängern, machte ich mir gleich anfänglich Einfachheit zum Gesetze. – »Wenn ich für den Bauer schriebe,« äußerte ich mich schon vor sechzehn Jahren, – »so schriebe ich alles hochdeutsch, in der festen Überzeugung, daß er es dann in seinem Dialekt abläse. Nun schreib ich aber nicht eben für den Bauer, sondern für Leser, die wohl eines Fingerzeiges, aber sonst auch keiner weiteren Anweisung bedürfen, um den rechten Ton anzuschlagen. Der Ausländer möge, wenn er mir die Ehre geben will, meine »Flinserln« zu mustern, das tun, was wir mit einem Berliner Schwanke tun, wenn wir ihn gerne verständen; wir bitten nämlich einen des Dialektes vollkommen mächtigen Vorleser, uns das Ding vorzutragen, oder uns zu lehren, wie man's liest. Überladene Bezeichnung erinnert an die Qual, die ein Deutscher hätte, wenn er nur ein Gespräch aus Meidingers deutscher Sprachlehre für FranzosenDie »Praktische Grammatik der französischen Sprache« von Johann Valentin Meidinger erlebte in der Zeit von 1783 bis 1857 37 Auflagen und war wegen ihrer anekdotischen Übersetzungsübungen sehr beliebt. geläufig lesen sollte«. – So dachte ich damals, und glaubte wirklich, alles so einfach als möglich bezeichnet zu haben. Allein dessenungeachtet wurde mir Überladung zum Vorwurfe gemacht, und mir geraten, entweder J. P. Hebels, ohne alle Bezeichnung geschriebene, alemannische Gedichte, oder, was noch näher läge, die allbekannten Eipeldauerbriefe zum Muster zu wählen.Das erste Heft der vielgelesenen »Briefe eines Eipeldauers an seinen Herr Vettern in Kakran über d' Wienerstadt, aufgefangen und mit Noten herausgegeben von einem Wiener« erschien 1785, das zweite 1794, das dritte 1799; von 1799 bis 1801 erschienen 24, 1802 45 weitere Hefte, von 1806 bis 1821 erschienen sie in Jahrgängen. Verfasser war bis 1813 Josef Richter, 1813 bis 1819 Franz X. Karl Gewey, 1819 bis 1821 Adolf Bäuerle. Ich konnte mich weder zu dem einen noch zu dem anderen entschließen; zu dem einen nicht, weil der österreichische Dialekt, dem bojoarischen Sprachstamm angehörig, ganz andere Laute hat, als der alemannische, Nasenlaute aber nicht so leicht ohne Bezeichnung schreibbar sind wie Kehl- und Gaumenlaute; zu dem anderen nicht, weil die Eipeldauerbriefe zunächst auf den Wiener Dialekt beschränkt und überhaupt ohne absichtlichen Hinblick auf Aussprache, Abstammung oder irgend einen anderen konsequenten Anhaltspunkt geschrieben sind. Übrigens fühlte ich das Schwankende meiner Schreibart selbst, was aus den haltlosen Entschuldigungen und Ausweichungen ersichtlich ist, die ich in den Vorreden zum dritten und selbst zum vierten Hefte vorbrachte, bei welchem doch, da es eine zweite Auflage introducierte, eine Regulierung am leichtesten erzweckbar gewesen wäre.
Im gleichen Falle befand ich mich nun wieder bei Veranstaltung dieser Gesamtausgabe. Allgemein war der Wunsch der Leser, all dies Schnörkel- und Klammerwerk, all diese übergeschriebenen und eingeklemmten Buchstaben, all diese wunderlichen, das bekannteste Wort oft zum unverständlichen Ungetüm entstellenden, Lautzuspitzungen, Dämpfungen und Quetschungen beseitigt, und die reindeutsche Schreibart nur dort aufgegeben zu sehen, wo Vers oder Reim, oder die allzusehr abweichende Dialektform es unabweislich fordern. Das Publikum muß wissen, was ihm am bequemsten ist; und die Pflicht des Schriftstellers ist, dem Publikum nachzugeben, wenn es nicht mehr unrecht hat, als er recht.
