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Maurice Maeterlinck

Maurice Maeterlinck, geb. 1862 in Brüssel, lebt in Paris. Die Elemente, aus denen sich die Kunst Maeterlincks zusammensetzt, sind bereits angedeutet worden. Sie sind durchweg romantischer Natur. Schon die deutsche Romantik der Tieck und Novalis hatte versucht, die Literatur vom Kothurn des Problems zu erlösen, die Psychologie zu vereinfachen und die Menschen von der Seite ihres Kindheitempfindens zu beleuchten. So gelangte sie zu jenen Retardationen des ästhetischen Gefühls, denen die primitivsten Seelenreize entsprechen. Sie versuchte in die tiefsten Tiefen der Menschennatur hineinzuhören, und weil sie den geraden Weg wählte, stieß sie sozusagen auf den Grund. Reize wie sie die Monotonie einer Kirchenlitanei, der Zauber des Unsichtbaren, der Dunkelheit, des Geheimnisses usw. hervorbringen, gewannen bei Tieck noch den reinen, der philosophischen Verschleierung fremden Ausdruck, während sein Zeitgenosse Novalis schon zum Symbolismus gelangte.

Symbolismus ist es denn auch, was der Belgier auf Grundlage der angeführten romantischen Bestrebungen wieder in die Literatur einführt. Neu ist eigentlich nichts daran, als die Übertragung der Tendenzen auf dramatisches Gebiet. – Er begann mit mystischen Gedichten »Serres chaudes«. 1889 folgte sein Erstlingsdrama »Prinzessin Maleine«, das im wesentlichen die charakteristischen Eigenschaften seiner späteren Meisterstücke schon erkennen läßt. Künstlerisch bewußter als das genannte Drama waren bereits die dramatischen Stimmungsgemälde »Die Blinden« und »Der Eindringling«. Maeterlinck begnügt sich nicht mit den Lebensäußerungen, wie sie gewöhnlich in Erscheinung treten, wie sie früheren Dramatikern zu ihren stilisierten Arabesken menschlicher Leidenschaften und Empfindungen Modell gestanden hatten, er sucht nach Nebenklängen, nach Obertönen des Seelischen. Wie schon Novalis von einem verdunkelten Bewußtsein das Heil erwartete und die Poesie und Philosophie des Unbestimmbaren, Unumgrenzten predigte, so will auch Maeterlinck unter die Schwelle des Bewußtseins gelangen. Er mußte zu diesem Zwecke nach neuen Ausdrucksmitteln suchen, nach Ausdrucksmitteln, wie sie etwa der Musik verwandt sind. Und er fand sie in einer eigenen Technik. Seine Bühne ist nicht die Bühne unseres Dramas, seine Gestalten nicht Menschen des allgemeinen Begriffes, sie sind psychologische Marionetten. Zu einem Werte dieser Art von ergreifender Macht der Stimmung bringt er es im »Tod des Tintagiles«. In seinen späteren Stücken wie »Pelleas und Melisande«, »Legende des heiligen Antonius« wird die Originalität stellenweise zur Manier. Erwähnt sei noch ein mißglückter Versuch Maeterlincks, den Stil der historischen Tragödie für sich zu erobern, eine Rückkehr von der Kinderseele zur Menschenseele, das Schauspiel »Monna Vanna«, das auf den Bühnen einen sehr starken Erfolg hatte.

Dr. H. E.


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