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Und wieder strahlte die Sonne, und wieder wölbte sich italienisch-blau die Kristallglocke des flimmernden Äthers über Ambergate Park. Majestätisch über den Rasen schreitend, netzte der weiße Pfau seine Schweiffedern mit glitzerndem Morgentau. Doch Arbella kam nicht, ihn zu füttern. Sie lebte jetzt fern von ihm in Saus und Braus, bemuttert von der Königin, gefürchtet vom König, beneidet und gehaßt von den schönsten Ladies, angebetet von allen Männern, und allgemein – sogar jenseits des Kanals – gerühmt als das bezauberndste und geistvollste Mädchen, das jemals Whitehall's Glanz vermehrte.
Aber auch das Ehepaar Moray fütterte den weißen Pfau nicht mehr. Lady Moray schlummerte in der Familiengruft neben ihrem zu früh geborenen Kinde. Umsonst hatte sie gejubelt, daß in den Adern des wie eine Blume in ihrem Schoße Wachsenden das feindliche Blut der Gordons und der Morays friedebringend sich mischen würde. Ungebraucht lagen die von ihr genähten Kinderhemdchen auf getrockneten Rosen- und Lavendelblüten. Drei Wochen lang hatte David Moray Götzendienst mit den Kinderhemdchen getrieben, dann riß er sich los von der Verlockung des Todes und schloß die Villa ab. Seine Frau hatte sterbend ihm ein neues Lebensziel gewiesen: den Prinzen Hal nicht aus den Augen zu lassen, sein guter Dämon, sein Schutzgeist zu werden, ihn vor der Tücke Patrick Ruthven's zu bewahren ... In einer Audienz beim König erbat er sich und erhielt die Erlaubnis, des Thronfolgers Fechtlehrer zu werden.
Von Schuldbewußtsein bedrückt, konnte ihm der König die Bitte nicht abschlagen. Denn James hatte den Tod der Lady Moray auf dem Gewissen. Bald nach der Verbannung Seymour's war er nach Ambergate Park gekommen, die Schale seines Zornes über die Patronin der nächtlichen Trauung auszugießen. Er traf das Ehepaar Moray bei den Blumenbeeten im Garten, es war die erste Begegnung seit der Gerichtssitzung der Sternkammer. Sein ebenso grotesker wie maßloser Wutausbruch, sein Vorwurf der Kuppelei, seine Drohung, den ganz und gar unschuldigen David Moray als Matrosen auf einem Kriegsschiff dienen zu lassen (wie den Lord Vaux) –, hatten zur Folge, daß Lady Moray zu Boden sank und dort zwischen den Rosenstöcken ein totes Kind gebar. Als ihr Gatte ihr die Kleider aufriß, wandte – statt ihm helfend beizustehn – James ärgerlich und verschämt sich ab. Blut und noch gar die Nacktheit einer Kreißenden zu sehn, ertrug sein ästhetisches Gefühl nicht. Spornstreichs ritt er nach Whitehall – indigniert darüber, daß man seine königlichen Augen mit dem anstößigen Anblick nicht verschont hatte.
Heimgekehrt fand er den Großkämmerer Earl of Suffolk und Moll Cutpurse, die tolle Moll, in der Stone Table Chamber vor. Er hatte am Morgen dieses Tages Suffolk beauftragt, die Diebin ihm zuzuführen; war ihm doch zu Ohren gekommen, Serjeant Crew habe sie ins Spinnhaus gesteckt wegen despektierlicher Äußerungen über die Damen des Hofes.
Suffolk entfernte sich in die Privy Gallery, James blieb allein mit Moll. Also von Damen hatte sie wegwerfend gesprochen? Das paßte so recht zu seiner verbitterten Stimmung und machte ihm die Delinquentin unbesehens sympathisch. Damen hatten ihm immer noch bisher Unglück gebracht. Wenn Moll den englischen Hof ein Bordell nannte, so hatte sie so unrecht nicht; und ihre Bestrafung war vielleicht zu hart. Das wollte er nachprüfen.
Erst als er sie anredete, erkannte er in ihr jenes lustige Weibsstück wieder, das sich in Cymry Castle mit Arbella duellieren mußte, und das ihn durch Zungenfertigkeit und Mutterwitz köstlich unterhalten hatte. Auch jetzt vermochte sie in kürzester Zeit, ihm die düstern Wolken von der Stirn zu scheuchen. Aufgeheitert begann er Wein, viel Wein, allzuviel Wein zu trinken. Sie aber beschrieb ihm, wie sie König Jimmy's Himmelfahrt dargestellt habe, und wiederholte Jimmy's Rede an Petrus. Täuschend kopierte sie seine Sprechweise, seinen Gesichtsausdruck, seinen humpeligen Gang. Wiehernd lachte James darüber, trank noch mehr und stimmte entzückt ihr zu, als sie versicherte: der liebe Gott habe geschmunzelt über sie, denn der liebe Gott habe Humor; und auch der König habe Humor; – nur Serjeant Crew sei so humorlos, die Ladies für reine Engel zu halten, und als Blasphemie zu strafen, wenn man den Schleier von diesen reinen Engeln ziehe ...