Der sicherste Haltpunkt, meiner Meinung nach, wäre die Abstammung. Wo ist aber der Sprachgenealog, der mit Bestimmtheit jedes Wörtchens Stammbaum verfolgen kann? Eris mihi magnus Apollo!In Virgils 3. Ekloge (V. 104) fordert Damoetas den Menalcas auf, ihm zu sagen, in welcher Gegend der Himmel nur 3 Klafter breit sei, »und«, fügt er hinzu, »wenn du darauf antworten kannst, eris mihi... d. h. dann wirst du für mich groß wie Apoll sein«. Danach pflegt man Fragen. deren Beantwortung man nicht erwartet, mit diesem Spruch zu begleiten (Büchmann). – Da ich nun kein solcher Apoll bin, so mußt' ich mich wohl um einen anderen Anker umsehen. – Also die Aussprache?! – Gewiß, nach der Etymologie, der haltbarste. Allein welch feines Ohr gehört dazu, um für jeden Laut, ja jeden Übergang, jede Nuance, jede Dehnung oder Schärfung, jedes flüchtige Vorwalten der einzelnen Sprachorgane das entsprechende, für jeden der lesen kann, unverkenn- und unverfehlbare Zeichen aufs Papier zu zaubern! Es gehörte eine Art tonischer Daguerreotypie dazu! – Ist aber diese Tonkopie nicht vollkommen, so kommt es, denk' ich, auf ein bißchen mehr oder weniger nicht an; wenigstens für den Leser nicht, dem es, trotz allen Vergnügens an der Form, doch zumeist um den Inhalt zu tun ist. Der gelehrte J. Andreas Schmeller, welcher in seinem bayerischen Wörterbuche eine wahre Riesenarbeit über die bojoarische Sprachform, der auch unser Dialekt, seinen Elementen nach, angehört, geliefert hat, adoptiert zur näheren Bestimmung der Vokale, außer den gewöhnlichen Zeichen, 17, für die Konsonanten sechs Bezeichnungen, und nimmt überdies, zur Andeutung anderer Modifikationen in der Aussprache, noch ein Zeichen (·) für einen unausgesprochenen Vokal, drei Zeichen ( ˜ ‛ ’ ) für unausgesprochene Konsonanten, und Zirkumflex für den Nasenlaut nach einem Vokal oder Diphthong an. Minder ins Detail gingen die Schriftsteller, welche den niederösterreichischen Dialekt vor mir kultivierten, wiewohl auch ihre Schreibart, nicht sowohl wegen des übergesetzten Buchstabens (o) oder Zeichens (o) zur Andeutung des tiefen a (å), oder wegen des, auf halber Linie stehenden, verbindenden r (miar), als vielmehr wegen Konsonanten-Auflösungen (z. B. gs, ks, für x), wegen der Zischlaute (z. B. schd, schb, für st, sp), wegen der Substitutionen (z. B. d, f, g, mpf, ü, ia, ai, für t, v, k, ngf, i, ü, ei), wegen der ungewöhnlichen Zeichen für Verschmelzung der Vokale, für den Nasenlaut (z. B. oa, koañ [jeweils mit Bindebogen über oa]), dem Texte ein so seltsames, buntscheckiges, fremdartiges, abschreckendes, ja selbst typographisch unschönes Ansehen gibt, daß der Leser wahrlich eine gewisse Überwindung nötig hat, um ein leichtes Liedchen, welches in einer Mundart geschrieben ist, die er mit der Muttermilch einsog, aus diesem wimmelnden Runenhaufen zusammenzubuchstabieren. Und dennoch wäre es, trotz der aufmerksamsten Handhabung dieser Unterscheidungsmerkmale, nicht leicht zu vermeiden, daß nicht oft ein und dasselbe Wort auf einem und demselben Blatte verschieden geschrieben erschiene, da der Dichter, der sich eines Dialektes bedient, das Recht ansprechen darf, alle Formen desselben, welche (weil unsere Berge nicht nur Wetter-, sondern auch Wörterscheiden sind), fast in jedem Bezirke andere Nuancen haben, nach Maßgabe des Metrums, des Reimes, Kolorits, der Stellung usw. beliebig durcheinander zu werfen. Die Stetigkeit der Schreibart würde also, selbst bei der möglichsten Genauigkeit, nur hinsichtlich der einzelnen Laute in den Wörtern, nicht aber auch hinsichtlich der Wörter selbst, eingehalten werden können. Das alles sah und sehe ich ein, und dessenungeachtet trennte ich mich nur schwer von einer Schreibart, welche nicht nur achtenswerte Autoritäten, sondern eben in ihrer Fremdartigkeit und Sprödigkeit auch eine Art von Noblesse und Reiz für sich hat, deren erstere die so geschriebenen Dialektlieder gewissermaßen, schon der Form nach, von dem schoflen Wuste platten Bänkelsingsangs eximiert, während der letztere den wahren Freund der Volkspoesie eher anspornt, als abschreckt, um des Kernes willen, den er liebt, die rauhe Schale zu knacken. Schwer, wie gesagt, trennte ich mich doch von dieser Schreibart, aber ich trennte mich doch von ihr, – weil es der allgemeine Wunsch der Leser war, und weil die Eltern, welche sich mit meiner alten Schreibart plagten, wohl mit Recht fordern können, daß ihre Kinder, die nun eben, seit fünfzehn Jahren, zur Lektüre dieser Gesamtausgabe herangereift sein dürften, es leichter und bequemer haben mögen.
