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1911.
Aus einer Parteitagsrede.
Jena 1911
Ebert: Zu meinem Bedauern ist trotz dringenden Abratens meinerseits mein Name auf die Vorschlagsliste für die Wahl des Vorsitzenden der Partei gekommen. Ich erkläre, daß ich unter keinen Umständen empfehle ich die Kandidatur Haase. Ich bitte deshalb, meinen Namen zu streichen.
Legien: Es ist meines Wissens das erstemal, daß ohne erkennbare sachliche Gründe ein Genosse, der für einen der höchsten Ehrenposten der Partei vorgeschlagen wird, ablehnt. Meines Erachtens liegen in diesem Falle erkennbare sachliche Gründe wirklich nicht vor, Ebert hat, das dürfte allgemein bekannt sein, bei vollständig kollegialem Zusammenarbeiten mit den Kollegen im Bureau seit Jahren im Parteivorstande die Arbeiten gemacht, die in gewisser Beziehung einem im Parteibureau ständig tätigen Vorsitzenden zufallen würden, Ebert hat auf der anderen Seite, und das kommt als besonders wichtiger Umstand in Betracht, vielfach an den Verhandlungen über die nicht unerheblichen und zahlreichen Differenzen in den einzelnen Landesorganisationen teilgenommen, und es ist ihm gelungen, diese Differenzen beizulegen. Er hat nach dieser Richtung hin eine überaus glückliche Hand gehabt, und das ist es, was meines Erachtens in der gegenwärtigen Situation die Partei am dringendsten braucht. Gegenwärtig sowohl, wie vielleicht in der nächsten Zeit, wird es wesentlich darauf ankommen, daß wir den Posten eines Vorsitzenden mit einem Genossen besetzen, der nach der genannten Richtung hin ausgleicht, der bei Differenzen den nötigen Takt und ein gewisses Geschick bisher bewiesen hat. Infolgedessen scheint es mir unrichtig, daß Ebert verzichtet. Alle diese Gründe bewegen mich, an die Genossen, die die Absicht hatten, Ebert zu wählen, die Bitte zu richten, sich durch dessen Ablehnungserklärung bei der Abgabe ihrer Stimme nicht beeinflussen zu lassen.
Bebel: Legien hat recht, wenn er sagt, daß zum ersten Male in der Partei über einen Mann, der zu dem höchsten Amt vorgeschlagen worden ist, eine Diskussion entsteht, weil er die Kandidatur nicht annehmen will. Ebert habe ihm keine genügenden Gründe für seine Ablehnung gegeben. Es ist in erster Linie Sache von Ebert selbst, was er sagen will oder nicht. Wenn Ebert erklärt, ich nehme die Wahl nicht an, so bleibt es dabei. Damit ist selbstverständlich keinem Mitglied des Parteitages das Recht genommen, ihn trotzdem zu wählen. Will man eine Demonstrationswahl machen, so steht dem nichts im Wege. Die Kandidatur Ebert ist heute nicht zum erstenmal aufgetaucht. Es ist schon einige Zeit nach dem Tode von Singer im Vorstand und in der Kontrollkommission darüber gesprochen worden und schon damals hat der Genosse Ebert auf das entschiedenste erklärt, daß er eine Wahl zum Vorsitzenden nicht annehmen würde, und dem ist entsprechend Rechnung getragen worden, insofern als man von seiner Kandidatur abgesehen hat. Nun hat Legien in einer für Ebert durchaus schmeichelhaften Weise hervorgehoben, welche Tätigkeit er ausgeübt habe und welche Stellung er im Parteivorstand einnimmt. Ich und meine übrigen Vorstandskollegen können nur voll in dieses Lob einstimmen, ich muß aber auf ausdrückliches Ersuchen des Genossen Ebert erklären, daß er seine Tätigkeit stets in voller Übereinstimmung und in freundschaftlicher Aussprache mit den Vorstandskollegen ausgeübt hat und daß er es ablehnen müsse, daß ihm dies als besonderes Verdienst angerechnet wird.