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52

Die Sonne war aufgegangen, blutiger Frühwolkenschimmer rötete die Kammer der Liebesnacht, rötete zwei sündenbleiche, glückstrahlende Menschenkinder.

Als nach schmerzvollseligem Abschiedskuß Arbella, auf den Zehen gehend, elfenhaft leise zur Tür hinausglitt, wäre sie um ein Haar von David Moray überrannt worden, der mit fassungslosem Entsetzen zum Prinzen hereinstürmte – ohne sich anmelden zu lassen und sogar ohne anzuklopfen. Der Kopf stand ihm nicht danach, vorgeschriebene Förmlichkeit zu wahren; auch war er viel zu erregt, dem schönen Pagen, der an ihm vorbei hinausschlich, ins Antlitz zu schauen. Von der Liebesnacht ahnte er nichts; – und selbst wenn er Arbella erkannt hätte, er hätte ihr nur wehmütig zugenickt und kein Wort über ihren Leichtsinn verloren, so überwältigt war er von der Schreckenskunde, die er dem Prinzen zu überbringen kam.

»Guten Morgen, David. Was ist denn ...? Du siehst aus, als trügst du eine Tonne Unheil auf den Schultern?«

»Guten Morgen, mein gnädiger Lord. Vergeben Sie mir, daß ich so eindringe ... vergeben Sie mir, daß ich Schlimmes bringe ...«

»Halt ein, David! ... Ist dein Schlimmes so heißgekocht, daß es nicht kalt werden darf? ... Warte doch noch ein wenig damit ... Verdirb mir nicht gleich den sonnigen Morgen und meinen lieben Arrest ... Der geht sowieso jetzt zu Ende ...«

»Ich darf nicht warten, mein Lord. Zu viel steht auf dem Spiel. Serjeant Crew hat den Astronomen Legat, – Ihren Schützling, mein Lord, – festnehmen lassen.«

»Trotzdem ich es ihm verboten?! ... Hat Crew den Verstand verloren?«

»Ich fürchte, mein gnädiger Lord, er hat den Respekt vor Eurer Lordschaft verloren – – –«

»Weil er von meinem Arrest erfuhr? ... Heute erhalte ich meinen Degen zurück! – – – und Legat seine Freiheit!«

»Gott gebe es! ... Ich bin sofort zu Crew geeilt, habe ihm ins Gedächtnis gerufen, daß ihm strengstens von Eurer Lordschaft verboten wurde, Legat zu belästigen ... Ich überredete, bat, drohte, – alles umsonst. Mit frecher Gleichgültigkeit berief er sich darauf, Sir Gervaise Helways habe ihm den Befehl des Viscount Rochester überbracht ...«

»Viscount Rochester? Weht von da der Wind? ... So, so! ... Das also ist der Blasebalg? ...«

»Ja, mein Lord, ein Blasebalg, der Feuerscheite schürt! Ungeheuerlich und doch wahr! Als Ketzer soll Legat verbrannt werden!«

»In London?«

»Auf dem Haymarket in London ... O mein gütiger Lord, wir müssen es hindern!«

»Wir müssen, David ... Nur sage mir: wie? Haben wir eine so große Wasserspritze?«

»Ein Thronfolger bedarf deren nicht!«

»O doch, mein lieber David ... Du mußt nämlich wissen: jener Blasebalg kann Feuer anfachen und löschen. Ich nicht. Nicht mehr ... Der Viscount hat jetzt mehr zu sagen als ich, teurer Freund.« »Soll man die Hand in den Schoß legen, den alten Mann dem gräßlichen Flammentod überlassen? ... Das darf nicht sein, mein Lord!«

»Das darf nicht sein, und wir werden es hindern ... Doch wie? wie? ... Wie macht man die Sonne stillstehn in Gibeon und den Mond im Tale Ajalon? Wie macht man das?«

»Es gibt nur einen Weg, mein gnädiger Lord, –: versöhnen Sie sich mit Ihrem Herrn Vater, bitten Sie ihn ...«

»Leicht wird mir's nicht fallen, David ... Doch du hast recht. Ich habe auch noch eine andere Bitte an ihn zu richten; – eine Bitte, die für mich schwerer über die Lippen zu bringen und für ihn schwerer zu gewähren sein wird ... Ja, ich muß seine Freundschaft suchen, damit sich die Wagschalen gleich werden ...«

Von einem Pagen angemeldet, trat der Oberzeremonienmeister Lukenor ein. Nachdem er ihn höflich begrüßt hatte, reichte er Hal den in der vorvorigen Nacht abgeforderten Degen hin.

»Die Frist ist abgelaufen, mein gnädiger Lord. Seine Majestät der König, der mich beauftragt hat, das Rapier zurückzuerstatten, knüpft daran die Hoffnung, daß mein gnädiger Lord mir einen Entschuldigungsbrief an Viscount Rochester mitgeben wird.«

Hal streckte die Hand nicht aus, den Degen entgegenzunehmen. Lange Zeit schwieg er. Am liebsten hätte er den überhöflichen Graubart angeschrien: scheren Sie sich zum Teufel! unter solcher Bedingung verzichte ich auf den Degen! ich pfeife darauf! ... Doch Arbella's Bild stellte sich zwischen ihn und seinen Zorn und hielt ihn ab, Unsinniges zu tun.

Und plötzlich lächelte er wie ein Indianer am Marterpfahl: für die Geliebte durfte ihm kein Opfer zu groß sein; und selbst zu leiden für sie, war eine Art sublimen Glückes.

Er schrieb einen freundlichen Entschuldigungsbrief an Rochester und tauschte ihn gegen seinen Degen ein.

Als der Oberzeremonienmeister hinausgegangen war, küßte Lord Moray mit Tränen in den Augen die Hand des Prinzen.

»Versalze mir meinen Sieg nicht, guter David, – und laß uns nicht Zeit verlieren: wir müssen einen Happen zu uns nehmen – (Zwingburgen erobert man nicht mit leerem Magen) – und dann geschwind zum Angriff! ...«


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