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Stanislaus Przybyczewsky, geb. 1868 in Lojewo (Posen), lebt in Warschau. Przybyczewskys künstlerische Richtung wurde bestimmt durch die psychiatrischen Studien, die er als Student der Medizin betrieb. Die Kenntnisse, die ihm diese Studien verschafften, befähigten ihn, die Seelen komplizierter Menschen fast physiologisch zu sezieren. Besonders war es der Sexualismus, dem er seine destruktiven, psychologischen Untersuchungen zuwandte. Das bedeutendste seiner sexual-psychologischen Werke ist die »Totenmesse«, die Seelenzergliederung eines in sexuellen Delirien sich krampfenden Menschen, ein merkwürdiges, aber künstlerisch interessantes Gemisch von wissenschaftlich-exakter Untersuchung und ekstatischer Leidenschaft. In den »Vigilien« hat Przybyczewsky dieses Problem weitergeführt. Auch seine Romantrilogie »Homo sum« behandelt das Problem der Sexualität in allen erdenkbaren psychologischen Nuancen. Neuerdings hat er sich auch in einer größeren Anzahl dramatischer Arbeiten damit beschäftigt, wie »Am Wege«, »Das goldene Vließ« usw. Doch mag wohl der Zwang, hierbei sein Thema in ein festeres Formgefüge meistern zu müssen, die Ursache sein, daß seine dramatischen Arbeiten künstlerisch lange nicht auf der Höhe stehen, wie die Prosaschriften, ja, durchaus verfehlt sind. Weit außerhalb des Rahmens der sexuell-psychiatrischen Romane liegt der Individualisten-Roman »Die Satanskinder«. In seinem Helden, Gordon, schildert Przybyczewsky einen Gewalts-Anarchisten, eine Kraftnatur, deren einziger Lebenszweck und Lebensgehalt die Zerstörung ist. Das ganze Buch stellt eine Verherrlichung der individualistischen Gewalttat dar und ist, was Diktion wie psychologische Durchführung anlangt, eine der besten Leistungen Przybyczewskys. Przybyczewsky ist gewiß ein Künstler, doch stört bei ihm stets der wissenschaftlich-akademische Unterton, der durch seine Schöpfungen klingt. Er beherrschte die deutsche Sprache in glänzender Weise, was ihn nicht abhielt, nach seiner Übersiedlung nach Russisch-Polen nur noch polnisch zu schreiben.
E. M.