Max Eyth
Im Strom unsrer Zeit. Zweiter Teil. Wanderjahre
Max Eyth

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163.

Bukarest, den 1. Juli 1881.

Dem tapferen Karolus gönne ich es ja von Herzen, und der königlichen Dichterin noch viel mehr, aber mußten sie sich gerade krönen lassen, während ich in schwerer Not die Staatswerkstätten dringender brauchte als je in meinem Leben? Zwar waren die Krönungsfeierlichkeiten und namentlich das halbwilde Volk in seiner Feststimmung hochinteressant, aber ein sausendes Schmiedefeuer, eine spinnende Drehbank hätte mir mehr Freude gemacht. Doch es half alles nichts. Ich mußte warten, mitfeiern und namentlich auch mitbezahlen. Sie verstehen das in Bukarest.

Dann hatte ich in Simnitza den technischen Robinson Crusoe zu spielen und mit den lächerlichsten Hilfsmitteln auszuführen, was selbst in gut ausgestatteten Maschinenfabriken nicht gerade leicht zu machen ist. Was hilft's, mich im stillen auf mein vorgerücktes Alter und die Lebensstellung zu berufen, die ich einnehme? »Der Bien muß«, wenn nicht aller Honig verloren gehen soll. Und so hättet Ihr heute den »berühmten Landsmann«, wie mich die heimischen Wurstblättchen schon genannt haben, meißeln sehen können wie vor fünfundzwanzig Jahren. Es geht noch, aber es ärgert mich. Und das sollte mich eigentlich doppelt ärgern.

Rumänien ist zu keiner Zeit ein Land, das man sich zum Vergnügungsaufenthalt wählen wird, und im Juni oder Juli gleicht es ebensosehr der Kornkammer, wie es patriotische Rumänen gerne nennen, als dem Backofen Europas. Zudem machten meine Arbeiten mir nicht allein beträchtliche Mühe, sondern auch Sorgen genug. Denn bei Ausführungen, die alles gewohnte und herkömmliche Maß überschreiten, muß gar manches gewagt werden, dessen Zulässigkeit sich erst durch den schließlichen Erfolg dartun läßt. Um kurz zu sein: am letzten Freitag hatte ich Dampf in der Maschine und am Samstag fuhr sie triumphierend aufs Feld, wo ihr »Bruder«, um Arabisch zu sprechen, sie schon seit zwei Monaten erwartete. Ich fing an, glücklich zu werden, im Vorgefühl des nahen Endes meiner hiesigen Leiden, und verbrachte, allein mit Mr. Manos, zum erstenmal nach langer Zeit einen vergnügten und ruhigen Sonntag. Wären alle Griechen wie Manos und Negroponte, so ließe sich selbst unter ihrem Räubergesindel nicht übel leben.

Am Montag begann die Arbeit im Feld. Hätte ich gewußt, welcher Unglückstag dieser Montag werden sollte, so wäre ich nicht aufgestanden. Gegen Mittag verursachte die Ungeschicklichkeit der noch vollständig unerfahrenen Leute, in Verbindung mit einem schwierig zu behandelnden Feldstück, den Bruch eines Zahnrades der zweiten Maschine, der eine mindestens wochenlange Reparatur nötig macht.

Das sind Augenblicke, in denen man gute Nerven brauchen kann.

Das notwendige Demontieren nahm den Rest des Tags in Anspruch und auch den folgenden. Am Mittwoch war ich wieder auf dem mir nun wohlbekannten Weg von Simnitza über Rustschuk und Giurgewo nach Bukarest, wo ich mittags ankam und sogleich in allen Richtungen die Mittel suchte, dem gebrochenen Rad neue Zähne einzusetzen. Aber Bukarest ist in dieser Beziehung noch gar sehr in der Kindheit. Die erste hiesige Fabrik hatte kein geeignetes Schmiedefeuer, eine andre keine Leute, ein dritter Schmiedemeister war mit der Ernte beschäftigt. Die Fabrik der Eisenbahnen konnte mir meine Sachen – die Arbeit von zwei bis drei Tagen! – nicht vor zwei Wochen versprechen. Es blieb schließlich gegen Mittag des zweiten Tags meiner Jagd nach einem großen Schmiedefeuer nichts übrig als das königliche Arsenal, dessen Direktor sich bereit erklärte, die Sache zu machen, wenn ich hierfür einen förmlichen Befehl des Kriegsministeriums beibrächte. Auf dem Kriegsministerium erklärte man mir mit bereitwilliger Höflichkeit, daß ich einen solchen Befehl wohl erhalten könne, wenn ich eine Bittschrift an den Kriegsminister richte. Nach zwei Stunden war dieselbe, in geeigneter Form, in den Händen der Behörden; worauf man mir mitteilte, daß die Antwort in drei Tagen mit der erbetenen Bewilligung im Arsenal sein könne. Ich ging den Leuten jedoch nicht von der Schwelle, bis ich die Bewilligung selbst in der Tasche hatte und noch gegen Abend dem Direktor des Arsenals vorlegen konnte, der nunmehr die Arbeiten ohne Verzug begann. –

Trotz allen Treibens wird die Geschichte mich wenigstens acht Tage kosten, in denen ich mich wie in einem Käfig fühle, an dessen Gitter ein ungeduldiger Tiger rüttelt. Es ist nicht das erstemal, daß ich in ähnlicher Lage dieses Gefühl zu kosten bekomme. Das ist das Leben: ein ewiger Kampf, und keineswegs immer ein Triumphzug.

In vier Tagen bin ich wieder in Simnitza. Dann kann dort die Arbeit aufs neue beginnen; hoffentlich mit besserem Erfolg, denn auch dem boshaftesten Unstern muß es schließlich langweilig werden, hinter mir her zu sein.


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