Max Eyth
Im Strom unsrer Zeit. Zweiter Teil. Wanderjahre
Max Eyth

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23.

An Bord der »Schannon«, zwischen St. Thomas und Plymouth, im Mai 1870.

Mein Ausflug nach Westindien nahm seinen Verlauf wie eine Eisenbahnfahrt von Stuttgart nach Ludwigsburg und war ungefähr ebenso reich an Abenteuern. Geschäftlich war er von wirklichem Nutzen. Ich kehre mit Plänen für neue Geräte zurück, wie wir sie nie in Europa, ferne vom eigentlichen Schlachtfelde, auszuklügeln imstande gewesen wären. Die landwirtschaftlichen Verhältnisse sind in jenen Ländern so ganz anders als bei uns, und die Beschreibungen oder Vorschläge unsrer dortigen Freunde, der Pflanzer sowohl als der Arbeiter und Mechaniker, meistens entsetzlich verworren und unbestimmt. Dabei ist das Bedürfnis nach Maschinen zur Bodenbearbeitung so groß, daß in den letzten fünf Jahren über fünfzig Apparate nach den westindischen Inseln gegangen sind, trotzdem infolge des Mangels wirklich geeigneter Geräte nur die wenigsten in nutzbringender Tätigkeit gehalten werden konnten. Das Feld, das sich uns dort öffnet, ist in der Tat groß. Leider sind es auch die Schwierigkeiten.

Von den kleinen Antillen zwischen St. Thomas und Trinidad habe ich nicht viel mehr gesehen als ihre wunderliebliche Außenseite, sogar meist nur vom Schiff aus, beim Vorübersegeln. Dagegen lernte ich Trinidad, die lieblichste von allen, gründlich kennen. Schade, daß Raum und Zeit nicht gestatten wollen, Euch von meinen Hauptausflügen zu erzählen: im Norden der Insel nach der Marakaibobucht, durch eine urwaldbedeckte Gebirgslandschaft, im Süden nach dem weltberühmten Asphaltsee, und in der Mitte der Insel nach den harmlosen Schlammvulkanen, die in tiefer Waldeinsamkeit ihr koboldartiges Wesen treiben. Aber ich müßte Bücher schreiben statt Briefe, wollte ich Euch all die Blumen mitbringen, die an meinem Wege wachsen, und das gäbe vermutlich doch nichts weiter als ein Herbarium ohne Duft und Farbe. Ja, wenn man die zu Papier bringen könnte!

Die Rückfahrt war meine erste Seereise, während welcher ich jemand etwas arbeiten sah. Nämlich mich, indem ich einen längeren Aufsatz über Zuckerfabrikation in Trinidad und über unser künftiges Vorgehen in Westindien ausarbeitete. Ich verlor nichts dabei. Der Eindruck, den nach einigen Tagen eine große Schiffsgesellschaft macht, ist meist possierlich traurig. Hundertundfünfzig Leute, die rein nichts zu tun haben als höflich zu sein, die aus diesem Grunde selten aus dem Gebiet der Gemeinplätze heraustreten, müssen schließlich zwecklos dumm und namenlos faul erscheinen. Ein Papageikäfig ist hübsch und ein Affenkasten hat Humor; »jedoch der schrecklichste der Schrecken – das ist der Mensch!«

Punktum! – Soeben sagt mir mein Steward, daß alles an Deck auf den Zehenspitzen stehe. Es ist echt englisches Wetter, naßkalt und stürmisch, und Plymouth sei deutlich durch den Nebel zu sehen. Hipp, hipp, Hurra!


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