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Berlin, den 10. Juli 1896.
Dankbar sollten wir sein, daß uns das Leben nicht gestattet, allzulang auf hohem Kothurn einherzustelzen und uns bei den schon in klassischer Zeit üblichen Nachspielen zwingt, auf den eignen, meist etwas komisch ausgetretenen Sohlen weiterzuziehen. Als ich hier ankam, fand ich unter einem beträchtlichen Haufen andrer Arbeiten eine Reklamation, die unsre nächste Direktionssitzung beschäftigen und erheitern wird. Sie beweist zum mindesten, welches Vertrauen die D. L. G. in den weitesten Kreisen und in den schlichtesten Gemütern des Volks genießt.
In Cannstatt wurde eine schuldlose Kuh prämiiert, bei der sich nachträglich herausstellte, daß sie sich aus Versehen in eine falsche Klasse eingeschlichen hatte. Man mußte deshalb ihren Eigentümer, der vielleicht nicht ganz so schuldlos war, benachrichtigen, daß der fragliche Preis von 300 Mark nicht ihm zustehe, sondern dem mit dem zweiten Preis gekrönten Rind, das nunmehr an die erste Stelle dieser Klasse rückte. Der Unglückliche sieht dies zwar langsam ein, verlangt aber 250 Mark Schadenersatz für Verluste, die ihm aus der unrichtigen Prämiierung seiner Kuh erwachsen seien. Erstaunt ersuchte unser Hauptgeschäftsführer den betrübten Aussteller um nähere Angaben bezüglich der angeblichen Verluste. Hierauf erhielten wir eine Aufstellung, die verdient, daß ich sie Dir abschreibe. Sie hat mich so ungebührlich gefreut, daß ich dem Direktorium vorschlagen werde, dem Mann ohne weitere Bemängelung die verlangte Summe zuzusenden, und ich weiß, das Direktorium ist gegenwärtig leichtfertig genug, alles zu tun, um was zu bitten mir einfällt. Der Mann aber hatte wörtlich folgendes geschrieben:
Verzeichnis außergewöhnlicher Kosten, welche mir durch die Prämiierung meiner Kuh bei der Landwirtschaftlichen Ausstellung zu Cannstatt pro 1896 erwachsen sind:
S–ch, den 3. Dezember 1896.
Schultheiß K–e.
Die Summe wurde dem Mann zugeschickt, da das Direktorium die Unmöglichkeit erkannte, mit einem Schwaben von solch durchtriebener Naivität in andrer Weise fertig zu werden. Doch widmete der Hauptgeschäftsführer auch dem Ernst der Sache einige passende Worte und fragte, ob es nicht tieftraurig wäre, wenn 120 000 Mark, die jährlich auf unsern Ausstellungen zur Hebung der Landwirtschaft in Prämien verteilt werden, in dieser Weise vergeudet würden. Dies wurde einstimmig bejaht und warf einen leichten Schatten auf die heitere Episode.
Damit wäre vorläufig auch in Berlin abgeschlossen. Morgen geht es nach dem Engadin, nach Sils Maria, nach der Maloja, auf den Kleinen Bernhard, wer weiß, wohin. Luft brauche ich jetzt und Licht, und auf ein paar Wochen meine Freiheit.