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Oriana war unheilbar krank: mit verletztem Rückgrat siechte sie seit Jahren dahin. Ihr Siechtum hatte sie, die einst so Flatterhafte, ernst, tief und hellsichtig gemacht. Sie war Märtyrerin und genoß die Ehren einer Märtyrerin. Nicht nur ihrem Gatten erschien sie als ein fast überirdisches Wesen, ein an Erdenleid gebannter Engel, eine delphische Priesterin, eine Heilige. Um ihr Krankenbett versammelten sich täglich Bürgerstöchter und junge Ladies, schmückten ihr Zimmer mit Blumen und hatten kein anderes Begehren, als ihr frommes Gesicht zu betrachten, ihren gütigen Worten zu lauschen.

Sie war kurz vor Elisabeths Tode Hofdame geworden, eine der jüngsten und leichtsinnigsten. Ahnungslos, einer Mondwandlerin gleich, war sie an manchem Abgrund unversehrt vorbeigegangen, hatte schöngetan, geliebelt und geäugelt, Hände gedrückt, sich auch wohl Küsse gefallen lassen. Das flatterhafte Spiel war trotz allem unschuldsvoll geblieben, kein Schatten verdunkelte ihren lauteren Ruf, die jungfräuliche Königin lobte ihre kindliche Reinheit. Was Liebe sei, erfuhr Oriana erst, als ihr Overbury wie ein junger Gott entgegentrat, ihr die Augen, den Verstand und die Seele blendend. Ein vollendeter Weltmann, ein Kunstliebhaber und Kenner, ein überragender Kopf war er eben damals aus Madrid, Rom und Florenz zurückgekehrt, wohin er auf Anraten Sir Robert Cecil's, seines Gönners, gereist war, nachdem er zuvor in Oxford Bakkalaureus der freien Künste geworden und im Londoner Middle Temple Juristerei getrieben hatte. Durch den Aufenthalt im Süden geschliffen und poliert, aber auch hochmütig geworden, fand er kein Genügen mehr an der Rechtsgelahrtheit, – höher hinaus wollte sein Ehrgeiz. Von seinem allmächtigen Gönner konnte er sich die Tore des Hofes aufschließen lassen; – und, im Bewußtsein alle Altersgenossen auszustechen, zögerte er nicht, sich hineinzuwagen in die fährnisreiche Welt, deren Rangunterschiede und Schranken von der Heraldik errichtet werden. Sein Wagnis brauchte er – zunächst wenigstens – nicht zu bereuen: der alten strengen Königin Blicke ruhten wohlwollend auf seiner Gestalt, Walter Raleigh und Francis Bacon schätzten seinen geschmeidigen Geist.

Auch schriftstellerischen Ehrgeiz hatte Overbury, ein Werk über Charaktere – nach Art des Theophrast – schwebte ihm vor; seine gelegentlichen Sonette fielen auf durch Bildhaftigkeit und graziösen Rhythmus. William Shakespeare riet ihm nicht ab, den Dornenweg eines Dichters zu gehn; Beaumont und Fletcher behandelten ihn kameradschaftlich wie ihresgleichen, der junge John Ford wurde sein Freund.

Kein Wunder, daß Oriana wie eine Motte ins Licht flog.


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