Ich ließ daher alle Schleifen und Häkchen, alle über- und nebengeschriebenen Buchstaben, alle Zischlaute und Buchstabenverwechselungen weg; wich nur dort von der hochdeutschen Schreibart ab, wo eine totale Differenz, eine selbst dem gebildeten Österreicher geläufige Abweichung oder Vers, Reim, Stellung usw. es forderten, behielt nichts bei, als die Apostrophe für ausgefallene Buchstaben, und erlaubte mir dafür keinen anderen Ersatz, als die Anhängung der Schlußkonsonanten der Endungen, und die unerläßliche Bezeichnung (nicht, wie früher des tiefen), sondern des hohen a durch einen Akzent (á). Zum Beweise, wie bequem ich es dem Publikum, im Vergleiche mit der Schreibart anderer und meiner aufgegebenen eigenen zu machen suchte, stellte ich am Schlusse (I) ein paar Strophen, nach Schmellers (a, α), meiner Vorgänger (b, β), meiner früheren eigenen (c, γ) und meiner jetzigen (d, δ) Schreibart zusammen, damit der Leser selbst entscheiden könne. Für jene aber, welchen es bei der Einfachheit meiner jetzigen Schreibart schwer sein dürfte, sich einen annähernden Begriff von dem eigentlichen Klang unseres etwas eigensinnigen Dialektes zu machen, gebe ich statt der früheren Zeichenerklärung eine kurze Andeutung (II), wie die einzelnen Laute in der österreichischen Mundart beiläufig ausgesprochen werden. Sapienti sat!Für den Verständigen genug! (Plautus, Persa 4, 7, 19, Terenz, Phormio 3, 3, 8.) (Büchmann.)
Wien, im Wintermonde 1843.
J. G. Seidl.
(a) | |
Ietzt háb I no˜ séchs kreuzə‛, Dé g·hör·n nét mei˜, nét dei˜, Drá di’ Wáwə‛l, drá di’, Ve‛suffə˜ müəss·n s· sei! |
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(b) |
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Hiazd hån i noh söx Graiza, Dö g'hear'n nöd maiñ, nöd daiñ, Drah' di Wawar'l, drah' di, Fasoffa miass'n's seiñ! |
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(c) |
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Jatzt håb' i no sechs Kraiza Dö g'hear'n nid meiñ, nid deiñ; Drah' di, Wawerl, drah' di, Vasoffa müass'n's seyn! |
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(d) |
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Ietzt hab' ih noh sechs Kreuzá, Dö g'hör'n nit mein, nit dein: Dráh' dih, Wáwerl, dráh' dih, Vásoffá müss'n s' seyn! |
á klingt wie a in Kaffeh; helles a.
a klingt wie å in engl. all; hohles (tiefes) a (å)
ä klingt wie e (wo es nicht durch á ersetzt ist).
ar klingt wie oar (oar).
äu klingt wie ai.
e klingt wie ö (in den meisten Fällen).
ei klingt wie ai.
er klingt wie ear (ear) (gewöhnlich).
eu klingt wie ai.
g klingt wie ch (gewöhnlich am Schluß, oder in der Verlängerung).
h klingt wie ch oder g (bisweilen).
i klingt wie ü.
ie klingt wie iar (iar) (größtenteils).
n klingt wie im Französischen en durch die Nase, wenn ein Selbstlaut vorhergeht und ein Mitlaut folgt. Zwischen zwei Selbstlauten dient es als Bindelaut.
ö klingt wie e (außer vor l).
or klingt wie oar (oar) oder uar (uar)
p klingt wie b (häufig).
r klingt gewöhnlich nur halb durch. Zwischen zwei Selbstlauten dient es als Bindelaut.
sp klingt wie schp (schb).
st klingt wie scht (schd).
t klingt wie d (größtenteils).
u klingt wie ue (ua, uar) (oft).Wann übrigens dieses: »gewöhnlich, bisweilen, häufig. oft usw.« zu berücksichtigen komme, wann nicht, läßt sich nur durch Lesenhören lernen, und wie von Gedichten überhaupt, so gelten vorzugsweise von Dialektliedern die Worte Goethes:
ü klingt wie i.
Wer den Dichter will verstehen, Muß in Dichters Lande gehen!« |
J. G. S.
Die Österreicherlieb' – ha! – echte Lust, Mutwillig, keck, beharrlich, selbstbewußt, Froh pflückend, was der Tag an Rosen gibt: Das muß ich wissen, weil ich so geliebt! Doch ohne Trän' und Seufzer ist sie nicht, Sie kann auch weinen, wenn sie lächelnd spricht. Der Österreichertanz – ha! – rüst'ger Schwung, Das Österreicherlied – ha! – Stegreifblitz, Der Österreichermut, – ha! – Lebensmut, Das ist und bleibt des Österreichers Sinn: |