Es dauerte auch gar nicht lange, so schlürfte Mad Moll Kanarienwein aus des Königs Glas, saß auf seinem Schoß, schlang die Arme um seinen Hals und erzählte ihm kichernd Boccaccio-Abenteuer der reinen Engel. Mochten es auch haarsträubende Verleumdungen sein, sie waren Wasser auf seine Mühle, und er wand sich vor Lachen.
Wein und Gelächter verhinderten ihn, zu bemerken, daß Königin Anna eingetreten war. So versteinert war Moll, daß sie sitzenblieb und nicht einmal den Arm von des Königs Hals zurückzog.
Überaus vergnügt sagte die Königin:
»Du bist mir ein Weiberhasser, Jimmy! Das ist wohl die Nachfolgerin Arbella's?«
James schüttelte Moll ab, wie man einen Ohrwurm abschüttelt. Er erhob sich vom Sessel, schwankend, blaurot im Gesicht, die Augen gläsern. Mit königlicher Gebärde sagte er streng:
»Geh, Moll! Das Spinnhaus erlassen Wir dir! Aber erzürne Uns nicht wieder!«
»Was tat sie denn? Hat sie dich geküßt, Jimmy?«
»So bin ich doch nicht, Ninive! ... Nein, aber sie sprach wie eine Heidin von Gott und sagte: Gott habe Humor!«
Moll Cutpurse war inzwischen hinausgeschlichen. Die Königin erwiderte:
»Ja, Gott hat einen grimmen Humor, Jimmy! Zu seinem Hofnarren hat Gott dich gemacht und zuweilen läßt er dich auspeitschen, – das besorgt in seinem Namen das Schicksal! Du schäkerst und betrinkst dich mit einer Frau, nachdem du vor kaum einer Stunde eine andere Frau ermordet hast! Pfui, was für ein Hanswurst Gottes bist du doch, Jimmy!«
»Ermordet? Wen? ... Was redest du?«
»Lady Moray ist tot, und du bist ihr Mörder!«
Obgleich James angeheitert war, begriff er die Tragweite dieser Anklage. Er sank in sich zusammen. Er wurde klein. Rührselig vergoß er trunkene Tränen, faltete die Hände, murmelte Gebete.
Von diesem Augenblick an hielt wieder Königin Anna die ihr entglittenen Zügel und zwang mehrere Wochen lang ihren Gatten, ein Schattendasein an ihrer Seite zu führen.
Sie war nichtsahnend an dem der vereitelten Trauung folgenden Vormittag von ihm überrumpelt worden, der Macht beraubt worden, über Arbella schützend die Hand zu halten. Während sie, ermüdet nach der nächtlichen Damenkavalkade, bis in den Nachmittag hinein zu Bett lag, hatte James Arbella und Seymour festnehmen lassen und die Sternkammer angewiesen, eine Untersuchung der Makellosigkeit Arbella's einzuleiten. Als die Königin erwachte, war es zu spät und ließ sich nicht mehr rückgängig machen. Im unzeitigen Schlaf hatte sie die Niederlage erlitten; – doch bloß ein Pyrrhussieg war es für ihn gewesen. Jetzt aber war sie Siegerin und nutzte ihren Sieg aus. Vae victis!
Sie sparte beißenden Spott nicht. Sie verlangte, daß er Arbella treu bleibe und sich nie wieder unterstehe, Arbella mit einer Moll zu betrügen. Sie verlangte, daß er Arbella öffentlich den Hof mache. Sie schrieb ihm vor, wie er sich als schmachtender Anbeter benehmen müsse. Sogar die Tänze bestimmte sie, die er bei Festlichkeiten mit Arbella zu tanzen habe.
Auch zwang sie ihn, eine große Summe als Jahresrente für Arbella auszusetzen, ihr zwanzig Kleider zu kaufen, dazu Spitzenwäsche, Parfüms, Hüte und Handschuhe. Und sie selbst wählte aus den Kronjuwelen etliche Schmucksachen, auf daß er damit seine Mätresse behänge, die seine Mätresse nicht war.
»Ich sorge für deinen guten Ruf, du Hofnarr Gottes!« höhnte sie.