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Der Sinn der Internationale

Aus der Bremer Bürger-Zeitung.
14.7.1904

Der Sozialdemokratische Verein hielt seine regelmäßige Mitgliederversammlung ab. Der erste Punkt der Tagesordnung lautete: »Stellungnahme zum internationalen Arbeiterkongreß.«

Hierzu führte Genosse Ebert folgendes aus: Es ist in der Mitgliederversammlung kaum nötig, den Internationalismus der Sozialdemokratie zu begründen. Unser Programm besagt das Nötige darüber. Auch das Abhalten internationaler Kongresse ist ohne weiteres verständlich, es gilt, die internationalen Beziehungen aufrecht zu erhalten. Man hat sich für Amsterdam als Ort des nächsten internationalen Kongresses entschieden. Das internationale Sekretariat, an dem 24 Nationen beteiligt sind, und das auf dem letzten internationalen Kongreß gewählt wurde, hat zu allen bedeutenden politischen Fragen Stellung genommen und für das eventuelle Verhalten bestimmten großen politischen Vorkommnissen gegenüber Vorschläge gemacht. Der Redner erinnert an das Verhalten gegenüber der armenischen Frage (Metzeleien), der Polenfrage, der Lynchjustiz in Amerika u. a. m. Das internationale Komitee erfüllt vollständig seinen Zweck, zu dem auch die Vorbereitung der internationalen Kongresse gehört. Für den demnächst stattfindenden Kongreß hat die internationale Zentrale nun eine Vorarbeit geleistet, die das Ausscheiden der Gefühlspolitik, die bisher vorwiegend war, auf den internationalen Kongressen wahrscheinlich macht. In sozialpolitischer Hinsicht kann die Zentrale ebenfalls Nützliches leisten. Das internationale Komitee hat dann über die Zulassung zum Kongreß zu befinden. Beschlossen ist, Gewerkschaften und politische Organisationen der Arbeiter aller Richtungen zuzulassen, die Anarchisten aber auszuschließen. Auch die Tagesordnung hat das Komitee festgesetzt. Der Redner schildert in Kürze, wie die s. Z. geschaffene Einheit in Frankreich bald wieder in die Brüche gegangen sei. Auf dem letzten internationalen Kongreß zeigte sich der Riß deutlich. Es zeigten sich zwei Strömungen, die unter der Führung von Jaures und Millerand einerseits und Guesde-Vailland anderseits stehen. Der Parteitag der sozialistischen Partei Frankreichs hat die Dresdner Resolution akzeptiert und beschlossen, sie dem internationalen Kongreß zur Annahme zu empfehlen. Diesen Beschluß kann der Redner nicht gutheißen, obwohl sich auch bei anderen romanischen Völkern, so in Italien, eine Spaltung der Partei gezeigt habe. Redner hält es nicht für notwendig, daß auch der künftige Kongreß wie andere internationale Kongresse sich mit den Interna der einzelnen Nationen beschäftige. Auch für die Taktik der einzelnen Nationen kann auf dem internationalen Kongreß keine Richtschnur gegeben werden. Die Taktik hängt ab von den jeweiligen Verhältnissen der einzelnen Länder. In Brüssel beantragten die deutschen Genossen bei ähnlicher Gelegenheit Übergang zur Tagesordnung. Später wurde in Zürich eine ähnliche Stellung von unseren Genossen beobachtet. Damals sprach Liebknecht das bekannte Wort, daß, wenn nötig, vierundzwanzigmal am Tage die Taktik geändert werden müsse. Ferner kommt als wichtige Frage die Erörterung über den Generalstreik in Betracht. Sie ist angeregt von Frankreich und Holland; neu ist die Frage indes nicht. Der Dresdner Parteitag hatte sich ebenfalls mit der Frage zu beschäftigen, dort wurde der Antrag, auf dem nächsten Parteitag über den politischen Streik zu verhandeln, abgelehnt. Nach dem Dresdner Parteitag ist aber dieser Streik erst richtig diskutiert worden, weil er verschiedentlich aktuell geworden war. So in Belgien, Schweden, Holland. In Belgien hat man eine Resolution angenommen, die den Generalstreik