Max Eyth
Im Strom unsrer Zeit. Dritter Teil. Meisterjahre
Max Eyth

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57.

Frankfurt a. M., den 10. April 1887.

Es geht vorwärts; natürlich nicht in dem Schnellschritt, der mir zur Beruhigung dienen würde; aber es geht doch vorwärts, und Du weißt, ich habe einen Bund mit meiner Feder gemacht, vom 15. April bis 15. Juni nicht zu schimpfen. Den will ich halten, wenn es menschenmöglich ist.

Vor vier Tagen wurde das erste Bauholz auf den Platz geführt und von mir festlich begrüßt, vor drei der erste Pfosten für die Geräteschuppen eingeschlagen. Bereits stehen zwei von den einunddreißig, die erforderlich sind. Zwei Bauunternehmer sind ernstlich an der Arbeit. Der dritte wollte gestern anfangen, hat sich aber noch nicht gezeigt. Ganz vortrefflich wirkt die Maßregel, die Bauten drei Geschäften zu übergeben. Es ärgert doch jeden, der langsamste zu sein, und ich lasse es an schlechten Witzen nicht fehlen, sie gegeneinander aufzuhetzen.

Noch immer kommen Anmeldungen und die naivsten Anfragen, die zeigen, bis zu welchem Grad das Ausstellungswesen hierzulande demoralisiert ist; dazu von Leuten, die keineswegs unwissende Bäuerlein sein wollen. Es sei nicht unmöglich, schreiben sie gewöhnlich – drei, vier Wochen nach Schluß der Anmeldefrist! –, daß sie sich entschließen dürften, auszustellen, namentlich, wenn sie mit Sicherheit auf einen Preis rechnen könnten, worüber sie um Aufschluß bitten. Es macht mir ein grimmiges Vergnügen, diesen Herren zu antworten: »Liebe Schlafhauben! Es ist ganz unnötig, Euch zu entschließen. Die Bude ist bereits geschlossen.« Worüber sie sich dann sichtlich gekränkt »wundern« und mich benachrichtigen, einer so wenig entgegenkommenden Gesellschaft niemals beitreten zu können.

Mit den verschiedenen Ortsausschüssen habe ich begonnen, regelmäßige Sitzungen abzuhalten, was in gemütlich-süddeutsch-formloser Weise beim abendlichen Bier geschieht. Für die Herren ist das zweifellos das bequemste. Mir raubt es den Feierabend, was nichts zu sagen hat, solange man's aushält. Die Arbeit besteht im wesentlichen darin, den Herren zu erzählen, was ich getan habe oder zu tun gedenke, sie zu fragen, ob dies den Sitten der Eingeborenen entspreche, und schließlich meine eignen Wege zu gehen. Es ist dies das Natürlichste. Unter den achtzig Herren, um die es sich hierbei handelt, finden sich doch drei oder vier, die wirklich an der Arbeit teilnehmen wollen und die die Mühe des Zusammensitzens mit den andern reichlich lohnen: Heinecken, Stockmayer, von Lichtenstein – doch, was kümmern Dich tote Namen!

Weniger gut geht mir's mit den Vorbereitungen für die Wanderversammlung, die neben der Ausstellung herlaufen soll. Es fehlt mir zunächst die Zeit, vor allem aber ein Herr von Langsdorff, der in Dresden von großem Werte war, diese Seite der Veranstaltungen gehörig durchzukneten. In dem Gefühl der Unmöglichkeit, die Aufgabe, welche vor mir liegt, in all ihren Teilen zu bewältigen, liegt das Unbehagliche meiner heutigen Lage. Schließlich wird man mir sagen, daß ich dies nur meiner eignen Torheit zu danken habe; wer zwinge mich, mir Unmöglichkeiten aufzuladen? Daß meine verehrten Mitglieder und Mitarbeiter es sind, die mich sitzen lassen, scheint bis jetzt keinem derselben in den Sinn gekommen zu sein.

Trotz alldem läßt sich gelegentlich nach Luft schnappen. Herr von Lichtenstein, die personifizierte Gefälligkeit, öffnete mir die Tore des hiesigen Bürgervereins, eines reich und behaglich eingerichteten Klubs und einer unerschöpflichen Quelle der Tages-, Wochen- und Monatsliteratur. Vielleicht vergesse ich dort von Zeit zu Zeit, daß meine wichtigste Aufgabe in den nächsten acht Wochen die ist, nichts zu vergessen.


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