Max Eyth
Im Strom unsrer Zeit. Zweiter Teil. Wanderjahre
Max Eyth

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131.

Leeds, den 8. Dezember 1879.

Dezember!

Über die Natur meines Winterschlafs werden Euch wenige Worte genügend aufklären. Sie ließen sich allerdings leicht zu einem kleinen Buch umgestalten.

Die erste Probefahrt mit meiner Riesenstraßenlokomotive ist höchst befriedigend ausgefallen. Sie war zwar kaum fertig, als sie von Greig ins Feld geschickt wurde, so daß ich in Todesangst schwebte, ob sie samt den Maschinenwärtern lebendig wieder nach Hause kommen werde. Sie tat aber nicht nur das, sondern übertraf in gewissen Eigenschaften alles, was wir bisher gebaut haben. Das ist natürlich des Erfinders Ansicht. Das einzig Schlimme ist, daß ich meinem Jahrhundert etwas vorausgeeilt bin. Vier Meter hohe Wagenräder, so daß die Maschine fast aussieht wie ein Eichhörnchen in einer Drahttrommel, wollen den Leuten nicht in den Kopf. Möglich, daß man sie in eine Rumpelkammer stellt, um sie in zehn Jahren wieder hervorzuholen. Aber vorerst soll sie ein paar Monate lang laufen und zeigen, was sie wert ist.

Mein neuer Wendepflug wird wohl noch drei Wochen brauchen, bis er flügge ist. Geschwinder geht's mit dem Pflug für Algier. Das rührt daher, daß der letztere bestellt ist und sofort gebraucht wird. Und ich habe alle Hoffnung, daß er im Februar oder März eine neue Ära am Fuß des Atlas eröffnen wird.

Ferner konstruiere ich, auf Drängen von Negroponte, dem Besitzer von Maraschesti, für Rumänien einen Maiskultivator, eine Aufgabe, deren Lösung ebenso schwierig als wünschenswert ist. Zum Behacken des Welschkorns hat man in Rumänien nicht halb genug Menschen; wenn es mit Dampf geschehen könnte, wäre allen geholfen.

Fell, der die provisorische Eisenbahn (mit Zentralschienen) über den Mont Cenis gelegt hat, soll eine ähnliche über den Sankt Bernhard bauen. Für die obersten zwanzig Meilen will er Drahtseilbetrieb einrichten. Ich und Burton werden nächste Woche eine Beratung mit dem kühnen Unternehmer haben.

Auch bekommen wir mit dem Bohren des Tunnels unter dem Kanal zu tun, mit dem es ernst wird. Wir bauten für einen Oberst Beaumont eine Bohrmaschine, die, scheint's, über Erwarten gut geht. Beaumont soll mit der Ausführung des Tunnels betraut werden; wir hätten dann die weiteren erforderlichen Maschinen zu bauen. Leider ist dies noch nicht ganz sicher, und Ihr wißt nachgerade, wie es mit solchen Plänen allzuhäufig geht. Doch seht Ihr wohl, daß mein Winterschlaf nicht ohne angenehme Träume ist.

Im allgemeinen leben die Geschäfte entschieden auf. Selbst die Chinesen fangen an, sich ernstlich nach Maschinen umzusehen, wobei ihnen der Gouverneur von Schanghai mit einem amtlichen Rundschreiben beisteht. Darin rät er, für Betrieb und Unterricht Engländer auf drei Jahre zu verpflichten. Wenn nach Verfluß dieser Zeit die Chinesen das Handwerk noch nicht gelernt haben, so seien die Engländer zu bestrafen. »Beim Ankauf von Maschinen,« fährt er fort, »habt ihr sehr vorsichtig zu sein. Alle fremden Handlungshäuser in Schanghai sind vorzügliche Betrüger. Nachdem sie euch hintergangen haben, ziehen sie euch vor ein Konsulargericht und ihr werdet ohne Gnade verurteilt. Es ist unerträglich, betrogen und noch dazu bestraft zu werden. Nehmt euch deshalb in acht!«

Deutschland und Österreich halten sich zum Glück fortwährend brav, und nach Indien, Java und selbst nach den Fidschi-Inseln gehen in diesem Monat Dampfpflüge ab. Java namentlich macht uns gegenwärtig Freude und Hoffnung. Eine in ethischer Hinsicht nützliche Rinderpest scheint die gemütlichen Holländer aus ihrem Halbschlaf aufzuwecken. Wir sprechen ernstlich davon, eine geschäftliche Entdeckungsreise nach diesem Paradies von Gewürz und Zucker unternehmen zu lassen, die mir noch diesen Winter verkürzen könnte.


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