empfiehlt und gleichzeitig erklärt, daß die Partei sich ihm gegenüber loyal verhalten solle, also eine Resolution, die nicht sonderlich klar ist. Auch in Holland nahm man auf dem letzten Parteitag Stellung zum Generalstreik und faßte eine Resolution, die dem Kongreß in Amsterdam zur Annahme empfohlen werden soll. Es wird in dieser davor gewarnt, daß die Arbeiter sich allzu frühzeitig von der Idee des Generalstreiks gefangennehmen lassen. Besonderes Gewicht wird auf den Ausbau der gewerkschaftlichen und politischen Organisation gelegt, damit, wenn der Generalstreik einmal aktuell werde, man gerüstet sei. Der Redner stimmt in der Frage dem Genossen Adler-Wien zu, der gemeint hat, man sollte die Bourgeoisie nicht von der Furcht vor dem Generalstreik befreien. Sodann hält der Redner für wichtig den von den deutschen Genossen zur Debatte gestellten Punkt »Sozialpolitik und Arbeiterversicherung«. Genosse Molkenbuhr, wohl der beste Kenner der Materie, ist als Referent bestimmt. Der Redner hält es für notwendig, daß sich ein internationaler Kongreß einmal mit dieser Frage beschäftigt. Stets werden dem Ausland unsere Arbeiterversicherungen als Paradepferde vorgeführt. In anderen Ländern besteht recht wenig an Arbeiterversicherungen. Ausländische Genossen sind daher vielfach wenig vertraut mit der Materie und daher ist es schon vorgekommen, daß in einzelnen Ländern von unserer Seite Anträge gestellt sind, die hinter dem Bestehenden in Deutschland zurückblieben. Wichtig ist auch die Erörterung der Frage des Achtstundentages, wobei gleichzeitig die Maifeierfrage gestreift wurde. Zu dieser Frage hatten letzthin eine Anzahl deutscher Genossen eine Meinung geäußert, die auf eine bedeutende Einschränkung der Maifeier hinausläuft. Im Auslande hat man ebenfalls verschiedentlich Abänderungsvorschläge gemacht, so die Verlegung der Feier auf einen Sonntag usw. Es ist bei dieser Frage zu bedenken, daß die Gewerkschaften auch in der Zukunft die Kosten für die Folgen der Maifeier zu tragen haben. Das ist wohl zu erwägen, besonders in Hinsicht auf das Anwachsen der Unternehmerverbände. Es ist wünschenswert, daß in dieser Frage auf einer vorher stattfindenden Gewerkschaftskonferenz eine Einigung erzielt werde. Von großer Bedeutung ist weiter die von den argentinischen Genossen angeregte Erörterung der Frage »Auswanderung und Einwanderung«. Der Redner kommt auf ein in Argentinien bezüglich der Einwanderung beschlossenes Gesetz zu sprechen und meint dann, es ginge nicht an, daß wir für gesetzliche Beschränkung der Einwanderung seien. Auch die deutschen Arbeiter hätten zwar mit der Einwanderung ausländischer Arbeiter (Italiener, Russen, Galizier usw.) zu rechnen, aber einer gesetzlichen Einschränkung dieser Einwanderung könnte er nicht das Wort reden. Trotzdem ist der Redner dagegen, daß der internationale Kongreß sich prinzipiell in dieser Frage festlegt. Es ist denkbar, daß die deutschen Unternehmer ausländische Arbeiter en masse heranziehen, um ihre deutschen Arbeiter auf die Straße zu werfen. In solchen Fällen kann man sehr wohl für eine gesetzliche Beschränkung der Einwanderung sein. Auch hat die Fraktion ja gelegentlich der Besprechung der Tatsache, daß chinesische Kulis auf den Lloyddampfern beschäftigt werden, ganz frisch und frei gefordert, daß das ferner nicht geschehen solle, daß diese Arbeiter durch Deutsche ersetzt werden müßten. Der Redner schließt mit einem nochmaligen resümierenden Hinweis auf die Wichtigkeit des Kongresses.

Beschlossen wird, den Kongreß mit einem Delegierten zu beschicken. In Vorschlag gebracht werden Ebert und Donath. Letztgenannter verzichtet, worauf Genosse Ebert gewählt wird.


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